In Wiesdorf fielen 1944 Bomben, Ulrich Jonas erlebte das als Kind, er erinnert sich.
Erinnerungen eines ZeitzeugenAls in Leverkusen vor 80 Jahren Bomben fielen
1944 hatte sich das Blatt im Krieg deutlich gewendet, die Alliierten hatten längst Hitlers Wehrmacht-Truppen in schwere Bedrängnis gebracht, außerdem verschafften sie sich nach und nach die Lufthoheit über Deutschland. Auf Leverkusen fielen ab 1940 erst sporadisch, dann zunehmend in Manfort und auch in Wiesdorf und Küppersteg Bomben aus englischen Bomberverbänden. Die Augenzeugen dieser Zeit werden seltener. Wer heute noch Erinnerungen an die Kriegszeit hat, muss einiges über 80 Jahre alt sein.
Der Wiesdorfer Ulrich Jonas war noch jung, aber er erinnert sich an die Zeit der Bombardements im Spätsommer 1944: „Ich glaube, dass man die eindrücklichsten Dinge behält.“ Natürlich wurde auch später noch über die Erlebnisse in seiner Familie gesprochen.
Jonas hat sein ganzes Leben nicht nur im Stadtteil Wiesdorf verbracht, sondern sogar im gleichen Veedel. Die Familie hat nie weiter als 100 Meter von der Ursprungswohnung in der Carl-Leverkus-Straße gelebt, geboren wurde er im kalten Januar 1941 im Wöchnerinnenheim am Erholungshauspark, in dem durften nur die Frauen aus Bayer-Familien entbinden.
„1944 bin ich in den evangelischen Kindergarten in Wiesdorf in der heutigen Pfarrer-Schmitz-Straße gegangen, die damals vom-Stein-Straße hieß. Ich weiß noch, dass wieder einmal Bombenalarm war. Wir mussten dann zur Tür laufen und links runter in den Luftschutzkeller. Warum, weiß ich nicht mehr, aber ich bin rechts und raus auf die Straße gelaufen. Man hörte die Flak schon schießen. Meine Mutter kam mir auf der Hauptstraße entgegengelaufen und zog mich in einen Hauseingang und runter in einen Luftschutzkeller, in dem wir halbwegs sicher waren.“ Luftschutzkeller waren von außen markiert, die Haustüren mussten bei Luftalarm offen stehen.
Die Mutter sei sehr vorsichtig gewesen, erinnert sich Ulrich Jonas. Um möglichst schnell in den Bunker laufen zu können, habe sie ein kleines Zimmer unterm Dach im Koloniehaus Kaiserplatz 14 angemietet. Unter dem heutigen Spielplatz am Kaiserplatz liegt ein als Platz getarnter Tiefbunker, der Eingang liegt gegenüber von Haus 14.
Jonas erinnert sich an die extrem steile Treppe, die man herunterlaufen musste. „Da drückten ja innerhalb kurzer Zeit sehr viele Leute rein“, sagt er, einmal sei er auf der Treppe gestolpert und habe sich das Knie aufgeschlagen. Wenn dann irgendwo in der Nähe eine Bombe einschlug, habe es einen dumpfen Wumms gegeben und der Bunker habe gewackelt. Das ist es wohl, was Kinder sich auch in schlimmsten Notzeiten einprägen.
Klar vor Augen hat er das Bild einer Nachbarin vom Kaiserplatz mit dicken Unterarmen, die habe bei Alarm eine große Dose mit Plätzchen mit in den Bunker genommen. Auch der kleine Ulrich bekam welche ab. Und das Bild, als nach der Explosion einer Luftmine von der extremen Druckwelle die Spitzgiebel aller Häuser in der Carl-Leverkus-Straße flach lagen.
Ulrich und seine Familie überlebten den Krieg. Der Vater spielt in den Erinnerungen nicht die große Rolle, er sei Soldat und bei Bayer als Wart für einen Block zuständig gewesen und wahrscheinlich nicht immer zu Hause gewesen. Ulrich Jonas macht nicht den Eindruck, dass ihn die Zeit traumatisiert hat, dafür war er zu jung. Seine Mutter sei aber bei Sirenen-Probealarm stets zusammengezuckt. Mit etwas über 20 Jahren trat Jonas der SPD bei, der Partei ist er bis heute treu geblieben und er lobt das vorsichtige Vorgehen bei der Rüstung, auch wenn er anerkennt, dass die Strategie der militärischen Abschreckung funktioniert hat.
Festzuhalten bleibt 80 Jahre nach der Hochphase des Bombenkriegs: Augenzeugen werden rar. Zweifellos hat eine Aussage Gewicht, wie sie Ulrich Jonas neulich auf einer Veranstaltung seiner Partei gemacht hat: „Ich bin im Krieg geboren – ich will nicht im Krieg sterben“.