Gründungsmitglied der GrünenKlaus Wolf, Urgestein der Leverkusener Politik, tritt ab
Leverkusen – Er ist ein Urgestein der Leverkusener Politik: Am 15. Juni will sich Klaus Wolf von den Grünen aus der aktiven Politik zurückziehen. Er prägte die lokale Politik für Jahrzehnte – im Stadtrat und in Initiativen. Und wurde sogar bundesweit bekannt als erster grüner Bürgermeister in Deutschland.
„Das war alles ein Hype“, sagt Wolf und lacht. Er kommt gerade aus dem Garten, vom Kirschbaum gestiegen. Am Freitag war er noch in Berlin bei der Protestaktion gegen den Autobahnausbau und hat seine Fahne geschwungen. Nun will er die Arbeit als sachkundiger Bürger im Bauausschuss, sein Aufsichtsmandat in der Stadtentwicklungsgesellschaft und sein Engagement im interfraktionellen Arbeitskreis „Keinen Meter mehr“ abgeben.
Die erste politische Heimat fand Klaus Wolf in der SPD, doch dann kamen in den 1970er Jahren die Pläne für eine Erweiterung der A59. Bayer riss damals die Kolonie I ab. Als sich der Stadtrat dem in Wolfs Meinung nicht genügend entgegensetzte, trat er aus. „Das mache ich nicht mit“, habe sich der Absolvent der Kunstakademie Düsseldorf damals gesagt.
In Bürger- und Kulturinitiativen kämpfte er weiter gegen das Projekt, auch mit seiner Künstlergruppe „Grünfilter“. Damals engagierten sich Leute aus der linken Kulturszene, auch von der „Körnerpickerfraktion“, sagt Wolf und schmunzelt. Wilfried Schmickler war auch dabei. 1979 stand dann fest: Man gründet eine Bewegung. „Es hatte damals keiner daran gedacht, das ewig zu machen, vielleicht fünf Jahre, das war eine Sponti-Idee“, erinnert sich der heute 73-Jährige.
Mit 5,04 Prozent in den Rat gewählt
Der gebürtige Rostocker, dessen Mutter aus der DDR kam und mit ihm zu den Großeltern ins Rheinland zog, trat für die „Alternative Grüne Liste“ (AGL) an, 1979 wurde er mit Brigitte von Bonin und Rainer Welte in den Rat gewählt. „Wir kamen ganz knapp über die 5-Prozent-Hürde. Ich hab das im Radio gehört. So richtig gerechnet hatte damit keiner“, räumt er ein.
Die aufkommende Bewegung der Grünen hätten sie durchaus verfolgt, erinnert sich Klaus Wolf. Ein Jahr später war er sogar bei der Gründung der Bundespartei dabei. „Da kam alles zusammen.“ Damals habe es noch eine starke Zersplitterung in Realos und Fundis gegeben, die Grabenkämpfe von früher gebe es heute aber nicht mehr. Als sich die neue Partei etabliert hatte, wurde debattiert, wie man sich ihnen gegenüber positioniert. Man entschloss sich, die Leverkusener AGL in die Grünen zu überführen. So sei man „besser identifizierbar“ gewesen.
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1984, in seiner zweiten Legislaturperiode im Stadtrat, nahm Wolf an den Koalitionsverhandlungen in Leverkusen teil. Wie das ablief, „das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, ruft Wolf aus. SPD und Grüne hätten im alten Rathaus am runden Tisch gesessen, um sie herum die Verwaltungsmitarbeitenden und Journalisten.
Der Schlebuscher wurde dritter Bürgermeister in Leverkusen. Im Nachhinein sei das in der Wahrnehmung „völlig überbewertet“ gewesen, findet Klaus Wolf heute. Monatelang habe das Thema bundesweit die Zeitungen beschäftigt. Es sei so interpretiert worden, dass die Grünen ab da „bereit waren, auch im Machtapparat mitzuwirken“, erklärt Wolf und erinnert an die Walter-Hanel-Karikatur im „Kölner Stadt-Anzeiger“, nach der er ins Haifischbecken springt, während die anderen Grünen nur einen Zeh ins Wasser tunken. Wolf muss lachen.
Bei den Grünen gehörte er damals zum Realoflügel, klar, als Bürgermeister. „Da haben mich manche fast als Rechtsaußen betrachtet.“ Dass man auch mit Funktionen erfolgreich Politik machen könne, hat er den Kritikern danach bewiesen.
Das Offene, Spontane wandelte sich
Auch heute noch sieht der Vater zweier Kinder bei den Grünen seine politische Heimat. Auch wenn er sich früher nicht hätte ausmalen können, dass gerade die Grünen Waffenlieferungen in die Ukraine so vehement unterstützen. Aber bei einem Angriffskrieg in der Nachbarschaft: „Die Situation konnte keiner voraussehen.“ Aber auch abseits davon hat sich einiges gewandelt im Vergleich zu den Anfängen der Grünen. „Das, was andere als Konsolidierung empfunden haben, war für mich Verlust“, sagt er. Das Offene, Spontane der anfänglichen Bewegung, dann die Routinen und die Verfestigung der Partei. Auch, wenn er diese Verfestigung ja mit betrieben habe.
Damals wollte er schließlich Verantwortung übernehmen: „Ich habe mich immer verpflichtet gefühlt, klar zu sprechen und keine weichen Parolen auszugeben. Wir wollten was erreichen, da muss man auch riskieren zu verlieren.“ Er erinnert sich an den Widerstand aus der Leverkusener Bevölkerung gegen die Schließung zweier Gymnasien in den 80er Jahren, dafür wurde die zweite Gesamtschule in der Stadt gegründet. „Ich bin selten politisch so verhauen worden wie in dieser Zeit.“
Worauf er stolz ist? Erreicht habe man die Gründung des Umweltdezernats, auch das Frauenbüro wurde damals eingerichtet, Jugendkunstgruppen und Künstlerbunker gegründet, auch die Musikschule „auf die Reise gebracht“. Auch dass die Deponie Dhünnaue gesichert und umhüllt werden musste, sieht Wolf als politischen Erfolg an. Und Misserfolge? Dass es nicht gelungen sei, den Abriss der Kolonie I zu verhindern, Wiesdorf habe damals 10.000 Einwohner verloren, „das macht sich bis heute bemerkbar. Die Stadt hat dadurch Wunden bekommen“.
Nach Ausflügen in die Landespolitik – er arbeitete unter anderem ein halbes Jahr als Referent für die damalige Umweltministerin Bärbel Höhn („Sagen wir so, ich hatte einen anderen Arbeitsstil als sie“) – engagierte er sich weiter in der Stadt. Neben seinem Beruf als Kunstlehrer am Landrat-Lucas-Gymnasium.
Wo die Unterschiede zwischen jungen Leuten heute und damals liegen? „Als ich eingestiegen bin, war ich gerade 30, das war für damalige Verhältnisse jung“, empfindet Wolf. Heute würden die jungen Leute teilweise „von der Schulbank aus ins Mandat“ gehen. Gut sei, dass sie ein anderes Denken hätten. Andererseits: Man habe Entscheidungsaufgaben für andere, was mache das mit jemandem, wenn man so jung sei und keine andere Erfahrung außer die politische habe, den „Entscheidungshorizont“ nicht kenne, fragt er sich.
Zuletzt war Klaus Wolf gegen den Ausbau der A1 und A3 aktiv. Wegen dieses Kampfes habe er sich wieder verstärkt in der Politik engagiert, obwohl er seit sieben Jahren pensioniert ist.
Doch jetzt will er kürzer treten, er wolle nicht mehr machen, was ihm einen Terminkalender beschere. „Ich möchte morgens mit einer Tasse Kaffee in den Tag starten und wissen: Heute musst du nichts mehr machen.“ Er wolle mit der Zeit anders umgehen, die Zeit wieder verlangsamen, so drückt er es aus. Vielleicht auch mit der Gitarre. Ganz sicher mit dem Neun-Meter-Segelboot, für dessen Bau er sieben Jahre gebraucht hat und wofür er extra gelernt hat, Aluminium zu schweißen. Es ist in Holland vertäut und wird schon bald wieder in See stechen.
Doch ein Mann mit der Energie eines Klaus Wolf ist niemals vollkommen weg. Er werde sicherlich die eine oder andere Idee bei den Grünen platzieren und auch bei verschiedenen Aktionen am Straßenrand stehen. „Ich demonstriere weiterhin, ist ja klar!“