Auf den Leverkusener Bergen, wie Rheinschiffer die alte Bayer-Giftmüllkippe nennen, grasen zurzeit Schafe.
Zwei Meter unter der Erde befindet sich eine der vermutlich giftigsten Altlasten Deutschlands.
Die Tiere haben dort eine wichtige Funktion – ihr Einsatz ist ein Test, der zu einer langfristigeren Lösung werden könnte.
Ein Besuch beim Schäfer und seinen Tieren.
Leverkusen – Der Platz ist alles andere als eine Idylle: Am Fuß des Hangs rauschen die Autos auf der dreispurigen Autobahn in Richtung Leverkusener Brücke, zwei Meter unter der Oberfläche gärt eine der vermutlich giftigsten Altlasten Deutschlands vor sich hin und was da wächst, ist eher ein trockenes, bodennahes Gestrüpp als eine saftige Wiese für Schafe.
Wenigstens die Sonne brennt an diesem Sommertag Mitte August nicht. Wir befinden uns auf der Bayer-Altlast Nord, im Auge des Kreuzes Leverkusen West, wo zurzeit eine Schafherde grast. Es gibt auch einen Schäfer, der ist dabei, neun Plastikbottiche und -wannen mit Wasser für seine 600 Schafe zu befüllen. Den Tankanhänger mit ein paar Kubikmetern Fassungsvermögen hat die Autobahn GmbH für ihn hingestellt.
Die Tiere, erfährt man vom Schäfer Franz Eikermann aus Heinsberg, sollen den Bewuchs auf der Altlasten-Oberfläche kurz halten, und diese Aufgabe erfüllen sie offenbar sehr gut, die Böschung ist fein abgegrast, nur die härtesten Stängel stehen noch. Die Tiere passen sich an. Wenn kein saftiges Gras wächst, fressen sie auch Kräuter, die sie sonst vielleicht stehen lassen würden. Auch gut 30 Ziegen sind in der Herde, die hat Eikermann dabei, weil er es einfach gut findet und weil die hohe Büsche abfressen.
„Es ist jetzt überall trocken“, sagt Eikermann, der seine Herde einen Tag zuvor von der anderen Rheinseite über den Brückenradweg nach Wiesdorf getrieben hat. Die Schafe gehören zur Rasse der Moorschnucken, das sind genügsame und robuste Tiere, die mit energiearmem Futter zurechtkommen. So wie hier an der Autobahn werden sie vornehmlich zur Landschaftspflege eingesetzt. „Eine Fleischrasse würde mir hier verhungern“, sagt der Schäfer.
Unterwegs auf der Altlast
Er und seine Tiere sind in diesem Jahr erstmals auf der Altlast unterwegs. Versuchsweise, wie er und der Projektleiter Straßenbau Vitali Maier von der Autobahn GmbH sagen. In diesem Jahr kommt der Schäfer noch ohne Rechnung, aber das wird künftig nicht möglich sein, denn mit dem Fleisch der Tiere sei nicht genug zu verdienen, sagt er.
Die Leverkusener Berge, wie Rheinschiffer die Altlast nennen, droht nämlich von einem fiesen und höchst invasiven Kraut eingenommen zu werden. Der unheilvolle Japanknöterich ist bekannt dafür, dass er sich überall ungehemmt ausbreitet; ihn zu bekämpfen ist eine notwendige Herkulesaufgabe. Zum Glück schmeckt das Kraut Eikermanns Schafen besonders gut.
Den Knöterich bekämpfen
Den Knöterich ohne ihre Hilfe in Schach zu halten, wäre auf den Hügeln an der Autobahn schlicht ein Ding der Unmöglichkeit. In Gartenratgebern bekommt die Pflanze Attribute wie „Ungeheuer“ oder „Ungetüm“, auch „XXL-Unkraut“. Gärtner geraten förmlich in Panik, wenn sie einen der Stängel im Garten sprießen sehen. Es kann bis zu 30 Zentimeter am Tag wachsen.
Die Altlast steht seit Jahren voll davon, denn der Knöterich neigt dazu, alle anderen Pflanzen zu verdrängen. Besonders unschön ist: Die Wurzeln können bis zu drei Meter weit in den Boden wachsen. Das Problem: Die Bodenschicht über der Altlast-Dichtung ist fast überall weniger stark. Die heutige Dichtung und der Oberboden wurden vor nicht einmal 20 Jahren aufgebracht, damit der Altlastenkörper zunächst mal für Jahrzehnte verschlossen sein sollte.
Die Altlast wird von der bundeseigenen Autobahn GmbH betreut. Deren Sprecher Sebastian Bauer beteuert, dass die Altlast-Dichtung, die zum Teil aus Asphalt und zum Teil aus einer Folie mit Tonunterlage besteht, bisher nicht von den Wurzeln beschädigt werde. Das werde überprüft, da, wo man bei Bauarbeiten bis auf die Dichtung grabe. Bisher, sagt er, sei alles okay gewesen. Sowohl der Asphalt als auch die Folie seien speziell gegen Durchwurzelung geschützt.
Mit den Schafen will man den Knöterich ab sofort dauerhaft schädigen und schwächen. Ein ständiger Aufenthalt einer Schafgruppe wäre wünschenswert. Dann, so hofft man, hat man das Problem gelöst. Gerade verhandele man intern bei der Autobahn-Gesellschaft über die Anschaffung eines 1,60 Meter hohen Zauns um den ganzen Berg, hinter dem die Tiere sicher leben würden. Eine Tränke müsste auf dem trockenen Hügel auch gebaut werden.