2021 ist toll gelaufen für Covestro. Deshalb müssen die Leverkusener im schlechten Jahr 2022 mehr als eine halbe Milliarde Steuern zahlen. Das schmerzt.
Covestro-BilanzDeshalb schneidet der Leverkusener Kunststoff-Konzern noch schlechter ab
Thomas Toepfer, der bald zu Airbus abwandernde Finanzvorstand, beschreibt es am Donnerstag so: Die Abgaben von 538 Millionen Euro sind Resultat „einer aus steuerlicher Sicht ungünstigen geographischen Aufstellung des Konzerns“. Mag Leverkusen mit seinen 250 Hebesatz-Punkten auch ein Gewerbebesteuer-Paradies sein – insgesamt ist Deutschland eben doch ein Land mit hohen Abgaben.
Steuern und Abschreibungen haben Covestros Ergebnis im letzten Quartal von 2022 nochmals kräftig nach unten gerissen. Passender Abschluss eines Annus horribilis, das sich auf den Gehaltszetteln aller Beschäftigten von Covestro abmalen wird. Auch und gerade beim Vorstand: Wer den größten Teil seines Gehalts aus Boni bestreitet, muss besonders heftig leiden, wenn’s nicht läuft.
Aber es hat zuletzt auch gute Nachrichten gegeben für den Kunststoff-Konzern, auch wenn die vielleicht beste gar nicht Ergebnis einer eigenen Entscheidung war, sondern rheinaufwärts getroffen wurde, bei der BASF: Die Ludwigshafener wollen in ihrem Stammwerk kein Toluoldiisocyanat (TDI) mehr herstellen, um Geld zu sparen und ihre horrenden Energiekosten besser in den Griff zu bekommen. Ein harter Schnitt: Die Anlage in Ludwigshafen ist keine acht Jahre in Betrieb; Kunden der BASF bekommen die Grundlage für Weichschäume künftig nur noch aus den USA und Südkorea.
Wie Covestro von der BASF profitiert
Damit wird Covestro zum einzigen Groß-Produzenten des Massenprodukts in Europa: Die Anlage in Dormagen hat eine Kapazität von 300.000 Tonnen im Jahr und produziert nach einem ungeplanten Stillstand vorigen August weiter. Im Gegensatz zur BASF sieht Covestro erhebliches Potenzial in dem Vorprodukt, das zum Beispiel in Matratzen, Polstern und Schuhen vorkommt: Vor einem Jahr stellte das Unternehmen das erste „erneuerbare“ TDI vor, das zu einem Teil aus Bio-Rohstoffen und Abfällen besteht. Produktionsorte sind Dormagen und Caojing nahe Schanghai.
Covestro-Chef Markus Steilemann mochte zwar am Donnerstag die „strategischen Entscheidungen unseres Mitbewerbers nicht kommentieren“, verwies nur darauf, dass man seine europäischen Kunden auch aus Europa beliefern wolle. Schlüsse haben aber Börsen-Analysten schon gezogen und die Leverkusener als eindeutigen Gewinner der Ludwigshafener Anlagen-Schließung ausgemacht. Das half dem Aktienkurs wenigstens zeitweise. Am Donnerstag ging es wegen der vorsichtigen Prognose für dieses Jahr indes wieder rapide abwärts.
Positive Trends müssen erst noch wahr werden
Die Zahlen zählen – verheißungsvolle Trends noch nicht: Dass Covestros Material für Windräder die Propeller-Produktion im Schnitt um rund acht Prozent billiger macht, muss sich bei den Herstellern erst noch rumsprechen. Dass in einem Elektroauto doppelt bis fünfmal so viel Polykarbonat – bei Covestro heißt das Makrolon – eingesetzt wird, ist auch nur ein Versprechen, das erst noch eingelöst werden muss. Genau wie der steigende Bedarf an MDI, das für die Dämmung von Gebäuden in Massen benötigt wird.
Das Projekt Kreislaufwirtschaft, das Konzernchef Steilemann immerfort im Kopf herumgeht, werde man alleine auch nicht zum Erfolg führen, betont er am Donnerstag. Ein neues Label, das man auf Produkte kleben kann, die zu mindestens 25 Prozent aus recycelten Stoffen bestehen, sei zwar ein Anfang. Aber um die Recycling-Idee auch beim Kauf neuer Produkte in die Köpfe zu bekommen, müsse auch der Staat in der Sache noch etwas tun.
Insgesamt glaubt der Covestro-Chef trotz enormer Energiepreise offenbar noch mehr an den Standort als sein Pendant bei der älteren Bayer-Ausgründung Lanxess: Während Matthias Zachert Investitionen in neue Anlagen mit Blick auf hohe Kosten und immer noch zu komplizierte Genehmigungsverfahren als wirtschaftliche Sünde bezeichnet, will Markus Steilemann weiter Geld ausgeben in Leverkusen und drumherum.
Die 400 Millionen Euro des Jahres 2022 werde man dieses Jahr zwar nicht erreichen. Aber mit „einem dreistelligen Millionenbetrag“ könne man rechnen. Das könnte leichter fallen als zuletzt: Wenn es um die Berechnung der Steuern geht, wird diesmal das schlechte Jahr 2022 der Maßstab sein – und die Abgaben wesentlich niedriger ausfallen.