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Glyphosat-RückschlagSo argumentiert die oberste Anwältin der USA gegen Bayer

Lesezeit 4 Minuten
Bayer-Kreuz Rote Ampel Leverkusen

Bayer wird im Ringen um einen Ausweg aus den Glyphosat-Problemen ausgebremst.

Leverkusen – Die oberste Anwältin der USA, Elizabeth Prelogar, hat dem obersten Gerichtshof des Landes empfohlen, einen für Bayer entscheidenden Rechtsstreit um das Pflanzengift Glyphosat nicht zur Überprüfung anzunehmen. Für den Leverkusener Konzern ist das ein empfindlicher Rückschlag.

Bei dem fraglichen Fall handelt es sich um den des US-Amerikaners Edwin Hardeman, dem Bayer laut zweitinstanzlichem Urteil rund 20,6 Millionen Euro Schadenersatz zahlen soll. Geschworene und Richter hatten Unkrautvernichter der Marke Roundup von Bayers Tochterunternehmen Monsanto für die Krebserkrankung Hardemans verantwortlich gemacht. Ein entscheidender Punkt: Monsanto habe auf der Verpackung nicht ausreichend vor etwaigen Gesundheitsgefahren des Inhaltsstoffes Glyphosat gewarnt.

Der Plan: Alle Probleme auf einen Streich beseitigen

Ob es diese Gesundheitsgefahren überhaupt gibt, ist hoch umstritten. Die meisten Kontrollbehörden weltweit kommen zu dem Schluss: Glyphosat ist nicht krebserregend. Dem entgegen steht das Ergebnis einer Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsbehörde, die 2015 urteilte, Glyphosat sei „wahrscheinlich krebserregend“.

125.000 Klagen krebskranker Klägerinnen und Kläger sammelten sich an, Bayer verlor die ersten Prozesse – und konnte sich mit einem Großteil der Klagenden auf Abfindungszahlungen einigen. Mit Bayers Ideen für künftig auftretende Klagen war das Gericht aber nicht zufrieden, also änderte Bayer seine Strategie.

Mit dem Antrag beim Supreme Court, den Fall Hardeman zu überprüfen, wollte der Konzern alle weiteren Glyphosat-Klagen mit einem Streich beseitigen. Die Leverkusener argumentierten, die „angeblich erforderliche Krebswarnung, die Kern der ursprünglichen Klage ist“, sei „durch vorrangiges Bundesrecht ausgeschlossen“. Die Idee: Schließt ein Bundesgesetz bestimmte Warnhinweise aus, kann ein einzelner Bundesstaat nicht mit seinen Gesetzen anders entscheiden. Bayer mutmaßte im August des vergangenen Jahres, ein Urteil zu seinen Gunsten würde „die Rechtsstreitigkeiten zu Glyphosat in den USA weitgehend beenden“.

Zwei Einwände abgeschmettert

Dass es überhaupt zu einem Urteil durch den Supreme Court kommt, ist höchst unwahrscheinlich. Folgt das oberste Gericht der Empfehlung Elizabeth Prelogars wird es sich gar nicht erst mit dem Fall beschäftigen. Die oberste US-Anwältin, die in dieser Sache die Regierung vertritt, schrieb am Dienstag, zu deutscher Nachtzeit: „Es gibt keinen stichhaltigen Grund für den Gerichtshof, eine Überprüfung zuzulassen, solange kein Kompetenzkonflikt auftaucht.“

Sie argumentiert, dass die Verpflichtung, Warnhinweise abzudrucken, nicht dadurch aufgehoben wird, dass die Umweltschutzbehörde EPA das Produkt ohne Warnungen zur Anwendung und zum Verkauf zugelassen hat. Auch Bayers zweitem Einwand, die Experten der Klägerseite seien in Wahrheit keine anerkannten Fachleute nach bundesrechtlichen Standards, folgte Prelogar nicht.

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„Wir sind weiterhin überzeugt, dass es gute rechtliche Argumente für den Supreme Court gibt, den Fall Hardeman zu überprüfen und das Urteil zu korrigieren“, teilte Bayer daraufhin noch in der Nacht zu Mittwoch mit. Die EPA habe „mehrfach festgestellt, dass glyphosatbasierte Herbizide sicher genutzt werden können und nicht krebserregend sind. Daher wäre eine Krebswarnung auf diesen Produkten falsch und irreführend und wird durch das relevante Bundesgesetz ausgeschlossen.“

Reaktion der Coordination gegen Bayer-Gefahren

Positiv wurde die Stellungnahme der US-Regierung hingegen von der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) aufgenommen: Das Unternehmen dürfe „nicht länger darauf spekulieren, sich durch irgendwelche juristischen Winkelzüge anders vor zukünftigen Klagen wappnen zu können als durch einen Verkaufsstopp von Glyphosat“, sagte CBG-Mann Marius Stelzmann.

Der Dax-Konzern hat bereits entschieden, ab 2023 keine Glyphosat-Mittel mehr an US-Privatkunden zu verkaufen, die gewerbliche Nutzung wird weiter möglich sein. Ein umfassender Verkaufsstopp ist für Bayer trotz der weiter auf dem Konzern lastenden Milliardenrisiken allerdings keine Option. Zu profitabel ist das Geschäft mit den Unkrautvernichtern. Gut 8,4 Milliarden Euro wurden im ersten Quartal mit Agrarchemie umgesetzt, die Gewinnmarge dieses Segments ist gewaltig und beträgt jetzt über 43 Prozent.

Folgt der Supreme Court der Einschätzung der US-Regierung nun und beschäftigt sich nicht mit dem Fall Hardeman, muss Bayer den langen und mühsamen Weg der Einzelvergleiche gehen. 4,5 Milliarden US-Dollar hat das Unternehmen dafür bereits zurückgelegt, um neu auftretende Klagen der nächsten 15 Jahre außergerichtlich beizulegen.

Die Anleger straften die Bayer-Aktie am Mittwoch ab: Gut neun Prozent seines Wertes verlor das Papier zwischenzeitlich.