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Debatte ums GrundwasserWarum Leverkusen Currenta so extreme Fördermengen billigt

Lesezeit 4 Minuten
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Das Currenta-Wasserwerk in Hitdorf.

Leverkusen – Currenta braucht für die Chemiewerke Wasser. Derzeit läuft ein Genehmigungsverfahren bei der Bezirksregierung Köln. Der Chempark-Betreiber will von der Behörde die Erlaubnis bekommen, aus den Hitdorfer Brunnen und denen rund ums Leverkusener Werk jährlich 97 Millionen Kubikmeter Grundwasser fördern zu dürfen. Die Verwaltung der Stadt Leverkusen hat jetzt einen Fragenkatalog der Grünen beantwortet. Fazit: Sie hat keine ernsthaften Einwände.

Gewaltige Dimensionen

Zusammen mit dem am Rhein fast gegenüberliegenden Dormagener Werk hat Currenta die Erlaubnis für 350 Millionen Kubikmeter im Jahr beantragt. Das sind gewaltige Dimensionen: Der Rhein muss bei durchschnittlichem Wasserstand 42 Stunden, also einen Tag und 18 Stunden fließen, bis diese Menge durch ist.

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Rheinufer gegenüber Hitdorf.

Die Grünen-Fraktion bringt jetzt auf den letzten Drücker einen Antrag durch die Gremien, der sich mit dem Wasser beschäftigt. Auch die Ratsfrau Gisela Kronenberg hat eine Anfrage gestellt. Die Partei und Kronenberg wollen die Haltung der Stadtverwaltung erfahren.

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Die Menge Wasser, für die sich Currenta jährlich die Rechte sichern will, entspricht dem, was in 42 Stunden im Rhein abfließt.

Man liest heraus, dass den Grünen die beantragten Mengen mindestens fragwürdig erscheinen. Durch die Anfrage der Partei wird jetzt erst öffentlich, dass die Stadtverwaltung zwar eine Stellungnahme abgegeben, aber nichts Wesentliches beanstandet hat. Obwohl es öffentliche Diskussionen zur Sache gab, die auch überregional beachtet wurden, hat die Stadt die Stellungnahme zum Grundwasser als „Geschäft der laufenden Verwaltung“ eingestuft.

Einwendungen möglich

Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann gemäß § 21 UVPG bis einschließlich 24.06.2022, schriftlich bei der Stadt Köln, Umwelt- und Verbraucherschutzamt, Willy-Brandt-Platz 2, 50679 Köln, der Stadt Leverkusen, Rathaus, Friedrich-Ebert-Platz 1, 51373 Leverkusen, oder der Bezirksregierung Köln, 50606 Köln, Einwendungen erheben. Die Einwendungen sind jeweils mit vollständigem Namen und der vollen leserlichen Anschrift an die jeweilige Kommune oder die Bezirksregierung Köln zu richten.

Die Genehmigung wird 30 Jahre gültig sein. Zu lang, finden die Grünen; sie fragen, ob das nicht kürzer geht. Das sei möglich, es liege im Ermessen der Bezirksregierung, schreibt die Verwaltung. Eine kürzere Genehmigungsdauer fordere man ebenso wenig wie eine Verringerung der Fördermengen, wird mitgeteilt. Die Verwaltung hält die Aspekte Klimawandel und die längst eingetretenen Dürreperioden für die Genehmigung für wichtig, schreibt aber, dass die Bewertung dieser Umweltfragen von der Genehmigungsbehörde, also von der Bezirksregierung vorgenommen werde. Eine kritische Stellungnahme hat die Verwaltung dazu nicht abgegeben.

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Ein großes Brunnenhaus in der Hitdorfer Rheinaue.

Nach kritisch zu bewertenden Punkten gefragt, steht in der Verwaltungsantwort: „Der Grundwasser- und Bodenschutz wird über die mit den Stellungnahmen vorgegebenen Auflagen sichergestellt. U.a. sind die Grundwasserförderanlagen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu betreiben und zu warten.“

„Werkstrichter“ saugt Grundwasser ab

Die Untere Wasserbehörde Leverkusens befürwortet demnach die starke Wasserentnahme nahe am Chempark sogar, denn die Brunnen erzeugen einen Sog, der auch das chemisch verunreinigte Grundwasser unterm Werksgelände absaugt – man nennt das den „Werkstrichter“.

Alle Brunnenanlagen sind in Rheinnähe: in Hitdorf und Wiesdorf. Fürs Grundwasser sind Stadtgrenzen nicht relevant. Große Mengen fördert Currenta in Köln-Flittard an Wiesdorfs Südgrenze.

Zum Verdünnen der Abfälle

Die Wasser-Experten vom BUND-NRW-Landesverband vermuten, dass der Chempark enorme Mengen Wasser in erster Linie benötigt, um seine Abwässer so weit zu verdünnen, bis Grenzwerte eingehalten werden. Tatsächlich kommt es beim chemisch verunreinigten Abwasser immer noch nur auf die Verdünnung an. Grenzwerte werden in Gramm pro Liter Abwasser festgelegt, das heißt, je mehr Wasser, desto besser wird ein Grenzwert eingehalten. So darf man die Abfälle in den Rhein einleiten. Tageshöchstmengen sind nicht festgelegt.

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Die Idee, dass das Wasser zuvorderst entnommen werde, um Abwässer damit zu verdünnen, entbehre jeglicher Grundlage, sagt Currenta-Sprecher Timo Krupp. „Das ist schlichtweg falsch. Es handelt sich um unterschiedliche Wasserkreisläufe“, so Krupp. „Das Grundwasser, das bei uns gefördert wird, wird zum Beispiel für die Dampfproduktion oder zum Kühlen eingesetzt. Das Wasser kommt dabei überhaupt nicht in Kontakt mit dem Produkt.“ Wasser wiederum, das in der chemischen Produktion eingesetzt wurde, gelange in die Kläranlage und werde nach der Behandlung wieder in den Rhein geleitet.

Wie viele Einwände gegen die Grundwasserentnahme inzwischen bei der Bezirksregierung eingegangen sind, ist unklar. Einsprüche im Verfahren sind für jeden, der von der Grundwasserentnahme betroffen ist, nur noch wenige Tage möglich.