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Leverkusener Grüne Nyke Slawik„Ich habe klar entschieden, noch mal anzutreten“

Lesezeit 6 Minuten
Nyke Slawik Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen

Nyke Slawik von den Leverkusener Grünen wünscht sich anstelle von lautstarker Kritik an ihrer Partei mehr gemeinsamen Einsatz gegen Demokratiefeinde wie die AfD.

Nyke Slawik hat ihr zweites Jahr als Bundestagsabgeordnete der Leverkusener Grünen in Berlin hinter sich, blickt auf 2023 zurück – und äußert sich zu ihrer Zukunft.

Frau Slawik, wenn sie auf 2023 zurückblicken: Was war Ihr persönlicher Moment – im positiven Sinne?

Nyke Slawik: Ich weiß nicht, ob es den einen Moment gab. Aber es gab für mich ein dominierendes Projekt: Dadurch, dass ich im Verkehrsausschuss sitze und auch Berichterstatterin meiner Fraktion für dieses Thema bin, war mein Herzensprojekt – in das auch die meiste Arbeit geflossen ist – das Deutschlandticket. Wobei... Diesbezüglich hatte ich kurz vor Weihnachten tatsächlich noch einen ganz tollen Moment: Der nämlich, als sich Bund und Länder darauf einigten, dass es auch ein um 40 Prozent rabattiertes Deutschlandticket für Studierende geben soll. Das ist ein schöner Erfolg.

Das Deutschlandticket war mein Herzensprojekt.
Nyke Slawik

Nicht so schön dürfte der Umstand gewesen sein, dass sich zuletzt in der Öffentlichkeit manch einer auf Ihre Partei eingeschossen hat, wenn es darum ging, wer all das, was schlecht läuft, zu verantworten hat. Was entgegen Sie diesen Menschen?

Wenn man sich die Fakten anguckt – und damit meine ich die Menge der Gesetze und Gesetzesänderungen, die die aktuelle Koalition auf den Weg gebracht und auch umgesetzt hat – dann ist das sehr viel. Zudem ist es gerade jetzt zum Jahreswechsel auch schön zu sehen, was der Stand bei unserem Herzensprojekt als Grüne ist: Deutschland ist bei der Energiewende wirklich wieder auf Kurs gekommen! Im vergangenen Jahr war die Kohleverstromung so gering wie seit 1959 nicht mehr! Dafür ist 50 Prozent mehr Windkraft ans Netz gegangen. Also: Es passiert ganz viel Transformation. Aber, ja: Gleichzeitig merken wir natürlich auch, dass wir eine krassen externen Krisendruck haben. Nach wie vor dauert dieser schreckliche Krieg in der Ukraine mit all seinen Konsequenzen an. Jetzt kommt noch die Situation im Nahen Osten dazu. Dann sind da noch die Extremwetter durch die Klimaveränderung, die schon lange prognostiziert wurden und jetzt massiv spürbar sind. Die Lebenshaltungskosten sind zudem gestiegen. Und all das ist nicht ohne Folgen an den Menschen vorübergegangen. Das ist für viele anstrengend. Viele Menschen sind veränderungsmüde. Und so würde ich mir auch einen Teil der aktuellen Unzufriedenheit und der politischen Verunsicherung erklären. Hinzu kommt noch die Art und Weise, wie sich politische Informationen mittlerweile verbreiten.

Viele Menschen sind veränderungsmüde.
Nyke Slawik

Sie sprechen die sozialen Medien an.

Ja. Es hat sich Vieles ins Internet verlagert. In Messenger-Gruppen. In soziale Netzwerke. Es gibt dort angesichts der angespannten Sicherheitslage einen krassen Anstieg von Fake News. Insofern ist es einfach wichtig zu verstehen: Demokratie und demokratischer Diskurs fallen nicht vom Himmel. Wir sind alle gefordert, dass wir uns – gerne kritisch, gerne auch mal hitzig – immer wieder auf die Fakten besinnen und respektvoll miteinander diskutieren. Passiert das nicht, dann geschehen Dinge wie neulich, als Robert Habeck – der Vizekanzler! – von einem wütenden Mob bedroht wurde. Das ist die Folge eines immer aggressiveren Handelns. Und das ist gefährlich für die Demokratie. Wissen Sie: Man kann sich ja gerne kritisch auch über grüne Politik und Positionen austauschen. Aber wenn ich mir immer wieder diese Angriffe von allen Seiten anschaue, dann bekomme ich tatsächlich den Eindruck, wir Grünen sind der neue Hauptfeind. Dabei würde ich mir wünschen, dass man sich gemeinsam darauf besinnt, Demokratiefeinde wie die AfD zu bekämpfen. Das Besinnen auf demokratische Werte sollte unser gemeinsamer Nenner sein. Und ich gebe zu: Diese Stimmung in Deutschland besorgt mich schon ein bisschen.

Vor gut einem Jahr sprachen wir auch über Ihre mentalen Probleme, die Sie 2022 unter anderem angesichts des damals ausgebrochenen Ukraine-Krieges bekommen hatten. Haben Sie mittlerweile Strategien für sich, um solche Phasen zu vermeiden? Sprich: Achten Sie mehr auf sich?

Die klassischen Ratschläge, nicht nur für die Arbeit zu leben, habe ich mir natürlich sehr zu Herzen genommen. Ich habe mir etwa ein bisschen mehr Raum für meine Hobbys eingeräumt – und im vergangenen Jahr mit dem Malen angefangen. Es war für mich der perfekte Griff in die Hobbykiste, da ich in meinem Beruf sehr viel rede und generell sehr viel mit Sprache mache. Da ist das Malen etwas Kreatives, bei dem ich Dinge mit anderen Teilen meines Verstandes und meines Bewusstseins verarbeiten kann. Ohne Reden eben. Zudem habe ich mir letztes Jahr in Berlin ein Fahrrad gekauft und bin dann jeden Morgen mit dem Fahrrad zum Bundestag hin- und wieder zurückgefahren. Das gehört mittlerweile fest dazu. Es bedeutet für mich jeden Morgen und jeden Abend eine halbe Stunde, in der ich kein Handy in der Hand habe. In der ich einfach nur auf dem Fahrrad sitze und in die Pedale trete. Das ist wahnsinnig meditativ und schön. Und was die politische Arbeit an sich angeht, ist es so, dass ich nun mehr zurück auf das schaue, was an Positivem passiert ist. Das versuche ich, mehr zu würdigen und dankbar dafür zu sein.

Das Besinnen auf demokratische Werte sollte unser gemeinsamer Nenner sein.
Nyke Slawik

Im Herbst erschien eine Film-Dokumentation über Ihre Arbeit in Berlin, „Nyke“. Darin sagten Sie, Sie wüssten noch nicht ganz genau, ob Sie 2025 noch einmal antreten würden, um in den Bundestag zu kommen. Wissen Sie es heute?

Ich mache ja Politik, seit ich 15 Jahre alt bin. Das hat mich immer angezogen. Ich brenne dafür, mich für Veränderungen einzusetzen und verstehe mich als Teil der Bewegung, die für gute Lebensbedingungen, die Umwelt, soziale Absicherung kämpft. Deswegen möchte ich das gerne weitermachen – und habe mich klar dafür entschieden, nochmal anzutreten.

Und wie sieht es bezüglich Ihrer Heimat aus? Welche Themen sind Ihnen 2024 in Leverkusen wichtig?

Das Autobahn-Thema wird uns natürlich weiter beschäftigen. Das ist ja der Dauerbrenner. Auf Bundesebene ist ein Kompromiss der Art „Wir nehmen alle Erweiterungen und Ausbauten von Autobahnen komplett vom Tisch“ extrem schwierig. Da sind wir als Grüne die einzigen, die das fordern. Da würde ich mir mehr Bereitschaft von den anderen Parteien wünschen. Diesbezüglich Hochachtung für meinen Kollegen, Karl Lauterbach, der diese Leverkusener Perspektive seit Jahren einnimmt! Zudem habe ich ein gesellschaftspolitisches Thema auf der Agenda, das mir sehr am Herzen liegt: Es gibt ja die sehr begrüßenswerte Initiative aus Leverkusen, den neuen Verein „Pride am Rhein“, der in diesem Jahr zum ersten Mal in Leverkusen einen CSD organisiert. Ich hoffe da auf eine sehr breite Präsenz der Leverkusen Stadtgesellschaft. Wobei es nicht nur darum geht, einen solchen Umzug zu organisieren. Es geht auch um konkrete Forderungen: So ist es höchste Zeit für einen Jugendtreff für queere Jugendliche in Leverkusen. Das ist das Thema, was ich gerne im Rahmen dieses CSD einbringen möchte.