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So lebten die Leverkusener vor 100 JahrenWiesdorfer Koloniemuseum ausgezeichnet

Lesezeit 3 Minuten

Die Küche des Koloniemuseums ist eine Momentaufnahme, wie es zu Urgroßmutters Zeiten ausgeschaut haben könnte.

Leverkusen – Der Opladener Geschichtsverein (OGV) hat im Rahmen der Festveranstaltung 90 Jahre Leverkusen das Koloniemuseum in Wiesdorf mit dem Liedtke-Wichmann-Preis ausgezeichnet. Gertrud Liedtke (1943 - 2012) und Alfried Wichmann (1921 - 2012) engagierten sich als Lehrer wie auch außerschulisch für eine „Geschichte für Jedermann“. Im OGV wirkten sie als Ehrenvorsitzende und Ehrenbeisitzer und setzen sich für die Einrichtung einer stadtgeschichtlichen Dauerausstellung ein.

Preisträger gestorben

Die Jury hat sich nach dem Tod des diesjährigen Preisträgers, Wolfgang Schartau, entschieden, den Preis zwei Mal zu vergeben.

Dem Förderverein wurde der Preis und die Dotation von 500 Euro zuerkannt, da das Team um Elke Kersten „in vornehmlich ehrenamtlicher Weise anschaulich und nachhaltig einen wichtigen Teil der Leverkusener Stadtgeschichte publikumswirksam und adressatengerecht vermittelt“, so die Begründung.

Zufälliges Wohnmuseum

Durch einen Zufall stieß Elke Kersten auf die Idee eines Wohnmuseums. Als Geschäftsführerin der ehemaligen Bayer-Wohnungsgesellschaft Baywoge wurde sie Anfang des neuen Jahrtausends auf einem Sommerfest in Lünen auf das dortige Wohnmuseum der Bergarbeitersiedlung Brambauer aufmerksam. Schnell erhielt die Idee, so etwas auch in Leverkusen umzusetzen, Dynamik. Kollegen der Baywoge waren sofort dabei.

Elke Kersten stieß durch Zufall auf die Idee eines Wohnmuseums. Das gibt es nun seit 15 Jahren in Wiesdorf.

Es sollte etwas Dauerhaftes bleiben in der Zeit der Umstrukturierung und Verkäufe. Denn Bayer ergriff die Gelegenheit unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel, um die Geschäfte steuerfrei auf die Wohnungsgesellschaft Vivawest zu übertragen. Zwischenzeitlich war die Baywoge 2002 an die Treuhandstelle für Bergmannssiedlungen (THS) übergegangen.

Sanierungsstau

Ein Glücksfall für alle Museumsfreunde war es, dass zwei Häuser der Kolonie Anna, die direkt gegenüber dem Erholungshaus lagen, einen enormen Sanierungsstau hatten. Hier sah eigentlich alles fast noch so aus wie zur Gründungszeit zwischen 1895 und 1913. Es war das Vereinsheim der Bayer-Gesangsvereine. Elke Kersten, die für das Museumsprojekt ein Auge auf diese Immobilien geworfen hatte, gab zu Bedenken, dass Bayer Vivawest dafür eigentlich Miete zahlen müsste.

Ein historischer Lokus gehört zum Museum dazu.

Das ging dem Konzern jedoch zu weit und um es ein bisschen abzukürzen: Die Vivawest-Stiftung fördert seither die ehrenamtliche Arbeit des Freundes- und Förderkreises des Koloniemuseums. Pünktlich zum 75. Geburtstag der Stadt Leverkusen nahm das Wohnmuseum seine Arbeit vor 15 Jahren auf und der Verein informiert seither akribisch über die Kolonien der Farbenfabriken Bayer. Nicht immer lässt sich alles, was der Verein an Sachspenden erhält, museumsdidaktisch einbauen. Und es wird heftig diskutiert, ob nicht mittlerweile einiges zu viel im Koloniemuseum gestrandet ist. Die Mischung ist in der Tat apart.

Stahlhelm als Salatsieb

Da gibt es den zum Salatsieb umfunktionierten Stahlhelm, den kitschigen Deckenleuchter mit Bauernmalerei und ein Foto des Doppelbetts im in Blau gehaltenen Elternschlafzimmer wurde sogar schon auf der Internetseite eines Bordells gesichtet. Alte Küchenherde, wuchtige Ehebetten und Kinderspielzeug, das von einer Playstation so weit entfernt sein dürfte, wie ein Feuerstein von einer Cerankochplatte sind Zeugen einer Zeit des Leverkusener Aufstiegs.

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Elke Kersten und ihre Mitstreiter sagen, dass das Interesse der Leverkusener, aber auch auswärtiger Besucher stark sei. Durch Corona sind die Führungen zwar fast auf null heruntergefahren. Aber die Miete wird gezahlt und der Elan der 40 Vereinsmitglieder, darunter 17 Aktive, etwas zum Museum beizutragen, ist ungebrochen.

Sie laden bei Führungen, Lesungen und Ausstellungen oder Schulprojekten immer wieder zum kritischen Diskurs ein, zeigen auch die überwachende und kontrollierende Arbeitgeberseite in der Kolonie Anna auf, die Reglementierung, die bis zum Bau des Hasenstalls reichte.