Seit Jahren gibt es keine wirklichen politischen Veränderungen, um die Situation der Frauen zu verbessern.
Zu wenig PlätzeFrauenhaus Leverkusen muss jeden Tag hilfesuchende Frauen abweisen

Das „Willkommenspaket“, das Mütter mit Kind beim Einzug des Frauenhauses erhalten (zusätzlich noch eine Zahnbürste): Im Haus leben sie selbstständig mit eigenem Tagesablauf.
Copyright: Louisa Kolk
„Fast jeden Tag ein Femizid in Deutschland“, hat das Bundesinnenministerium in einer Pressemitteilung vergangenes Jahr berichtet. Das Thema von struktureller Gewalt an Frauen ist nicht neu und trotzdem ist „seit Jahren nicht wirklich was passiert“, um die Situation zu bessern, sagt Silke Neuhaus, Sozialpädagogin im Frauenhaus Leverkusen.
Zusammen mit fünf anderen Mitarbeiterinnen versucht sie, Frauen in Notsituationen zu helfen. Doch auch sie können mit nur acht Plätzen im Haus nur einem Bruchteil der Betroffenen helfen.
„Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. Jeden Tag werden mehr als 140 Frauen und Mädchen in Deutschland Opfer einer Sexualstraftat“, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei einem Lagebild zu geschlechtsspezifischen Straftaten gegen Frauen angegeben.
Häusliche Gewalt nicht nur körperlich
„Ganz häufig ist häusliche Gewalt gar nicht sichtbar“, stellt Neuhaus klar. Viel mehr ist es psychische Gewalt, die oft unter dem Begriff „toxische Beziehung“ zusammengefasst sei. Heutzutage heißt das auch „Gaslighting“: psychische Manipulation und emotionaler Missbrauch, (soziale) Isolierung zum Beispiel durch strenge Handykontrollen. Vor allem aber auch Demütigungen, Bedrohungen (mit dem Tod) und auch Liebesentzug.
„Es gibt nicht nur dieses blaue Auge“, betont die Sozialpädagogin. Es sei sogar eher selten, dass Frauen aufgenommen werden, die körperlich gekennzeichnet sind.
Wichtig ist, dass die Leute nicht weggucken, dass sie hinhören, aufmerksam sind und das zum Thema machen
Sollte man Situationen von häuslicher Gewalt mitbekommen, sei es sehr wichtig, diese zu unterbrechen: Die Polizei lieber einmal zu viel als zu wenig rufen oder einfach mal an der Tür klingeln – aber am besten nicht alleine. Außerdem könne man im Treppenhaus Aushänge mit Hilfsangeboten aufhängen oder entsprechende Flyer in die Briefkasten werfen. Wenn man die betroffene Person alleine sieht, so Silke Neuhaus, solle man sie bei Möglichkeit ansprechen und ihr Hilfe anbieten.
Aber auch, wenn man einen Freund verdächtigt, Täter zu sein, sei es wichtig, ihn darauf anzusprechen und klar zu sagen: „Das, was du da machst, ist nicht okay.“ Für Menschen, die Gewalt ausüben, gebe es extra Täterberatungsstellen, wo sie telefonisch beraten werden können, erklärt Neuhaus.
Ungefähr 80 bis 100 Euro pro Tag fällt im Leverkusener Frauenhaus für Miete, Nebenkosten und Personal an. Es ist nicht verwunderlich, dass die meisten Frauen in Not diesen Betrag nicht selbst zahlen können.
Problematisch wird es, wenn die Frauen keinen Aufenthaltstitel haben. Denn dann fallen Leistungen wie Bürgergeld weg – und dann muss der Platz aus Spenden finanziert werden. Diese Fälle kämen allerdings regelmäßig vor, erklärt Neuhaus.
Eine bundeseinheitliche Finanzierung, unabhängig vom Einzelfall, werde „seit Jahren der Politik vorgeschlagen“, jedoch ohne wirkliche Veränderungen. Silke Neuhaus wünscht sich zusätzlich zu der einheitlichen Finanzierung grundsätzlich mehr Frauenhausplätze. Sie hätten „immer viele Anfragen“, erzählt sie: „Wir weisen jeden Tag Frauen ab.“
Damit ist das Frauenhaus in Leverkusen kein Einzelfall. Laut der bundesweiten Frauenhaus-Statistik 2023 gaben die befragten Frauenhäuser an, über 10.000 Frauen mit und 6000 Frauen ohne Kinder aufgrund Platzmangel abweisen zu müssen.
Keine bezahlbaren Wohnungen
Eine weitere zusammenhängende Problematik mit der mangelnden Anzahl an Plätzen sei die Schwierigkeit, bezahlbare Wohnungen für Frauen zu finden, die bereit sind, aus dem Frauenhaus auszuziehen. Sozialpädagogin Neuhaus bezeichnet die Situation als „Vollkatastrophe“. Frauen, die die angebotene Unterstützung nicht mehr brauchen, könnten nicht ausziehen, wodurch keine Frauen nachrücken könnten, die die Hilfeleistungen wiederum akut brauchen.