Explosion in BürrigChemie-Entwarnung frühestens Ende der Woche
Leverkusen – Gut eine Woche nach der Katastrophe in Bürrig hat Lars Friedrich einen Brief geschrieben. Der Leiter des Chempark wendet sich an alle, die von der Explosion und dem anschließenden Brand am Sondermüllofen in irgendeiner Weise betroffen sind. Also Zehntausende.
Der Chempark-Chef nennt die Explosion und den daraus resultierenden Großbrand ein „schlimmes und trauriges Ereignis“ – für sein Unternehmen, aber auch für die Anwohner. „Wir verstehen, dass Sie viele Fragen haben.“ Dass am Dienstagabend ein sechster Toter geborgen wurde und nun noch ein weiterer Mensch gefunden werden muss, der mit Sicherheit in dem Inferno vom 27. Juli umgekommen ist, mache auch vielen Currenta-Leuten zu schaffen. Deshalb hat der Chempark-Betreiber vor seiner Zentrale im Werk einen Trauerort eingerichtet. Er ist von der Kaiser-Wilhelm-Allee zugänglich, liegt also nicht hinter dem Zaun.
Zu viele Fragen offen
Neben der Trauer gibt es aber immer noch große Sorgen. In einem weiten Umkreis haben Menschen etwas von dem Rußregen abbekommen, der zumindest drei Tage lang zu schlimmsten Befürchtungen Anlass gab: Dass Dioxin, PCB und PAK an den Partikeln haften könnten, hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz zwar am Freitag ausgeschlossen. Fragen bleiben – zum einen, weil die Chemiker erst in der Stadt waren, als das Feuer schon aus war. Zum anderen, weil die Lanuv-Leute nur vier Partikelproben untersucht haben.
Vor allem aber verstört, dass die Warnung, im Garten zu arbeiten, geschweige denn zu ernten, von den Behörden noch nicht aufgehoben wurde. Auch Kinder sollen nicht draußen spielen bis weitere Untersuchungen abgeschlossen sind. Dazu werden jetzt Bodenproben genommen. Wann mit Ergebnissen zu rechnen ist? Zum Ende der Woche, sagte am Mittwoch eine Sprecherin der Bezirksregierung. Dann werde man wissen, ob sich weitere Stoffe in der Umgebung ausgebreitet haben: Currenta und das Lanuv arbeiteten eng zusammen, um den Untersuchungsumfang und die Analyseverfahren abzustimmen. Die Ergebnisse tauschen beide aus. Werden sie detailliert veröffentlicht? Dazu gab es eine unklare Aussage. Die Bezirksregierung Köln ist die erste Überwachungsinstanz für die Sondermüll-Verbrennungsanlage von Currenta. Sie schickt in regelmäßigen Abständen Prüfer ins Bürriger Entsorgungszentrum. Unangemeldet, heißt es.
Ohne Currenta läuft nichts
Was die Ursache des Unglücks angeht, ist die Situation nochmals weitaus unübersichtlicher. Die Stadtverwaltung verweist auf die Staatsanwaltschaft und die Bezirksregierung. Dort heißt es, man müsse die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft und des Lanuv und von Currenta abwarten. Auch die Kölner Staatsanwaltschaft ist in ihrem Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts des fahrlässigen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und fahrlässiger Tötung offenbar auf die Zuarbeit der Currenta angewiesen. Die Brandermittler seien zwar schon vor Ort gewesen, aber sie konnten noch nicht zum eigentlichen Explosionsort vordringen; dort sei es noch immer zu gefährlich, sagt Staatsanwältin Lisa Klefisch auf Anfrage. Maximilan Laufer bestätigt das: Der Explosionsort an den drei Tanks sei noch nicht erreicht, aber man komme mit dem Aufräumen voran, erklärt der Sprecher von Currenta. Wer am Unglücksort zu tun habe, werde getestet. Es gebe ein umfängliches Bio-Monitoring, unter anderem mit Urinproben. „Das war alles bisher unauffällig“, sagt Laufer.
Bürgertelefon
Weiterhin geschaltet bleibt die Chempark-Hotline. Unter ☎ 0214 / 26 05 99 333 sollen sich Bürger melden, die Ruß vom Großbrand bei sich gefunden haben und ihn beseitigt haben wollen. Die Warnung des Landesumweltamts, die Partikel nicht zu berühren, besteht weiterhin. Currenta will nach eigenen Angaben sicherstellen, dass alle Anfragen bearbeitet werden und verweist zusätzlich auf ein Formular auf seiner Internetseite. (tk)
Was die Zusammenarbeit mit den Ermittlern angeht, kooperiere man vollumfänglich, so der Sprecher. Wer bei Currenta zur Erforschung der Explosionsursache etwas beitragen könne, werde natürlich dazu geholt. An schnelle Ergebnisse glaubt aber niemand.
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Rainer Welte, Gründungsmitglied der Grünen, promovierter Chemiker und viele Jahre beim Bayer-Konzern beschäftigt, ist angesichts der desolaten Informationslage zur Unglücksursache sehr beunruhigt. „Ich glaube denen, dass sie zwar im Großen wissen, was in den Tanks ist, aber es ist nicht möglich, alle Beimischungen der Lieferungen von außen bei der Annahme an der Anlage schnell genug zu bestimmen.“ Eine ganz genaue Analyse sei quasi eine Chemie-Doktorarbeit. Und gerade die Anlieferung unbekannter Substanzen und das Nicht-Wissen über den Grund der Explosion sei die größtmögliche Katastrophe „weil es dann immer wieder passieren kann“. Aus Weltes Sicht gibt es eine klare Konsequenz: „Wenn man die Ursache nicht herausbekommt, dann muss man die Anlage zumachen.“