50 Jahre Forum LeverkusenEx-Kraftwerker Karl Bartos über legendäres Konzert
- Karl Bartos von Kraftwerk gibt uns ein exklusives Interview. Wie war das legendäre Konzert damals, 1971, im Forum?
- Lesen Sie einen weiteren Teil unserer Serie anlässlich des Jubiläums „50 Jahre Forum“.
Leverkusen – Herr Bartos, Sie waren von 1975 bis 1991 Mitglied bei einer der bekanntesten und einflussreichsten deutschen Popbands: Kraftwerk. Mehr noch: Sie gehörten zu jener Bandbesetzung mit Ralf Hütter, Florian Schneider-Esleben und Wolfgang Flür, die bis heute als die klassische und die Musik weltweit revolutionierende gilt. Das erste Konzert in dieser Besetzung gaben Kraftwerk am 27. Februar 1975 im Leverkusener Forum. Können Sie sich daran noch erinnern?
Ich kann mich zwar nicht an allzu viele Details erinnern. Aber: Es gibt da dieses eine Bild von dem Konzert. Ich hatte unglaubliches Glück, dass ich es irgendwann zu fassen bekam….
Sie meinen jenes Bild von unserem damaligen Fotografen Holger Schmitt, das sie auch in ihrer Biografie „Der Klang der Maschine“ zeigen. Auf Seite 146 gehen Sie darin ja auch explizit auf das Konzert im Forum ein.
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Genau. Und als ich im Rahmen der Recherche für mein Buch auf dieses Bild stieß, fiel mir wieder auf, wie unfassbar jung ich damals war. (lacht) Das Konzert in Leverkusen war damals nicht nur mein erstes Konzert mit der Band und das erste in dieser klassischen Besetzung. Es war für uns auch eine Art Auftakt und ein Warm-Up-Gig für unsere anschließende erste Amerika-Tournee.
War der Ort Leverkusen, war das Forum, bewusst gewählt?
Nein. Wir sind seinerzeit rein zufällig dort gelandet. Das war aber generell so. Die Konzertplanung damals war eher chaotisch.
Wie präsent ist Ihnen dieses Konzert denn noch?
Wie gesagt: Genaue Erinnerungen daran habe ich zwar nicht mehr. Leider. Aber klar ist: Kraftwerk waren damals noch nicht die Band, die sie später wurden, sondern eher eine Band im Spannungsfeld zwischen Live-Elektronik, Jazz und alter deutscher Klassiktradition. Wir haben bei Konzerten wie dem im Forum mehr improvisiert als später – auch wenn ein Stück wie „Autobahn“ damals schon eine Struktur hatte. Was ich zudem mit Bestimmtheit sagen kann: Das Bild, das von diesem Konzert existiert, fängt diese freie Atmosphäre der damaligen Zeit, diese Ungezwungenheit, sehr gut ein. Schauen Sie es sich an: Diese Casual-Kleidung, dieser Studenten-Look bei den um die Bühne sitzenden Zuhörern im Saal. Das war damals eine ganz eigen organisierte, freie Kultur. Und die erkennt man auf dem Leverkusener Foto.
Was fällt Ihnen generell ein, wenn Sie an Leverkusen denken?
Leverkusen war für mich natürlich immer schon mit dem Namen „Bayer“ verknüpft. Und vor allem kenne ich die Autobahnen, die an Leverkusen vorbei von Düsseldorf nach Köln führen. Die bin ich nicht nur in den späten 90er Jahren häufig entlang gefahren, weil ich in Köln seinerzeit mein Soloalbum „Esperanto“ mischte. Die kannte ich auch noch aus den 70er Jahren, in denen ich oft nachts am Bayerwerk und diesen ganzen raffinerieartigen Strukturen vorbeigekommen bin. Das sah damals für mich immer aus wie ein Kunstwerk und entsprach damit irgendwie der Philosophie von Kraftwerk, die Technik zu musikalisieren. Umwelt und Chemie waren da noch überhaupt kein Thema. Beziehungsweise: Moral spielte da noch keine Rolle. Eine Einrichtung wie das Bayer-Werk war zu dieser Zeit ein reines Symbol des technologischen Fortschritts. Apropos Technik: Heute kommen mir Kraftwerk vor wie ein Digitalkonzern. Wie Apple oder Google. Nur dass alle von Innovation reden, wenn sie über Kraftwerk sprechen – es aber all das, was sie verkaufen, schon lange gibt.
Das Konzert in Leverkusen war also die gute alte Zeit?
Sagen wir so: Das Konzert im Forum zeigte die Band im ursprünglichen Sinne. So wie Kraftwerk einmal gedacht waren: Der Mensch gehört in den Mittelpunkt. Nicht die Technik. Die Technik soll uns nur helfen.
Das Gespräch führte Frank Weiffen