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Große Kinderarmut in LeverkusenEin Familienurlaub bleibt ein unbezahlbarer Wunsch

Lesezeit 4 Minuten
Kinderarmut Leverkusen Symbol

Viele Familien in Leverkusen können sich einen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt nicht leisten.

Leverkusen – Einen Ausflug zu viert in einen Freizeitpark, einen neuen Laptop oder Urlaub in den Sommerferien – viele Familien in Deutschland können sich diesen Luxus, der gemeinhin als „normal“ gilt, nicht leisten. Kinderarmut ist ein weit verbreitetes Problem und Experten vermuten, dass sich durch die Corona-Pandemie die finanzielle Situation in vielen Haushalten weiter verschlimmert hat. In Leverkusen leben 22 Prozent der Kinder in Armut.

Die Stadt liegt damit sowohl über dem Landes- als auch über dem Bundesdurchschnitt und die Tendenz ist steigend. In einzelnen Stadtteilen liegt der Anteil der von Armut betroffenen Kindern sogar bei mehr als 50 Prozent.

Viele Einzelschicksale

„Hinter den Zahlen verbergen sich viele Einzelschicksale“, stellt Reiner Hilken vom Netzwerk Kinderarmut fest. „Montags können viele auf dem Schulhof nicht mitreden, da das Geld für Aktivitäten am Wochenende fehlt“.

Das Netzwerk Kinderarmut ist ein Zusammenschluss von Fachleuten aus der Kinder- und Jugendhilfe und aus dem Sozialwesen in Leverkusen. Das Netzwerk möchte Kinder und Familien auffangen und unterstützen sowie Strukturen schaffen, die die Problematik und die damit einhergehenden Konsequenzen reduzieren. „Ein Schlüsselfaktor sind immer auch die Eltern, diese zu erreichen ist aber manchmal schwieriger als die Kinder selbst“, sagt Angela Hillen, Leiterin des städtischen Fachbereichs Kinder und Jugend. Für sie ist es wichtig, möglichst frühzeitig zu erkennen, wenn Familien in Schwierigkeiten sind, so dass individuelle Hilfe und entsprechende Strukturen geschaffen werden können.

Keine warme Mahlzeit

Doch was bedeutet „Armut“ in Deutschland? Die Bertelsmann Stiftung definiert Armut im Vergleich zum Lebensstandard der Bevölkerung insgesamt: Menschen gelten demnach als arm, wenn sie über so wenig Einkommen verfügen, dass es ihnen nicht möglich ist, den Lebensstandard zu führen, der in unserer Gesellschaft als selbstverständlich verstanden wird.

Das können zu kleine Wohnungen sein, nicht ausreichende Winterkleidung, keine warme Mahlzeit am Tag oder nicht die Möglichkeit zu haben ins Kino zu gehen. Betroffen sind vor allem Kinder aus Familien ohne Arbeit, aus kinderreichen Familien, Kinder Alleinerziehender, Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder aus Haushalten mit geringem Einkommen trotz Vollbeschäftigung der Eltern.

Isolation und Rückzug

Karl Walter Casper arbeitet ehrenamtlich als „Kümmerer“ für das Netzwerk Kinderarmut und unterstützt viele betroffene Familien im Leverkusener Stadtteil Alkenrath. Er kennt die Verhältnisse, in denen die Kinder aufwachsen: „Ich sehe die Isolation und die Rückzugstendenzen, die sich durch die Pandemie verstärkt haben. Besonders bei benachteiligten Kindern fürchte ich auch psychische Langzeitwirkungen“, erzählt er. Schulische und soziale Rückstände nehme er bei Kindern aus schwächeren Haushalten deutlich stärker wahr. „Häufig gibt es keine Bewältigungsstrategien. Der gute Wille ist da, aber manchmal sind schlichtweg die Mittel nicht vorhanden“, sagt Casper.

Eine Familie, die Casper als Kümmerer betreut, ist die armenisch-russische Familie Fomin. Er unterstützt sie bei bürokratischen Prozessen und bringt hin und wieder Spielzeug für die Kinder mit. Die Wohnung ist gemütlich und liebevoll eingerichtet, in einer Ecke des Wohnzimmers steht ein bereits fertig geschmückter Weihnachtsbaum. Trotzdem ist nicht genug Platz für die Eltern und ihre drei Kinder – während sich die beiden älteren Brüder ein gemeinsames Zimmer teilen, schläft der jüngste Sohn bei seinen Eltern mit im Schlafzimmer.

Besonders anstrengend sei diese Situation während des Lockdowns gewesen, findet der 16-jährige Alex. „Ich hatte keinen Rückzugsort und man konnte nichts machen, noch nicht einmal Fußball spielen“, sagt er. Der Mangel an technischen Geräten machte auch die Schwierigkeiten des Homeschoolings sichtbar. „Wir haben keinen Drucker und nur einen Laptop für alle, den man sich irgendwie teilen musste“, erzählt Alex.

Wunsch: Ein eigenes Zimmer

Der Vater der Familie arbeitet in Schichtarbeit und besucht außerdem einen Deutschkurs, wenn sich die Kurszeiten nicht mit seinen Arbeitszeiten überschneiden. In einen gemeinsamen Urlaub fährt die Familie nie. Jede Familie hat Zukunftswünsche, so auch die Fomins. „Ich wünsche mir, dass meine Kinder gesund bleiben“, sagt Tamara Fomin. Ihr ältester Sohn Alex wünscht sich ein eigenes Zimmer.

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Sind Kinder und Familien von Armut betroffen, sei vor allem die soziale Teilhabe wichtig, betont Casper. „Da, wo wenig Geld ist, ist es wichtig, dass die Kinder trotzdem an Aktivitäten teilnehmen können, sodass sie in der Schule mitreden können und nicht ausgegrenzt werden“. Von den steigenden Zahlen lasse er sich nicht demotivieren. „Die Menschen sollen merken, dass sie nicht vergessen werden“, sagt Casper.