GesundheitsministerAm Anfang war Karl Lauterbach in Leverkusen nicht willkommen
Leverkusen – Jetzt also Gesundheitsminister. Dabei hat es in Leverkusens SPD gar nicht mal so gut angefangen für Karl Wilhelm Lauterbach.
9. März 2005: Gerade hat Kölns SPD den bis dahin in der Partei weitgehend unbekannten und ohne Hausmacht antretenden Professor als Kandidaten für den gemeinsamen Bundestagswahlkreis 102 ins Spiel gebracht. Der ist frei, seit Ernst Küchler zum Oberbürgermeister gewählt wurde.
„Natürliche Abwehrreaktion“
Anruf beim damaligen Fraktionschef und Ex-OB Walter Mende. Er steht gerade bei Aldi an der Kasse und sieht sich von seinem Kölner Genossen Jochen Ott überrumpelt. Die Personalie sei in keiner Weise mit dem SPD-Unterbezirk Leverkusen erörtert worden. Der hatte zu jener Zeit noch gar nicht darüber gesprochen, wer kandidieren könnte. Der Wahlkreis ist attraktiv, weil seit jeher eine Bank für die Sozialdemokratie.
Ein „Diktat aus Köln“ in dieser Personalie rufe in Leverkusen „eine natürliche Abwehrreaktion“ hervor, sagt Mende 2005. Der als Gesundheitsexperte bekannte Lauterbach ist aus seiner Sicht zwar eine wichtige Figur. Aber: „Für solche Leute gibt es vielfältige Verwendungen. Die kann man zu Staatssekretären machen oder in den Sachverständigenrat berufen“, findet der SPD-Grande.
Die unabgesprochene Aktion erinnert Mende, der das politische System in Frankreich gut kennt, an den dort allzu gern exerzierten „Parachutisme“. So nennt man das, wenn politische Promis in der Provinz landen. Als seien sie mit dem Fallschirm abgesprungen.
Sprung ins kalte Wasser
Doch kurz darauf ist nichts mehr zu spüren von der spontanen Leverkusener Abwehr. Die damaligen Parteichefs Jochen Ott und Michael Schmidt setzen sich zusammen, einigen sich auf Lauterbach. Das ist nach der Landtagswahl, die für die SPD verloren geht und das Ende von Rot-Grün im Bund einläutet. Die Kandidatenkür wird also viel schneller virulent als gedacht.
Schon der erste Einsatz des Kandidaten Lauterbach findet also unter widrigen Umständen statt. Trotzdem legt er mit satten 48,6 Prozent ein Top-Ergebnis hin. Was für sein erstes Mal als Wahlkämpfer gilt, wird Maxime: Mangels Absicherung auf der Landesliste hängt Lauterbachs politisches Überleben stets am Direktmandat. Denn so stark, dass die Liste ziehen würde, kann die SPD überhaupt nicht mehr werden. Die Ära Lauterbach, sie ist auch die des stetigen Bedeutungsverlustes der SPD. Während er immer bekannter wird. Das gilt schon vor Corona.
Überall ein Einzelgänger
Der Genosse ist nicht nur in der NRW-SPD ein Einzelgänger. Auch seinen Unterbezirk kann man kaum als Machtbasis wahrnehmen. Noch viel mehr gilt das für die Stadtratsfraktion. Mit der liegt er zwischendurch völlig über Kreuz: Während sich der Medizin-Professor ganz schnell gegen den Plan positioniert, die marode Rheinbrücke einfach durch eine doppelt so breite zu ersetzen, steht die Fraktion erst einmal hinter Landesverkehrsminister Mike Groschek. Der ist schließlich auch Genosse.
In Leverkusen scheut Lauterbach den Tabubruch nicht und stellt sich an die Seite der Bürgerliste mit dem früheren SPD-Mitglied Erhard Schoofs. Bis heute steht Lauterbach im Kampf für einen langen Tunnel unter dem Rhein. Damit sich die SPD im Stadtrat bewegte, bedurfte es schon eines großen personellen Umbruchs, der fast einem Putsch gleich kam.
Der allzu umtriebige Assistent
Inwieweit Karl Lauterbach damit zu tun hatte, lässt sich kaum abschätzen. Deutlicher ist da schon seine Rolle im bis heute nicht ausgestandenen Krieg an der Spitze des Unterbezirks. Als Aylin Doğan im September 2019 aus dem Amt gedrängt wird, steht Lauterbachs Mitarbeiter Ismail Kutbay als Drahtzieher des Coups im Fokus. Inzwischen arbeitet der Vorsitzende des Ortsvereins Wiesdorf/Manfort nicht mehr für Karl Lauterbach. Dass in Leverkusens Mitte auf keinen Fall das Machtzentrum von Lauterbach lokalisiert werden kann, zeigt auch das wechselhafte Verhältnis zur noch ein paar Monate amtierenden Landtagsabgeordneten Eva Lux. Zwischen sie und Lauterbach passt längst viel mehr als das sprichwörtliche Blatt Papier. Deshalb überrascht es, als Lux am Abend des 26. September in der ersten Reihe steht, um dem Wiedergewählten zu gratulieren.
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Das Verhältnis Lauterbach/Mende hat sich übrigens schnell gebessert. Dass der Abgeordnete nun nicht bloß Staatssekretär wird, sondern gar Minister – Mende erlebt das nicht mehr. Aber es hätte ihn ganz sicher gefreut.