Die Stadt Leverkusen will sich ein großes Stück Land kaufen – von Bayer. Der Hauptteil des Landes kann als Gewerbegebiet genutzt werden.
95.000 QuadratmeterStadt Leverkusen will riesiges Grundstück für Gewerbegebiet kaufen

Ein Luftbild des Gewerbegebiets nördlich der Solinger Straße. Die Stadt will groß einkaufen. Oben der Champignon-Hof, der schonmal stark riecht.
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Die Stadt Leverkusen will sich fast 9,5 Hektar (94.625 Quadratmeter) Land in Rheindorf sichern. Etwa sieben Hektar des Landes können laut Stadtverwaltung als Netto-Baufläche gelten – der Hauptteil des Landes ist seit langem als Gewerbefläche ausgewiesen, wird aber noch nicht so genutzt.
Das Land liegt am Hauweg zwischen der Solinger Straße und dem auf der Langenfelder Stadtgrenze liegenden großen Amprion-Umspannwerk. Die meisten Leverkusener würden es eher am Geruch verorten, denn nahe an den Feldern liegt der bekannte Bauernhof, der unter Verwendung von oft stark riechendem Hühnermist Substrate für die Champignonzucht herstellt.
Finanzausschuss Leverkusen: Nicht-öffentliche Abstimmungen
Das Grundstücksgeschäft kam plötzlich und soll schnell durchgezogen werden, in der Anlage heißt das: dringlich. Es war Thema in der jüngsten Finanzausschuss-Sitzung. Ein Teilnehmender sagte, es habe allgemeine Zustimmung gegeben, nur einige wollen noch Regeln für die spätere Vergabe der Grundstücke erarbeiten. Dafür braucht man Zeit, die endgültige Entscheidung soll am 12. Dezember im Rat fallen. Alle Beratungen laufen nicht-öffentlich. Die sechs Flurstücke gehören der „Fünfte Bayer Real Estate VV GmbH & Co. KG“, eine der Bayer-Immobilienfirmen.
Auf der Stadtverwaltung lastet seit der Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes auf 250 Punkte ein erhöhter Druck, Gewerbegrundstücke bereitzustellen. Der Zusammenhang wird in der Verwaltungsvorlage erwähnt, die dem „Leverkusener Anzeiger“ vorliegt. Das Land sei eine der wenigen Flächen mit Potenzial, das ansiedlungswilligen Unternehmen angeboten werden könne, steht in dem Papier aus der Stadtkämmerei. Firmen, die nach der Steuersenkung nach Leverkusen umziehen wollen, gibt es offenbar sehr viele und nicht jeder kann sich mit dem Einrichten einer Briefkastenfirma begnügen.
Günstiger Kaufpreis – teure Erschließung
Eines der sechs Flurstücke ist keine ausgewiesene Gewerbefläche. Die Parzelle Nr. 245 zwischen dem Rosendahlsweg und der Bahn hat den Status Landschaftsschutzgebiet. Die könne perspektivisch als Erweiterungsfläche betrachtet werden, steht im Papier, es könnte aber auch als Ausgleichsfläche dienen. Mit der Verkäuferin sei man sich vor Kurzem über den Grundstücksdeal einig geworden, der Kauf, für den die Stadt grob 1,7 Millionen Euro an Bayers GmbH & Co. KG überweisen soll, soll noch in diesem Haushaltsjahr beurkundet werden. Auf den Kaufpreis kommen noch die üblichen Nebenkosten, 120.000 Euro.
Der Kaufpreis sei günstig, schreibt die Stadtverwaltung. Teuer könnte dagegen die Erschließung werden. Ein neuer Kanal muss gebaut werden. Mit dem benötigten Abwasserrohr hatten sich die TBL (Technische Betriebe Leverkusen) schon einmal beschäftigt: Als 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle auf einem Teil des Grundstücks eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes NRW geplant wurde. Da müsste ein verhältnismäßig langer Druckwasserkanal gebaut werden, hieß es, der wahlweise die Eisenbahn, die Autobahn oder die Solinger Straße und die Wupper über- oder unterqueren müsste. Eine teure Investition, die sich bald nach dem Kauf der Grundstücke langfristig eher rechnen wird, weil Steuern in die Stadtkasse fließen.

Das Feld an der Solinger Straße wurde 2019 probeweise abgeschält, in der Umgebung hat man früher schon germanische Urnengräber gefunden.
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Ein schwerwiegender Grund gegen den Bau der ZUE waren die Gerüche, die je nach Wetter und Windrichtung vom Champignon-Substrat-Hersteller herüberwehen. Das Odeur werden auch potenzielle Gewerbebetriebe am Hauweg kaum schätzen; damit muss der Inhaber des Substrat-Hofs wohl rechnen.
Denkmäler im Boden möglich
Im Boden liegen darüber hinaus womöglich wichtige Denkmäler, das wurde 2019 schon mit Probegrabungen ergebnislos untersucht. In der Nähe wurden beim Bau der Köln-Mindener Eisenbahn über 270 germanische Brandgräber gefunden: der wahrscheinlich älteste Friedhof Leverkusens.
Die Felder werden derzeit durch Bayer selbst bewirtschaftet, nachdem die Pachtverträge mit einem Landwirt gekündigt wurden. Für die Nahrungsmittelproduktion wird die Fläche somit verloren gehen.
Auch als Standort der neuen Feuer- und Rettungswache waren die Felder an der Solinger Straße in der Auswahl. Möglicherweise werden nach dem Kauf der Fläche die Stimmen lauter, die den umstrittenen Standort Auf den Heunen ablehnen – der ist von der neuen Gewerbefläche keine 1000 Meter entfernt.