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Besuch in BostonWarum sich Bayer am Biotech-Hotspot der USA eingenistet hat

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Bayer Pressereise Boston (2)

Blick auf Boston aus einem Bayer-Labor im BRIC-Gebäude

Boston/Leverkusen – „Alpha-High-Risc-Undertaking“: Vorstandschef Werner Baumann benutzte am Dienstag diesen Begriff, um Bayers Investitionen in Forschung und Entwicklung der Pharma-Sparte einzuordnen. Trotzdem gibt der Leverkusener Konzern acht Milliarden Euro aus, um neue Produkte zu entwickeln, die ihm einen Platz unter den zehn größten Arzneimittel-Unternehmen der Welt sichern sollen. Bis 2030. Derzeit liegen die Leverkusener auf Rang 15 oder 17, je nachdem, welchen Maßstab man anlegt.

Um schneller zu werden, bedient sich das Unternehmen auch bei jungen Firmen, die vor allem im Pharma-Bereich neue Ansätze verfolgen. An diesen Start-ups beteiligt sich Bayer mit maximal 49 Prozent. Die Förderung soll ausdrücklich nicht zu einer Umarmung ausarten, die zu einer Lähmung der hoffnungsvollen Aktivitäten führen könnte. Dazu kommen diverse Kooperationen mit Forschungsinstituten.

„Die innovativste Quadratmeile auf dem Planeten“

Bahnbrechende Entwicklungen sind vor allem in den USA zu erwarten. Aus dem größten Pharma-Markt der Welt sticht der Bostoner Stadtteil Cambridge hervor. Dort ist nicht nur das Massachusetts Institute of Technology beheimatet, sondern auch die Harvard-Universität. Die Gegend ums MIT gilt als „die innovativste Quadratmeile auf dem Planeten“. Darauf weist ein Schild auf der Main Street hin.

Gleich daneben – und unmittelbar angrenzend an den MIT-Campus – besetzt Bayer seit einem knappen Vierteljahr zwei Etagen eines gläsernen Labor- und Bürobaus. Um die 5700 Quadratmeter im zehnten und elften Stock der Innovationsmission entsprechend auszustatten, wurden 140 Millionen Dollar ausgegeben. Das ist sehr viel für geplante 150 Arbeitsplätze, von denen bisher zwei Drittel besetzt sind. Aber der Konzern will ja auch sehr viel: Der angestrebte Platz unter den Pharma-Top-Ten entspricht einem Umsatz von sieben bis zehn Milliarden Euro.

Dabei setzen die Leverkusener vor allem auf Krebstherapien. Mit welchen Methoden und Partnern das Ziel erreicht werden soll, darüber verschaffte sich Vorstandschef Baumann am Dienstag und Mittwoch ein umfassendes Bild. Der „Leverkusener Anzeiger“ war auf Einladung dabei.

Es geht ein paar hundert Meter weiter ins Broad-Institut. Dort zeigen junge Forscher, dass sich Herzmuskelzellen auch in sich bewegen. Für die Behandlung der extrem verbreiteten Herzkrankheiten bieten ihre Entdeckungen ganz neue Ansätze. Für das international aufgestellte Institut, das zum MIT gehört, ist die Auftragsforschung für Bayer übrigens gar kein Problem.

Die Einflussfrage stellt sich nicht

Baumann freut’s: Die hierzulande geführte Debatte, ob Universitäten für Konzerne arbeiten sollten, sei doch „eher eine philosophische“ – und eine deutsche Spezialität. Baumann wird bei seinem Besuch noch häufiger die Unterschiede zwischen Leverkusen und Boston herausstreichen.

LEV Blue Rock Seth Ettenberg

Seth Ettenberg: Der Chef der Bayer-Tochter Blue Rock wurde am Nationalen Krebsinstitut der USA ausgebildet.

Zum Beispiel, als es um den Therapie-Ansatz für Parkinson-Patienten geht, den das inzwischen komplett von Bayer übernommene Start-up Blue Rock verfolgt. Dessen Chef Seth Ettenberg beschreibt am Dienstagmittag die riskant erscheinende Zelltherapie, bei der lebendes Material ins Hirn gespritzt wird. Die zwölf schwer erkrankten Patienten, die sich dieser Behandlung unterziehen, hätte man in Deutschland niemals rekrutieren können, betont Baumann abends. Das liege an den unterschiedlichen Philosophien der Zulassungsbehörden in den USA und Europa.

In Europa sieht man das Risiko, in den USA die Chancen

Die amerikanische FDA klassifiziert der Bayer-Chef als „chancenorientiert“, die EMA als „risikominimierend“. Dieser defensive Ansatz verhindere im Ergebnis die grundstürzenden, die Grenzen verschiebenden neuen Methoden, an denen Bayers Partner arbeiten. „Uns fehlt eine positive Begleitung“, so fasst Baumann das zusammen.

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Dass Bayers Pharma-Forschung eines Tages ganz in die USA abwandern könnte, sei aber nicht die Konsequenz: „Wir stehen zu unseren deutschen Standorten.“ Was jetzt im Bostoner „Bayer Research and Innovation Center“ und dessen Umfeld passiere, sei nicht mehr als eine „Verlagerung von Aktivitäten“, die von den den Konkurrenten Sanofi und Novartis in viel größerem Maßstab betrieben werde. Trotzdem scheint Bayers Vorstandschef nach seinem ersten Besuch im „BRIC“ davon überzeugt zu sein, dass die 140 Millionen Dollar in Boston gut angelegt sind.