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Musikalische FrüherziehungKatholische Kitas stellen Kooperation mit Musikschule Leverkusen ein

Lesezeit 5 Minuten
Kinder singen in einer musikalischen Früherziehung

Kinder singen in einer musikalischen Früherziehung

An vier katholischen Kitas soll das beliebte Angebot eingestellt werden, betroffen sind fast 100 Kinder. 

Musikalische Früherziehung in der Kita hat eigentlich nur Vorteile, findet der Elternbeirat der katholischen Kindertagesstätte St. Hildegard: „Es macht den Kindern so viel Spaß, entlastet gleichzeitig das Kitapersonal und fördert spielerisch in jungen Jahren.“ Nicht nur in der Wiesdorfer Einrichtung, an insgesamt 18 Kitas der Stadt hat die Musikschule Leverkusen im aktuell auslaufenden Kitajahr diese musikalische Früherziehung innerhalb der Betreuungszeiten angeboten. 

Im neuen Kitajahr ab August soll es das an einigen katholischen Kitas nicht mehr geben. Bislang sind die Träger der Kitas St. Joseph in Hitdorf, St. Stephanus in Bürrig, St. Hildegard in Wiesdorf und St. Aldegundis in Rheindorf aus dem Angebot zurückgetreten. Der Grund: Eine bereits aus dem Jahr 2021 stammende Änderung im Kinderbildungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (Kibiz), die Bezahlangebote in Kindergärten einschränkt. Die Landesregierung befürchtete, dass Kinder aus finanzschwachen Familien bei Bezahlangeboten benachteiligt oder ausgeschlossen werden könnten. 

Finanzielle Belastung

Die 22 katholische Kitas, die es in Leverkusen gibt, werden überwiegend von Kirchengemeinden betrieben und vom Diözesan-Caritasverband des Erzbistums als Dachverband beraten. So auch im Falle der Bezahlangebote. „Unsere Aufgabe ist es, die Träger und Teams mit Informationen, Fachberatung und Fortbildungsangeboten zu unterstützen“, erklärt Dorothea Herweg, Bereichsleiterin für Kinder, Jugend und Familie im Diözesan-Caritasverband. Im Rahmen von Konferenzen für Kita-Leitungskräfte wurde auch das Thema „armutssensibles Handeln“ im Kontext mit kostenpflichtigen Zusatzangeboten in Kitas erörtert.

Denn Herweg sieht hier Probleme, gerade in der aktuellen Wirtschaftslage nach Corona und in Zeiten der Inflation: „Viele Menschen haben wirtschaftliche Probleme.“ Da gehe es ihr nicht nur um Bezieher von Transferleistungen, sondern insbesondere auch um solche Familien, die trotz Arbeit nahe am Existenzminimum leben und sich scheuen, nach Staatshilfen zu fragen oder keine Ansprüche haben. Kinder dürften aber nicht aufgrund mangelnder Finanzkraft der Eltern von Veranstaltungen innerhalb einer Kita ausgeschlossen werden, sagt Herweg.

Für alle Kinder offen

Die Musikschule entgegnet, es werde kein Kind aus der Früherziehung ausgeschlossen. Tatsächlich müssen Kinder für das Angebot in der Kita bei der Musikschule angemeldet werden und die Eltern einen Beitrag zahlen, erklärt Birthe Metzler, stellvertretende Leiterin der Musikschule Leverkusen. „Für Familien, die sich das nicht leisten können, gibt es aber über das Bildungs- und Teilhabepaket die Möglichkeit, die Kosten erstattet zu bekommen.“

Auch Fördervereine in den Kitas könnten helfen, außerdem gebe es in allen Kitas die Vereinbarung mit den jeweiligen Leitungen, dass kein Kind abgewiesen wird, wenn es an dem Angebot teilnehmen will. „Das Angebot ist äußerst niederschwellig, wir sind für jedes Kind offen“, sagt Metzler.

Deswegen hat Musikschulleiter Matthias Fromageot Kontakt zum Landesjugendamt aufgenommen und den Fall geschildert. Die Antwort hat er auch per Mail an das Erzbistum weitergeleitet (liegt der Redaktion vor): „Ein Musikschulangebot, das freiwillig ist und zugangsoffen für finanzschwache Familien, ist mit einem Bezahlmodell (Eltern bezahlen) möglich. Es kann in den regulären Öffnungszeiten in den Räumen der Kita stattfinden“, heißt es darin.

Wir möchten nicht hinnehmen, dass dieses gleichermaßen beliebte wie sinnvolle Angebot abgeschafft wird
Betroffene Mutter

Herweg allerdings bezweifelt, dass wirklich alle Kinder Zugang haben, wenn, wie im Falle der genannten Kitas nur 96 von mehr als 200 betreuten Kindern angemeldet seien. „Die Entscheidung, ob dafür auch externe Expertise in Anspruch genommen wird, trifft der Träger“, sagt Herweg. Die Fachberatung informiere und hinterfrage die Rahmenbedingungen. 

„Handelt es sich um ein offenes Angebot, an dem alle interessierten Kinder teilnehmen können oder um ein ‚exklusives‘ Angebot, das sich in erster Linie an angemeldete Kinder zahlender Eltern richtet? Ist der Kita-Leitung das Konzept des frühmusikalischen Angebotes bekannt? Werden die Kinder von einer vertrauten pädagogischen Fachkraft bei der Teilnahme begleitet?“, zählt Herweg auf.  Letztendlich sei es nicht Auftrag der Kitas, die Existenz von Musikschulen zu sichern. 

Es ist nicht Aufgabe von Kitas, die Existenz von Musikschulen zu sichern
Dorothea Herweg, Bereichsleiterin für Kinder, Jugend und Familie im Diözesan-Caritasverband

Gerade, weil Kinder immer länger in die Betreuung gehen und am Nachmittag diverse Angebote wie Musik und Sportvereine miteinander konkurrieren, sei es doch besonders wichtig, mehr Angebote in den Vormittag zu holen, entgegnet eine betroffene Mutter. „Ist es nicht an der Zeit, endlich funktionierende Konzepte mit Kooperationspartnern zu entwickeln, damit Hobbys wie Musik und Sport nicht auf der Strecke bleiben?“, fragt sie. Etablierte, gut angenommene Kooperationen aufzukündigen, sei genau der falsche Weg. „Wir möchten nicht hinnehmen, dass dieses gleichermaßen beliebte wie sinnvolle Angebot abgeschafft wird.“

Insgesamt wurden in den vier Kitas zehn Gruppen mit 96 Kindern im Alter von zwei Jahren bis zur Vorschule musikalisch unterrichtet. Zuletzt hat auch die Kita St. Andreas in Schlebusch, die einen eigenen Kooperationsvertrag mit der Musikschule hatte, diesen aufgekündigt, um sich selbst neu zu organisieren. Hier seien weiter 20 bis 30 Kinder betroffen, sagt Birthe Metzler. 

Um den Wegfall zumindest ein wenig zu kompensieren, hat die Musikschule zwei neue Gruppen zur musikalischen Früherziehung am Nachmittag gegründet, sagt Metzler: Eine in Hitdorf und eine in der Hauptstelle in Wiesdorf.  Der Ersatz habe allerdings mehrere Nachteile: „Die Kinder sind über das Stadtgebiet verteilt, nicht alle Eltern haben die Möglichkeit, sie durch die Gegend zu fahren. Außerdem sind gerade die Kleinen nach einem langen Kitatag am Nachmittag müde, die Aufmerksamkeit ist dann nicht mehr wie um zehn Uhr morgens.“ Letztendlich würden dadurch also mehr Kinder vom Musikunterricht ausgeschlossen, als durch das Angebot in der Kita, meint Metzler.