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GlyphosatLeverkusener Bayer-Chef Baumann und Harvard-Professorin geraten aneinander

Lesezeit 3 Minuten
LEV-Baumann lächelnd

Werner Baumann

Leverkusen/Boston – Die Atmosphäre ist so gediegen, wie man sich das so vorstellt auf dem Campus der ebenso weltberühmten wie ehrwürdigen Harvard-Universität. Sheila Jasanoff, gehüllt in einen Sari, hat ein Glas Tee vor sich. Mit ihr am weiß gedeckten Tisch sitzt Werner Baumann. Das Thema der in Kalkutta geborenen Professorin: „Vertrauen in die Wissenschaft“. Das klingt erst einmal harmlos.

Aber als die renommierte Wissenschaftlerin nach einer Dreiviertelstunde das Reizwort Glyphosat in den Mund nimmt, kippt die Stimmung, jedenfalls beim Bayer-Chef. Jasanoffs These, dass Bayer die Rechtskultur in den USA falsch eingeschätzt hat und deshalb in einer Klageflut beinahe ertrinkt, kann Baumann nicht so stehen lassen. Schließlich ist er der Mann, der die extrem teure Übernahme von Monsanto exekutiert hat. Und von den unschönen Folgen bis zum Ende verfolgt werden wird. Das wird in eineinhalb Jahren sein, wenn Baumanns Vertrag bei Bayer ausläuft und nicht verlängert wird.

Glyphosat ist doch kein Asbest

Besonders nervt den Bayer-Chef, dass Jasanoff den umstrittenen Unkraut-Vernichter Glyphosat mit Asbest verglichen hat. Der feuerhemmende Stoff ist seit Jahrzehnten als gesundheitsgefährdend erkannt. Unwidersprochen. Bei Glyphosat sieht das ganz anders aus, bisher. Es gibt nur ein Verdikt, das den Stoff als womöglich krebserregend einstuft. Viele andere Studien sagen etwas Anderes, und darauf beruft sich Bayer ständig. In der Öffentlichkeit, vor allem aber vor Gericht.

Energie ist gesichert - beinahe

Russisches Gas wird 2023 für Bayer keine Rolle mehr spielen, das gelte jedenfalls für die deutschen Werke. Dafür habe man allerdings Kohle und Öl als Energieträger reaktivieren müssen, so Werner Baumann. Das sei zwar nicht gut für die Klimaziele des Konzerns, aber „einen Tod muss man sterben“, umschrieb der Vorstandschef die akute Notlage.

Finanziell werde sich die Energiekrise allerdings deutlich auswirken: Aus 150 werden 450 Millionen Euro Kosten werden. Auch „wenn wir für unseren Teil autark sind“, so Baumann, stelle sich die Frage: „Halten unsere Lieferketten?“ Falle zum Beispiel Covestro als Produzent von Natronlauge aus, kippe die Produktion in der Agrochemie. (tk)

Wie üblich stellt Baumann seinen Konzern als Opfer einer Klage-Industrie dar: Anwälte werben aggressiv um Mandanten, die schwere Krankheiten auf ihren Gebrauch von Glyphosat-Produkten wie Round-up zurückführen. Insgesamt ist Bayer mit rund 130.000 Klagen konfrontiert. In 100.000 Fällen hat es Vergleiche gegeben, was den Konzern schon Milliarden gekostet hat. 30.000 Fälle sind aber noch in der Schwebe.

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Was den Konflikt zwischen der Professorin und dem Konzernchef nicht eben beruhigt, ist dies: Sheila Jasanoff bekennt offen, dass sie die Klagen gegen Konzerne als Korrektiv zu einem Staatsversagen empfindet. Kleine Leute könnten sich nur vor Gericht gegen erlittenes Unrecht wehren.

Anders gesagt und auf den Streitfall Glyphosat bezogen: Gäbe es in den USA ein funktionierendes Krankenversicherungssystem, würde Bayer nicht hunderttausendfach vor Gericht gezerrt. Aber womöglich wäre das von Monsanto geerbte Glyphosat schon lange nicht mehr verkäuflich. Jedenfalls nicht mehr für den Vorgarten.