Am Rhein könnten ein oder zwei Windräder entstehen – aber nur, wenn man es mit dem Naturschutz nicht so genau nehmen würde.
Land NRW hat berechnetKommt bald Windenergie aus der Leverkusener Hölle?
Dass sich noch einmal eine Fläche auf dem Leverkusener Stadtgebiet findet, auf der Windkraftanlagen stehen können, damit konnte man eigentlich nicht rechnen. Die Stadt ist dicht besiedelt.
Im Auftrag des NRW-Umweltministeriums hat der Computer im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) jetzt aber ein drei Hektar großes, geeignetes Fleckchen errechnet, wo es genug Wind gibt: Am Rheinufer zwischen Deponie, Autobahnbrücke und alter Wuppermündung soll sich ein Platz befinden, der von all denen weit genug entfernt steht, die sich gestört fühlen könnten.
Eine alte Flurbezeichnung für die Gegend heißt „Wiesdorfer Hölle“, das bezieht sich wohl auf die damals unpassierbare Auenlandschaft im ehemaligen Wupper-Dhünn-Flussdelta. Heute rauschen dort die Autos von der nahen A1 und A 59. Diese Fläche eignet sich für die Windenergiegewinnung allerdings nur, wenn man es mit dem Naturschutz nicht ganz genau nimmt - wie das in der Analyse geschehen ist. Das Auenland liegt zwar im Landschaftsschutzgebiet, aber nicht in einem „naturschutzrechtlich streng geschützten Bereich“. Wäre die Aue als Naturschutzgebiet ausgewiesen, wären Windräder dort tabu.
Strenge Abstandsregeln
Die Windenergie-Analyse ist ein kompliziertes Verfahren. Da die Energiewende immer notwendiger wird, sollen Gesetze geändert werden, damit mehr Windräder möglich sind. Es gibt viele Ausschlusskriterien für das Aufstellen von Windkraftanlagen, weshalb in ganz Leverkusen nur dieses eine Stückchen Land als Potenzialfläche infrage kommt. Große Anlagen müssen 40 Meter Abstand von Autobahnen halten und mindestens 100 Meter weit weg von elektrifizierten Bahnstrecken oder Hochspannungs-Freileitungen stehen. Krankenhäuser, Ferienhaussiedlungen und Campingplätze haben eigene Abstandsregeln.
Als Ausschlusskriterien gelten auch Vogel- und Naturschutzgebiete. Von letzteren gibt es in Leverkusen nicht besonders viele, nur 2,3 Prozent (177,6 Hektar) der Stadtfläche haben diesen strengen Schutzstatus. Die Flächenanalyse des Landes ist längst noch keine Genehmigung. Ob in der Rheinaue also jemals ein Windrad stehen wird, ist fraglich, denn das muss vor Ort genauer geprüft werden.
Stellungnahme Umweltamt: Im Prinzip ja, hier aber besser nicht
Das Leverkusener Umweltamt hat schon mal eine Stellungnahme zur jetzt veröffentlichten Windkraft-Fläche am Rhein an das zuständige Ministerium geschrieben. Insgesamt befürwortet man erneuerbare Energie, aber: „Deutlich zu erkennen ist die Lage am Rhein, die neben einer hohen Bedeutung für Flora und Fauna ebenfalls ein Überschwemmungsgebiet festlegt.“
Bemerkenswerterweise schreibt das Umweltamt noch: „Die Gesetzesgrundlage für den Ausbau erneuerbarer Energien sieht u.a. den Ausschluss von Naturschutzgebieten vor. Allerdings ist es in der Praxis häufig so, dass naturschutzgebietswürdige Flächen teilweise nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden, um z.B. Konflikte mit der Landwirtschaft, Erholungssuchenden, etc. zu vermeiden.“ Rächt sich jetzt womöglich, dass man zu geizig mit der Ausweisung von Naturschutzgebieten war?
In ganz Leverkusen gibt es bisher keine einzige große Windenergieanlage. Die nächsten beiden Anlagen stehen nördlich von Opladen in Reusrath auf dem Feld. Dort drehen sich zwei Rotoren von 71 Meter Durchmesser und einer Gesamthöhe von 135 Metern. Jede Anlage hat eine Leistung von 2.300 Kilowatt. In einer Stunde erzeugt jede dieser Windanlagen den Jahresbedarf eines Ein- oder Zweifamilienhauses.
Derzeit sind in Nordrhein-Westfalen 3.764 Windenergieanlagen in Betrieb. Vor zehn Jahren waren es 2.925. Die Zahl der größten Anlagen mit einem Rotordurchmesser von mehr als 125 Metern ist von 31 im Jahr 2016 auf derzeit 373 Anlagen gestiegen. Der größte Teil der Anlagen ist zwischen 50 und 150 Meter hoch. Nur wenige sind höher. 2021 wurden 11.384 Gigawattstunden Strom aus Windenergie gewonnen. Zehn Jahre zuvor, im Jahr 2011, waren es laut Lanuv 4.471 Gigawattstunden.