Rheinverschmutzung in LeverkusenIst die Giftfracht im Chempark-Abwasser zu hoch?
Leverkusen – Lässt Currenta über die Kläranlage zuviel Chemie in den Rhein? Paul Kröfges, Experte für Gewässerschutz beim Umweltverband BUND, findet schon. Er hat anhand der öffentlich zugänglichen Zahlen errechnet, dass über den Ablauf der Kläranlage Bürrig an manchen Tagen kiloweise Chemikalien der Stoffgruppe „PFAS" in den Rhein abgelassen werden.
Im Mittel waren es jeden Tag um die 400 Gramm bis zu einem halben Kilogramm, im Frühjahr 2021 gab es mehrere besonders hohe Werte, in der Spitze einmal über vier Kilogramm.
Insgesamt ist das im Durchschnitt viel zu viel, findet Kröfges, auf jeden Fall liege der Wert immer weit über der vom Lanuv (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz) herausgegeben Menge von höchstens 35 Gramm täglicher Fracht im Abwasserstrom von Kläranlagen. Nur sind diese Orientierungswerte eine juristisch unscharfe Sache, sie können nicht mit Zwang durchgesetzt werden. Dennoch gibt es eine Vorgabe des Lanuv: „Werden die [Orientierungswerte, d. Red] überschritten, erfolgt eine Ursachenermittlung und Gegenmaßnahmen werden eingeleitet“. Angesichts der permanent hohen Werte im Abwasser der Kläranlage ist das offensichtlich nicht ausreichend geschehen. Der WDR hatte darüber zuerst berichtet.
PFAS steht für Perfluorkohlenstoffverbindungen, das ist eine 4700 Chemikalien umfassende Stoffgruppe. Löschschaum kann den Stoff enthalten, aber er werde auch bei der Herstellung jedes Coffee-to-go-Bechers für die wasserabweisende Innenbeschichtung verwendet, sagt Kröfges.
Currenta gibt auf Nachfrage bekannt, die PFAS-Chemikalien entstammten einem Lanxess-Betrieb.
Genehmigungen von 1972 und 1985
Die relevanten Betriebsteile seien 1972 und 1985 genehmigt worden, schreibt die Bezirksregierung. Sie gibt auf Anfrage eine Pressemitteilung heraus. Darin heißt es, man habe als Überwachungsbehörde keine Handhabe, weil es keine rechtlich verbindlichen Grenzwerte für PFAS gebe, nur eben die Orientierungswerte des Lanuv. Die werden zwar überschritten, man könne die Einhaltung aber gegenüber dem Kläranlagenbetreiber nicht rechtlich verbindlich durchsetzen.
Dass die Behörden PFAS offensichtlich aber für gefährlich halten, sieht man daran, dass die EU neue Vorgaben für PFAS in Trinkwasser und Oberflächengewässern entwickelt. Der Sprecher der Bezirksregierung schreibt: „Mit Blick auf die sich abzeichnende Entwicklung wird die Bezirksregierung das Gespräch mit dem Chemiepark suchen um nach weiteren Reduzierungsmöglichkeiten zu suchen.“
Die aktuell eingeleiteten PFAS-Mengen sind übrigens gar nichts gegen die Werte von vor 2011. Damals musste Lanxess in der betreffenden Anlage eine Abwasservorbehandlung einbauen, die die Mengen an PFAS im Abwasser um 80 Prozent reduzieren sollte. Auf die Anlage verweist auch ein Lanxess-Sprecher. Zudem, schreibt der Sprecher, arbeite man stetig an Verbesserungen. Lanxess ist ein führender Anbieter von Abwasser-Reinigungsprozessen. Weshalb man sich selbst diese Abwasser-Probleme antut, darüber kann man nur spekulieren.
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Was ist nun so schädlich an den Perfluorkohlenstoffverbindungen? PFAS sind sehr stabil, quasi nicht abbaubar in der Umwelt. Sie reichern sich also an, erklärt Paul Kröfges. In seiner aktiven Berufszeit war der Mann im Wasserlabor für die Kölner Trinkwasserqualität verantwortlich. Kröfges weiß von mehreren Wasserwerken, die jetzt schon Probleme mit den Chemikalien haben und teure Aktivkohle-Wasserfilter einbauen müssen. Die Schädigungen auf den Körper sind ziemlich umfassend: Sie reichen von vielfältigen Defekten bei ungeborenen Kindern über das Immunsystem bis Hoden-, Brust-, Nieren-, Leberkrebs und weitere.
Bei jedem Menschen sei eine Grundbelastung vorhanden, sagt Kröfges. Das Problem sei lange schon bekannt, die PFAS eigentlich eine Stoffgruppe im Rückzug, weil die EU diese quasi nicht-abbaubaren und gesundheitsschädlichen Chemikalien ersetzt haben will. Kröfges ist sicher: „Diese Stoffe müssen nach und nach aus dem Verkehr genommen werden, sie dürfen nicht in die Körper und ins Grundwasser“