Gartencenter mit großem ZulaufWie mir Pflanzen durch die Corona-Krise helfen
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Der Trend zu mehr Regionalität, Nachhaltigkeit und Selbstversorgung ist nicht neu. Corona befördert ihn noch.
Die Menschen - auch die jungen - gärtnern wieder. Regionale Märkte, Hofläden und Gartencenter erleben einen Boom.
Unserer Autorin geht es nicht anders. Der Eigenanbau gibt ihr das Gefühl, zumindest noch das selbst in der Hand zu haben.
Leverkusen – Die Ärmchen der Vergissmeinnicht bekommen täglich neue Geschwister. Blau-lila Blüten sprießen munter aus ihnen hervor. Unsere Tomatenpflanze nimmt Ausmaße an, die für 65 Quadratmeter schon fast überdimensioniert wirken. Der Lavendel duftet herrlich, reibt man die Blätter zwischen den Fingern. Und nach langem Warten streckt sich auch im Oregano- und Thymian-Beet das erste grüne Köpfchen hervor.
Es ist geschehen. Mein Daumen ist jetzt grün. Also fast. Ich weiß inzwischen, was Blähton ist und wie sich Staunässe vermeiden lässt. Wir besitzen nun Kräutererde, ein Trinkbecken für Insekten und Vögel, ernten täglich unsere eigene Kresse.
Doch ich habe keine Ahnung, warum der Bonsai immer weiter vertrocknet. Und was sind das für winzige kleine Fliegen im Pfefferminz-Topf? Wasser bekommen unsere Pflanzen nach Gefühl und Tagesmotivation.
Wohlige Gefühle inmitten von Saagut und Rindenmulch
Um Neugärtnerinnen-Problemen Herrin zu werden, habe ich seit Neuestem beständig einen akuten Drang nach Baumarkt-Besuchen. Inmitten von Übertöpfen, Rindenmulch, Kürbis-Samen und Gartengerät geht mir das Herz auf. Und damit bin ich nicht alleine.Corona treibt die junge Generation in die Gärten und auf die Felder. Bei Rene Arndt im Raiffeisen Markt in Opladen kaufen sie Samen und Saatgut. Für Kartoffeln, Zwiebeln, Zucchini, Aubergine.
Der Marktleiter hatte erwartet, dass ihm die Kundschaft altersbedingt langsam wegbröckelt. Doch plötzlich erlebt er einen Boom. „Wir hatten in diesem Jahr mindestens 50 Prozent Zuwachs. Ich habe doppelt so viel bestellt wie sonst und es hat trotzdem nicht gereicht“, sagt Arndt. Wegen Homeoffice und der Quarantäne haben die Menschen plötzlich Zeit. Was wir aus Hofläden hören, gilt auch für Gartencenter und Märkte: Die Themen der Stunde – Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Regionalität – und Corona bedingen sich gegenseitig.
Selbstversorger auf engstem Raum
Um die Mittagszeit sind die Regale mit Mehl und Saft im Raiffeisen-Markt schon fast leer. Wo sich am Morgen noch Säcke mit Blumenerde stapelten, ist jetzt nur noch grünes Vlies zu sehen. „Die Menschen wollen sich diese Zeit so schön wie möglich machen“, sagt Mitarbeiterin Lisa Waldraff. Darum pflanzen sie Blumen und Kräuter, kaufen Zwergobst. Denn nicht jeder hat einen großen Garten zur Verfügung.
Die Menschen fragen, wie sie sich auf engstem Raum selbst versorgen können, erzählt Waldraff. Und Blaukorn geht gar nicht mehr. „Alle fragen nach biologischem Dünger, nach Pflanzen, die gut für Insekten und Bienen sind“, so die Verkäuferin. Nachhaltig, gesund und günstig. Es sind diese drei Gründe, die Kundschaft zwischen 20 und 70 Jahren in den Markt locken.
"Die meisten hinterfragen nicht, was sie kaufen"
Petra Zivoder aus Manfort achtet schon lange darauf, was sie kauft und isst. In ihrem kleinen Garten baut sie seit Jahren Zucchini, Kürbis und Tomaten an. „Die meisten Leute hinterfragen nicht, was sie kaufen“, kritisiert sie. Zivoder kauft gerne Bio-Produkte, achtet auf ihre Herkunft. Sie bemerkt ein Umdenken, vor allem auch bei der jüngeren Generation. „Meine Tochter lebt soweit wie möglich vegan. Manches isst sie nicht mehr, weil sie sagt, sie könne dadurch krank werden“, so Zivoder.
Die jungen Leute verstünden, wo die Produkte herkommen und wie sie hergestellt werden, hören die Skandale aus der Branche. Auch in der Nachbarschaft gibt es durch Corona jetzt andere Töne, erzählt Petra Zivoder. Wer weiß, was noch kommt sei so eine Sorge, die sie jetzt oft höre. Ob weiterhin immer alles verfügbar ist, da sind sich viele unsicher. Dann besser selbst anbauen. Auf Nummer sicher gehen.
Es ist die Angst und Ungewissheit, die eine neue Riege an Pflanzenfreunden hervorbringt. Aber auch die Sehnsucht nach etwas Verlässlichkeit. Die eigenen Tomaten ernten, das klingt romantisch. Nach Geborgenheit, Bodenständigkeit und „zu Hause“. Mehrere Wochen waren die Menschen an die eigenen vier Wände gefesselt, Küche, Balkon und Garten waren die letzten Bastionen, um dem Alltag ein wenig Zauber zu verleihen. Ob der Trend zu mehr Eigenanbau nachhaltig ist, wird sich in Zukunft zeigen.