Gaststätte NorhausenWo man schon vor 150 Jahren in Leverkusen an der Theke stand
Leverkusen – Gäbe es eine Rundfahrt zu den Stätten der schönsten Schankwirtschaften in Leverkusen, sie endete sicher in der Gaststube der Familie Norhausen in Rheindorf. Denn sie ist nicht nur eine besonders schöne und original erhaltene Gaststätte. Sie besteht seit 1872, man feiert in diesem Jahr also das 150. Jubiläum.
Vielmehr würde Hagen Norhausen es feiern, wenn ihm danach wäre. Nur haben Corona und jetzt die steigenden Preise seiner Laune einen Schlag versetzt und die Feier wird vielleicht nachgeholt. Das 140. Jubiläum hat man vor zehn Jahren groß im Saal gefeiert.
Hagen ist der fünfte aus der Familie Norhausen, der die Wirtschaft führt. Seine Vorgänger hießen Christian, Anton, Peter und der in Rheindorf unvergessene Paul, der 2016 gestorben ist. Das Fachwerkhaus an der Felderstraße 17 in Rheindorf steht seit 1983 unter Schutz, die Inneneinrichtung nicht.
Hagen Norhausen selbst legt Wert auf Tradition, besonders auch in der eigenen Schankwirtschaft. Deshalb kann man in der kleinen Kneipe an einer 70 Jahre alten Theke stehen: Die Oberfläche ist aus Resopal, ein bisschen abgescheuert. Die Großmutter ließ sie 1952 bauen; Hagen Norhausen hat sie restaurieren lassen. An dieser Theke haben drei Wirte aus der Norhausen-Abfolge die Nachbarschaft mit Getränken versorgt und die Gäste bei Laune gehalten.
Und ein guter Wirt ist keine Selbstverständlichkeit. Idealerweise hat er auch ein wenig von einem Sozialarbeiter, er muss die Gäste untereinander ins Gespräch bringen und zur Not einschreiten. Besonders die, die alleine kommen. Paul Norhausen sei für sein integrierendes Wesen bekannt gewesen, sagt sein Sohn Hagen. Sein Vater gründete in der Gaststätte 1969 die Karnevalsgesellschaft Rheindorfer Burgknappen, die ihre Sitzungen im atmosphärischen großen Saal von 1903 feiern.
Die erste Satzung soll den Passus enthalten haben, dass die Gesellschaft ausdrücklich auch Spätaussiedlern offensteht. „Da hießen sie woanders noch Pimocke“, sagt Norhausen. Solche Art Herablassungen waren im Hause nicht üblich, auch die Mutter von Hagen Norhausen ist eine aus dem Osten Zugereiste.
Rheindorfer gingen „zum Pützer“
Die über 80-Jährige arbeitet bis heute mit in der Küche. Die alten Rheindorfer sagten, sie gehen zum „Pützer“, das hat nichts mit reinigen zu tun – früher war an der Felderstraße ein Brunnen, ein Pütz, wo zumeist Frauen Wasser schöpften.
Wie es in den ersten Jahrzehnten in der Kneipe zugegangen ist, ist leider nicht aufgezeichnet worden. Wahrscheinlich ist, dass in den Zeiten, als die Kühlung noch schwieriger war, mehr Schnaps und Wein getrunken wurde. Hagen Norhausen: „Wir waren schon sehr früh eine Bierkneipe, bei uns wurden Beckmann-Bräu und Hitdorfer Biere ausgeschenkt.“ Beckmann war eine Marke aus Solingen, aber es wurde nicht nur lokal getrunken. An der Fassade bei Norhausen hängt auch eine Bronzeplatte mit der Aufschrift Göttinger Pilsener. Auch der Saal hat eine bewegte Geschichte: Nach dem Krieg waren darin Flüchtlinge einquartiert, später liefen dort Kinofilme, ein Jahr hatte dort die Sparkasse übergangsweise ihre Rheindorfer Filiale.
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Das Geschäft lief anders, es wurde auch tagsüber mehr getrunken, deshalb hat auch die Gaststätte Norhausen noch einige Buntglasfenster, damit das Tageslicht kein schlechtes Gewissen bei den Trinkenden erzeugt. Wenn früher beim Denso-Chemiewerk gegenüber Mittagspause war, sei die Bude voll gewesen, sagt Norhausen, abends sowieso. Der Rheindorfer Bauer Hackenbroich sei einmal mit einer Kuh am Strick in die Kneipe gekommen und wenn einer vom Ordnungsamt gekommen sei, habe der erstmal einen Schnaps gekippt, erzählt er lachend.
Unklar ist noch, wer die Nachfolge von Norhausen einmal antreten wird, aber das war auch schon zu der Zeit so, als Hagen Norhausen noch ein Teenager war.
Eigentlich schade, dass der sprichwörtliche Platz an der Theke zur Zeit gar nicht so begehrt ist, die Leute wollten im Biergarten sitzen, sagt Norhausen, „aber das ändert sich wieder, wenn es kalt wird.“