War Nell schon gestorben oder wurde das Tier auf einem Leverkusener Pferdehof mit einem Bolzenschussgerät hingerichtet?
Polizei ermitteltIslandpferd stirbt in Leverkusen unter rätselhaften Umständen
Beatrix Boekler-Doepel ist immer noch entsetzt: Am Morgen des 6. Juni, einem Dienstag, rief der Besitzer des Hofes an, auf dem sie ihr Island-Pferd seit Jahren unterstellt: Nell sei tot. Und auf die Frage, wie das passiert sei, habe der Mann vom Pferdehof gesagt, er habe das 23 Jahre alte Tier getötet. Als die Besitzerin im Leverkusener Höhengebiet eintraf, lag ihr geliebtes Pony mit einem Loch im Kopf da. Es stammte von einem Bolzenschussgerät. Fotos zeigen das.
Warum das Tier getötet wurde – Boekler-Doepel weiß es nicht. Allenfalls eine Vermutung gebe es, heißt es am Mittwoch auf Anfrage: Zwei Tage vor dem Vorfall habe eine Tierärztin Nell in Augenschein genommen. Womöglich habe sich das Tier eine Druse zugezogen. Das ist eine Atemwegserkrankung, die – das wissen Pferdehalter – schnell den gesamten Stall in Mitleidenschaft ziehen kann. Sie ist hoch ansteckend. Der Befund sei aber nicht eindeutig gewesen. Vielmehr wollten die Besitzerin und der Betreuer Nell am 6. Juni in eine Tierklinik bringen und eingehend untersuchen lassen, berichtet die Odenthalerin.
Polizei Köln bestätigt Ermittlungen
Stattdessen kam Nell zu Tode. Der Besitzer des Pferdehofs habe Boekler-Doepel vorher nicht Bescheid gesagt, noch nicht einmal versucht, Kontakt aufzunehmen, „Auch einen Tierarzt hat er nicht hinzugezogen“, sagt Jens Jacoby. Der Burscheider Anwalt vertritt die Pferde-Besitzerin. Denn die Sache wurde eine Woche später angezeigt.
Die Kölner Polizei bestätigt auf Anfrage, dass wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz ermittelt werde. In Paragraf 18 heißt es, dass eine Ordnungswidrigkeit begeht, wer vorsätzlich oder fahrlässig „einem Wirbeltier, das er hält, betreut oder zu betreuen hat, ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt“.
Der Hof-Besitzer rudert nach der Anzeige zurück
Verstörend findet die Halterin, dass der Besitzer des Hofes später zurückgerudert ist: Zwei Wochen nach der Tragödie – und eine Woche nach ihrer Anzeige – habe er durch seinen Rechtsanwalt eine völlig andere Darstellung übermitteln lassen: Er habe Nell am Morgen des 6. Juni tot in ihrer Box aufgefunden, das Tier auf den Hof gezogen und „dann – aus welchen Gründen auch immer – mit seinem Bolzenschussgerät noch einmal auf das Pony geschossen“, zitiert Boekler-Doepels Anwalt Jacoby aus der Einlassung des Burscheiders.
Diese stehe somit „in völligem Widerspruch“ zu den Angaben, die der Pferdehof-Besitzer „zuvor selbst im Telefonat mit dem Ehemann unserer Mandantin gemacht hat“. Es gebe außerdem mehrere Zeugen, welche „den zuletzt behaupteten Ablauf eindeutig widerlegen können“. Erhard Pott, Anwalt des Pferdehof-Besitzers, bestreitet im Namen seines Mandanten die wesentlichen Teile der Darstellung: Er habe niemandem gegenüber eingeräumt, Nell getötet zu haben. Das Pferd sei vielmehr in der Box gestorben. Den Gesundheitszustand beschreibt der Pferdehof-Betreiber als „schlecht: So litt das Pferd unter regelmäßigen Koliken und zuletzt unter einem akuten Atemwegsinfekt der oberen Luftwege, dessen Ursache nicht festgestellt werden konnte.“ Es sei aber „zu vermuten, dass diese Erkrankung dann auch zum Tode des Pferdes geführt hat“.
Wahr sei, „dass er mit einem Bolzenschussgerät, welches er als Viehhändler in seinem Fahrzeug hatte, noch einmal auf das Pferd geschossen“ habe, so Pott. Das „war sicherlich falsch“, was der Pferdehof-Betreiber „auch einsieht und bedauert“.
Verendet am Strick hinter der Reithalle
Von der Gegenseite heißt es, der Ehemann habe Nell hinter der Reithalle gefunden, mit Halfter und Strick habe das Pferd auf dem Boden gelegen, berichtet Anwalt Jacoby. Würde die zweite Aussage des Pferdehof-Besitzers stimmen, Nell also schon in der Box gestorben sein, hätte man dann nicht Schleifspuren sehen müssen?
Auch die Ehefrau des Pferdehof-Besitzers habe gegenüber zahlreichen Zeugen eingeräumt, dass ihr Mann „das Pony unserer Mandantin getötet hat“, so Jacobys Darstellung, der von der Gegenseite ebenfalls widersprochen wird. Die zweite Aussage ergebe auch keinen Sinn – Boekler-Doepels Anwalt klassifiziert es als „völlig abenteuerliche Behauptung“, dass jemand „einem bereits toten Pony in den Kopf schießt. Wieso sollte das jemand machen?“
Die eigenen Pferde hätten sich anstecken können
Eine denkbare Erklärung wäre Nells Krankheit, auch wenn sie noch gar nicht eindeutig diagnostiziert, also nur ein Verdacht war: Die Familie des Pferdehof-Besitzers hat dort eigene Tiere im Stall, die auf Turnieren antreten: Fünf von 13 Pferden gehörten der Familie, lässt Beatrix Boekler-Doepel ausrichten. Hätte sich der Verdacht auf eine Ansteckung mit der Druse bestätigt, wären die Tiere unter Quarantäne gestellt worden. „Die laufende Turnier-Saison hätte die Familie damit abhaken können“, ergänzt Anwalt Jacoby.
Gestützt werde diese Mutmaßung auf eine Äußerung, die der Besitzer gegenüber einer anderen Pferdehalterin gemacht haben soll. Danach sei es „besser so“ gewesen: Eine Druse ist keine leichte Krankheit, erst recht nicht für ein 23 Jahre altes Pferd, das die Besitzerin vor einiger Zeit vom Tierschutz übernommen und dem Pferdehof-Besitzer anvertraut hatte. Der rätselhafte Tod von Nell habe eine Vertrauenskrise ausgelöst, ergänzt Beatrix Boekler-Doepel: Zwei Einsteller hätten ihren Vertrag gekündigt und zögen ihre Pferde ab. Wohl aus Angst, dass auch ihren Tieren etwas zustoßen könnte. Die Reaktion des Betreibers: Das sei „ein Versuch der Geschäftsschädigung“. Darüber werde mit Boekler-Doepel noch zu reden sein.