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Leere Stühle als ProtestLeverkusener Gastronomen rufen um Hilfe

Lesezeit 4 Minuten

Tatiana Goncalves Herborn von der Casa Portuguesa will mit einem leeren Stuhl für mehr Hilfen demonstrieren.

Leverkusen – Ein ganzer Platz voller leerer Stühle. Auf den Rückenlehnen kleben die Logos der jeweiligen Restaurants. Dieses Bild aus Dresden hat Tatiana Goncalves Herborn beeindruckt. Die Gastronomin, die das portugiesische Restaurant „Casa Portuguesa“ in der Neuen Bahnstadt Opladen betreibt, bringt diese Form des Protests nun auch nach Leverkusen: Am Freitag wird die Aktion „Leere Stühle“ von 11 bis 15 Uhr auf dem Rathausvorplatz stattfinden. Jeder Gastronom der Stadt ist aufgerufen, seinen Stuhl dazu zu stellen und später wieder abzuholen.

„Müssen stark zusammenstehen“

„Wir wollen keinen Menschenauflauf haben, sondern die Stühle für uns sprechen lassen“, sagt Goncalves Herborn. Wichtig sei ihr, dass es eine gemeinsame Aktion der Leverkusener Gastronomen wird, viele haben bereits zugesagt. „Normalerweise sehen wir uns als Konkurrenten, aber in der Krise müssen wir stark zusammen stehen, sonst wird es in wenigen Monaten höchstens noch die ganz großen Ketten geben.“ Kein kleines Restaurant könne monatelange Schließungen ohne Hilfe durchstehen. „Die Soforthilfe war nett, aber das Geld hat nicht mal gereicht, um die Fixkosten im ersten Monat zu decken.“

Ikea ja, Terrasse nein

Igor Milosevic, Inhaber des italienischen Restaurants Mille Lire in Wiesdorf, findet es „unverschämt“, dass Läden und Möbelhäuser wieder öffnen dürfen, er aber nicht mal seine Terrasse, auf der man genügend Abstand zwischen den Tischen herstellen könnte. „Ich möchte gar nicht wissen, was bei Ikea los ist und näher als bei anderen Dienstleistern komme ich meinen Kunden auch nicht“, sagt Milosevic. Außer-Haus-Verkauf wollte er anfangs nicht machen, nun bietet er es doch an. „Das reicht zumindest für die Stromrechnung und viele Stammkunden kommen gerne vorbei. Das freut mich.“

Igor Milosevic vom Wiesdorfer Mille Lire findet die ungleichen Regeln für Läden und Restaurants ungerecht.

Andreas Berndt vom Schlebuscher Dom-Brauhaus ist ebenfalls glücklich über seine treuen Kunden, die Abholung oder Lieferung in Anspruch nehmen. Aber der Anblick des geschlossenen Biergartens im Sonnenschein tut ihm weh. „So viel können wir gar nicht liefern, um das zu kompensieren. Auf Dauer ist das keine Lösung.“ Er hat Verständnis für den Gesundheitsschutz, aber auch ihn ärgert, dass die Gastronomie als erstes schließen musste und nun in Ungewissheit gelassen wird, wie es weiter gehen soll, während andere Lockerungen erfahren. „Das ist schon deprimierend.“

Tapas to go

Auch Tatiana Goncalves Herborn bietet mittlerweile „Tapas to go“ und Eis zum Mitnehmen an. „Das wird wesentlich besser angenommen, als ich ursprünglich gedacht hätte. Ich habe ganz liebe Gäste, die auch helfen wollen“, sagt Goncalves Herborn. Zwei Mitarbeiterinnen konnte sie so schon zumindest stundenweise zurückholen. „Was ich damit einnehme, reicht aber gerade mal, um einen Teil der Fixkosten zu bezahlen.“

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Goncalves Herborn ist klar, dass sie ihren Betrieb nicht „morgen mit 110 Plätzen wieder aufnehmen kann“. Das fordert sie auch nicht. Aber zumindest die Terrasse mit lockerer Bestuhlung zu erlauben, das wäre ein Anfang. „Wir könnten auch wie kaum eine andere Branche Gästelisten führen und nachvollziehen, wer wann wo gesessen hat.“ Die Forderungen der Protestaktion sind aber andere: „Endlose Kredite und Stundungen helfen uns nicht weiter, wir können uns nicht in ein paar Monaten bis zum Lebensende verschulden“, sagt die Gastronomin.

Terrassengebühr

Einige Städte in Nordrhein-Westfalen wie Meerbusch und Dormagen haben angekündigt, auf die so genannte Terrassengebühr zu verzichten. Sie ist eine Sondernutzungsgebühr, die auch in Leverkusen erhoben wird, wenn Gastronomen Tische im öffentlichen Raum vor ihren Lokalen aufstellen.

Auch die Stadt Leverkusen erwägt, die Gebühr zu erlassen. Das Thema wird in der heutigen Sitzung des Hauptausschusses diskutiert. (stes)

Stattdessen brauche es Gebührenerlasse (siehe Infobox) und mehr Soforthilfen. „Ein Teil meiner Mitarbeiter bekommt Kurzarbeitergeld in Höhe von 1000 bis 1200 Euro. Eine ist alleinerziehend, ihr reicht das nicht mal für Miete und Essen“, sagt Goncalves Herborn. Das Grundgehalt sei in der Gastronomie nun mal niedrig, weil ein großer Teil der Einkünfte durch Trinkgeld bestritten werde. Dieser Ausfall wird aber nicht durch Kurzarbeitergeld abgedeckt. „Da muss dringend etwas geschehen.“ Auch eine Senkung der Mehrwertsteuer für Restaurants auf sieben Prozent für die Zeit der Wiedereröffnung, wie sie aktuell in der Politik diskutiert wird, begrüßt Goncalves Herborn. „Ein Essen, das ich heute Abend nicht verkaufe, verkaufe ich im Sommer nicht zwei Mal.“ Mit Steuererleichterungen ließe sich das Minus eher wieder auffangen.