SPD und Grüne trafen sich am Wahlabend zum gemeinsamen Wahl-Gucken.
EuropawahlCDU Leverkusen stolz aufs Ergebnis – Frust bei den Grünen
Weniger eine Feier, vielmehr Trauerarbeit war bei den Leverkusener Grünen angesagt, die sich in ihrer Parteizentrale in Schlebusch, genannt „Treibhaus“, getroffen hatten, nachdem um 18 Uhr die Prognose für die Ergebnisse der Europawahl im Fernsehen gezeigt werden durfte. Mehr als acht Prozentpunkte Verlust bundesweit im Vergleich zur Europawahl 2019 muss man erstmal verdauen.
Dirk Danlowski ist einer, der seit Jahrzehnten an den Wahlkampfständen steht. Er sackt tief in seinen Sessel und greift sich eine Flasche Kölsch. Besonders schmerzhaft: Für die AfD haben mehr Menschen votiert als für die Umweltpartei, „und wenn man die Wagenknecht dazuzählt, sind das verdammt viele“, sagt Danlowski. Im Laufe des Abends zeichnet sich auch für Leverkusen ab, dass die Rechtspopulisten zu den Grünen fast aufgeschlossen haben.
Allerdings schneiden sie im Rheinland nicht ganz so gut ab wie im Bund. Für die Fraktionsvorsitzende Claudia Wiese kommt das Ergebnis nicht überraschend: „Das Ergebnis ist extrem bitter, eine große Enttäuschung für alle, die sich für die Demokratie einsetzen. Uns wird verübelt, dass wir die Partei sind, die was verändern will. Aber den Klimaschutz kann man einfach nicht verschieben“, sagt sie.
Neben den Grünen hatte die SPD zum gemeinsamen Wahl-Gucken mit den Parteifreunden in ihre Parteizentrale eingeladen. Dort herrschte zunächst eine ähnlich verhaltene, aber insgesamt weniger bedrückte Stimmung als bei den Grünen. Kein Wunder, denn mit dem Ergebnis, das sich im Laufe des Abends für die Leverkusener SPD abzeichnete, wäre man im Bund sicherlich zufrieden: Es sind mehr als vier Prozentpunkte mehr.
Der Leverkusener Parteivorsitzende Alexander Finke ist ganz zufrieden mit dem Ergebnis in der Stadt, er sagt aber: „Wir erwarten deutliche Impulse von der Bundespartei.“ Regina Sidiropulos kann sich dagegen noch an andere Zeiten erinnern, als die SPD in Leverkusen absolute Mehrheiten einfuhr: „Es war einmal“, kommentiert sie knapp. Finke stellt noch fest, dass ihnen in diesem Wahlkampf fast alle SPD-Wahlplakate in der Stadt heruntergerissen worden seien.
Der Raum in der SPD-Zentrale an der Dhünnstraße ist voll besetzt, jeder schaut auf die Zahlen in „seinem“ Bezirk, die zeigen, wie der eigene Wahlkampf gelaufen ist. Der einzige Leverkusener Kandidat fürs Europaparlament, Marco Sahler, hat mit Listenplatz 92 nicht mit einem Sitz im Parlament gerechnet. Heute sitzt er zwischen den Genossen auf einem roten Sofa: „Ich geh’ mal eine rauchen“ – „N’en dicken Joint am besten“, ruft ihm einer hinterher.
„Vielleicht ziehen uns die Briefwahlbezirke noch etwas hoch“, sagt SPD-Geschäftsführer Julian Frohloff, der unter den im Durchschnitt älteren Briefwählern mehr Anhänger vermutet. Das bestätigt sich später. Die CDU hätte zwar allen Grund gehabt, in Leverkusen eine Feier zu veranstalten, denn sie konnte ein gutes Ergebnis einfahren, aber die Partei verzichtete auf eine Wahlparty. Der Kreisvorsitzende Rüdiger Scholz kommentierte am Telefon stolz: „Wir haben in Leverkusen ein hervorragendes Ergebnis, zehn Prozentpunkte vor der SPD als zweite.“
Am letzten Tag des Wahlkampfs in der Wiesdorfer Fußgängerzone hatten die Wahlkämpfer der demokratischen Parteien noch ein weitgehend versöhnliches Fazit gezogen: Die Grüne Anja Boehnke musste allerdings feststellen, dass die Gegner lauter geworden seien und die Freunde der Grünen in ihrer Zustimmung zur Politik der Partei klarer geworden seien: Auch hier sind die Grenzen schärfer, die Spaltung gegenüber früher deutlicher geworden. Gelegentlich sei den Wahlkämpfern aber auch ausdrücklicher Dank ausgesprochen worden, weil man sich in der Politik ehrenamtlich engagiere.
Als „überraschend gut“ bezeichnete Max Haake (SPD) die Stimmung der Leverkusener gegenüber den Sozialdemokraten, die als Regierungspartei in Deutschland natürlich viel mehr Anlass zur Kritik auslöst, als die Oppositionsparteien. Da die Europapolitik allgemein über die Legislatur viel weniger beachtet wird als die Bundespolitik, beeinflusst sie die Wahlentscheidung stark.
Haake berichtet auch von fies pöbelnden Leuten am Stand. Die SPD-Spitzenkandidatin Katharina Barley hätten viele Wähler zu Beginn des Wahlkampfs nicht gekannt, sagte er. Mit der Bekanntheit ihrer Kandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte die FDP dagegen keine Probleme. Wahlkämpfer Uwe Bartels (FDP) musste sich wegen der klaren Haltung der FDP-Spitzenkandidatin für ihre Unterstützung der Ukraine gegen Putin sowohl harte Vorwürfe als auch klare Zustimmung anhören.