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Katastrophe in LeverkusenGutachter: Die Gefahr war den Mitarbeitern nicht bewusst

Lesezeit 3 Minuten
Christian Jochum

Gutachter Christian Jochum im Leverkusener Ratssaal. Rechts hinter ihm sitzt Currenta-Geschäftsführer Hans Gennen.

Leverkusen – Am 27. Juli jährt sich die Explosion im Sondermüllofen; im Umweltausschuss sprach der wichtigste Gutachter, der Sicherheitsexperte Christian Jochum, zum Stand der Dinge. Er hat sechsmal den Begleitkreis zur Aufarbeitung der Explosion geleitet. Mit im Saal: der Currenta-Geschäftsführer Hans Gennen und als Zuhörer der Chempark-Chef Lars Friedrich. Sieben Menschen kamen bei der Havarie ums Leben. Jochum sagte, dass die Ursache recht schnell aufgeklärt gewesen sei.

Eines seiner Hauptaspekte dabei sei die ungenügende Kommunikation. Den richtigen Umgang mit dem Inhalt des explodierten Tanks kannten die Mitarbeiter wohl nicht. Ihnen fehlten womöglich die nötigen Informationen. Ebenso wenig wussten sie wohl, wie genau sich die selbst zersetzende und erhitzende Substanz genau verhält und vor allem: dass sie von alleine brennen und explodieren kann.

Daran arbeitet die Staatsanwaltschaft

„Das Thema, dass die Mitarbeiter diese wichtigen Stoffeigenschaften nicht gekannt haben, das ist genau der Punkt, an dem die Staatsanwaltschaft arbeitet“, sagte Jochum. Die Mitarbeiter seien sich nicht darüber im Klaren gewesen, dass die Lage so gefährlich war, sagt Jochum. Das erklärt wohl, dass die Werksfeuerwehr erst nach der Explosion alarmiert wurde.

Jochum sagte: Man könne spekulieren, ob es – hätte man bei der schlechten Informationslage vor der Explosion die Feuerwehr gerufen – nicht auch noch Tote auf Seiten der Einsatzkräfte gegeben hätte. In Zukunft müsse man bei Abweichungen im Prozess frühzeitig die Feuerwehr einbeziehen, die dann aber auch das richtige Rüstzeug vorhalten muss, um mit der Situation klar zu kommen.

Ein zweites Gutachten folgt

Jochum ist für zwei Gutachten verantwortlich: Das erste ist veröffentlicht, ein zweites wird folgen, das allgemeiner die Sicherheitsregeln und die Fehlerkultur bei Currenta zum Thema haben wird: Was alles schief laufen kann, woran man jetzt noch nicht denkt. So wird die Sicherheit auch durch ganz profane Fehler entscheidend gemindert. Laut Jochum konnten flüchtende Mitarbeiter nicht durch ein Tor nach draußen, ganz einfach, weil der Schlüssel nicht zu finden war.

Kritik gab es, weil Currenta die Gutachten bezahlt. Der Verdacht von Einflussnahme aufs Ergebnis stand im Raum. Fast schon beschwörend stellte Jochum fest: „Wenn es auch nur einen Hauch der Einflussnahme durch Currenta gegeben hätte, hätten wir die Sache hingeschmissen.“ Von Currenta habe man ohne Probleme alle Unterlagen bekommen, auch vertrauliche Informationen, das habe keine Rolle gespielt.

Ausschussmitglied Frank Pathe (Klimaliste) sagte, das plötzliche Anfahren der Anlage am 11. Juni sei eine Blutgrätsche gewesen. Der Grüne Andreas Bokeloh bezeichnete die für viele wohl überraschende Inbetriebnahme des Müllofens als „kommunikativen Rückfall, denn wir hätten uns sehr gewünscht, dass die öffentlichen Veranstaltungen vor Inbetriebnahme der Anlage stattgefunden hätten“.

Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betreibers

Dafür fühlt sich Jochum nicht verantwortlich. Durch sein Gutachten und den Tüv sei lediglich ein Häkchen gemacht worden, dass der Müllofen sicher sei: „Die Anlage ist jetzt geprüft wie keine zweite“. In der Folge gab die Bezirksregierung ihr Okay zum Anfeuern.

Pathe meint, nach allem, was über den Unfall bekannt sei, müsse man die Zuverlässigkeit des Betreibers zumindest in Zweifel ziehen. Dem widersprach Jochum; er und auch alle anderen Gutachter sähen das nicht so. 31 Stoffe sind vorerst für die Verbrennung zugelassen; Kritik kam, weshalb diese Liste geheim bleibe.

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Jochum bewertet im Übrigen Currentas Kommunikation in der Zeit nach der Havarie als gut. Der Currenta-Geschäftsführer Hans Gennen war im Umweltausschuss derweil mehr Zuhörer als Redner. Als nächstes soll die Klärschlammverbrennung angefahren werden. Er sagte: „Wir haben jetzt alle gemeinsam Erfahrungen gesammelt in Bezug auf den ersten Inbetriebnahmeschritt; wir haben festgestellt an der einen oder anderen Stelle, dass wir Dinge verbessern können.“