Dem Leverkusener wurde in einem langen Verfahren unter anderem die Vergewaltigung seiner Ex-Freundin vorgeworfen wurde.
Urteil in AbwesenheitDrei Jahre Haft für Leverkusener – Täter in Marokko

Das Urteil fiel im Saal 112 im Landgericht Köln.
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Sollte Mustafa J. seine Rückenbeschwerden in den Griff bekommen und nach Deutschland zurückkommen, dann könnte es sein, dass bald ein Haftbefehl im Briefkasten liegt: Drei Jahre Haft lautet das Urteil gegen den ursprünglich wegen mehrerer Vergewaltigungen und Körperverletzungen angeklagten Leverkusener Mustafa J.(Name geändert).
Jetzt muss er sich die Einzelheiten von seinem Anwalt erzählen lassen oder im Internet lesen, denn der Täter soll sich in Marokko aufhalten, der Heimat seiner Familie. Ein Arzt dort habe ihm Ruhe verordnet, wegen eines Bandscheibenvorfalls habe er nicht nach Deutschland fliegen können, hieß es.
Mehrere ursprünglich angeklagte Vergewaltigungen ließ die 20. große Strafkammer am Kölner Landgericht nicht ins Urteil einfließen. „Die Kammer geht davon aus, dass die sexuellen Übergriffe stattgefunden haben“, sagte Richterin Sibylle Grassmann in ihrer Begründung. Nur sind die Sexualstraftaten nach Ansicht der Richterinnen und Schöffinnen nicht mehr zweifelsfrei und klar nachzuweisen, unter anderem wegen der langen Zeit, die zwischen den teils herabwürdigenden Taten (2014 und 2015), der Anzeige (2018) und schließlich der Verhandlung seit Frühjahr 2023 gelegen habe.
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Staatsanwalt forderte fast sieben Jahre
Dem Staatsanwalt waren die Sexualstraftaten dagegen als hart genug nachgewiesen erschienen; in der vergangenen Woche hatte der Ankläger eine Strafe von fast sieben Jahren gefordert. Der Verteidiger plädierte am Mittwoch (25. Oktober 2023) kurz vor der Urteilsverkündung. Einige der angeklagten Körperverletzungen gegen die zur Tatzeit minderjährige Ex-Freundin Nadine L. erklärt er für erwiesen: Der Täter hatte sie in der Verhandlung selbst zugegeben. Die Vergewaltigungsvorwürfe seien eher als Racheakt der enttäuschten Ex-Freundin zu erklären; sie habe schließlich statt Zuneigung Körperverletzungen erlitten. Während seines Plädoyers tätschelt er einmal den leeren Stuhl, auf dem normalerweise der Angeklagte sitzen würde.
Nur die zugegebenen Taten seien im Urteil anzurechnen, so sein Fazit, eine Bewährungsstrafe sei angemessen. Davon sollten aber wegen der langen Verfahrensdauer zehn Monate abgezogen werden, so der Antrag des Anwalts. In den Jahren seit der Beziehung zu Nadine L. habe der Angeklagte sich praktisch nichts mehr zuschulden kommen lassen. Das sah die Kammer dann doch anders, denn der Angeklagte war erstens im Leverkusener Amtsgericht Dauergast auch in den vergangenen Jahren: 2019, 2021 und 2022 musste er dort wegen unterschiedlicher Delikte antreten – Betäubungsmittel, Körperverletzung, Fahren ohne Führerschein. So richtig überzeugend kam das Plädoyer des Anwalts nicht rüber im Gerichtssaal; wie schwer mag es sein, sich für einen Mandanten einzusetzen, der ein minderjähriges, emotional abhängiges Mädchen mindestens schwer geschlagen hat – wahrscheinlich mehr?
Auch das steht im Urteil: 6000 Euro Schadensersatz, dazu die Gerichtskosten und die Anwaltskosten seiner Ex-Freundin müsste Mustafa J. zahlen, falls er freiwillig zurück nach Deutschland käme. Unklar ist, ob man ihn zwingen kann, denn einen bilateralen Auslieferungsvertrag zwischen Deutschland und Marokko gibt es nicht. Mustafa J. wäre nicht der erste, der diese Lücke nutzen würde. Einer seiner älteren Brüder lebt in Marokko, wie im Laufe des Prozesses bekannt wurde. Auch der bleibt dort, weil er in Deutschland ins Gefängnis müsste.