Im Rahmen des „Start“-Festivals gastierte das Manchester Collective im Erholungshaus und überzeugte mit einem Konzert fernab des Mainstreams klassischer Musik.
KonzertDas Manchester Collective vertont Gemälde im Erholungshaus in Leverkusen
Es ist ein Abend im Erholungshaus, der fernab von allem liegt, was mit Massentauglichkeit klassischer Musik zu tun hat. Das Manchester Collective mit seinen Musikerinnen und Musikern und seinem für die aktuelle Tour hinzugerufenen, im Zentrum der Bühne stehenden Sansara-Chor aus London agiert in einer eigenen Welt. Es ist eine Welt, in der nicht die Melodie und das auf Mainstream geschulte Gehör eine Rolle spielen. Sondern das Aufnehmen und Verarbeiten von Klangcollagen und Klangarrangements im Hirn. Es ist Musik, die so von den Stimmbändern, Saiten und Schlagwerkfällen herabflirrt, wie es die Farben und Formen eines abstrakten Gemäldes tun, das lange eingehend betrachtet wird und in das man als betrachtender Mensch nach und nach versinkt.
Keine Musik fürs Vorbeigehen
Man könnte auch sagen: Das Konzert des englischen Ensembles ist anspruchsvoll. Nicht mal eben so im Vorbeigehen zu verfolgen. Durchaus schwer zu fassen. Und sticht gerade deshalb einerseits so heraus aus diesem Start-Festival, zu dem es andererseits so wunderbar passt, denn: Die Verantwortlichen der Bayer-Kultur, allen voran Festivalleiter Christoph Böhmke, sind ja stets gerade nach solchen Akteuren und Akteurinnen auf der Suche, die im Abseits dessen, was sattsam bekannt ist, zu finden sind. Auf dem Programm stehen Stücke von Arvo Pärt, von Isobel Walter-Bridge, von Edmund Finnis. Und speziell eines von Morton Feldman, das den Titel „Rothko Chapel“ trägt und eine Quasi-Vertonung dessen Gemälde ist.
Zur Information: Mark Rothko war ein amerikanischer Maler, der in seiner Heimat den abstrakten Expressionismus und die Farbfeldmalerei etablierte. Und sein Geist schwebt sozusagen über diesem Abend und über der Bühne im Erholungshaus. Was wörtlich zu verstehen ist, denn: Die auf einem schwebenden Achteck über der Bühne basierende Lichtshow ergänzt das Akustische an diesem Abend. Das Akustische wiederum kommt mal sphärisch, mal dramatisch daher. Und manchmal zehrt es sogar von der Stille der Musik – eine Stille, die erzeugt wird durch die Konzentration auf einzelne, lange Töne der Violine. Ganz sacht angestupste Trommeln. Ein Wispern des Chores.
Ja, das ist, zugegeben, ab und an anstrengend und ermüdend. Als ob die Musik wie ein zu einer seltsam psychedelischen Filmszene gekautes Kaugummi in die Länge gezogen wird. Dann aber ist es auf einmal wieder spannend und mitreißend – weil der Mensch nun einmal fähig ist, sein Kopfkino anzuwerfen und Töne wie Bilder miteinander zu verknüpfen. Und am Ende steht vor allem der dringende Wunsch, all das nochmal in aller Ruhe und Stille daheim über Kopfhörer zu hören. Bei geschlossenen Augen. Insofern: Ein wahrlich inspirierendes Konzert.