AboAbonnieren

„Ohne Angst vor dummen Sprüchen“DJ organisiert Karnevalsparty in Leverkusen für dicke Jecke

Lesezeit 4 Minuten
Torsten Muntz organisiert eine Karnevalsparty für adipöse Menschen

Torsten Muntz (l., mit Claudia Heinken) organisiert eine Karnevalsparty für adipöse Menschen in Rheindorf.

Ein Langenfelder DJ organisiert die Feier in der Gaststätte Norhausen.

Karneval kann auch zum Spießrutenlauf werden, zum Beispiel, wenn jemand richtig dick ist. Müssen sich adipöse Frauen mit einem selbstgebastelten Bienenkostüm „Du bist aber ein fetter Brummer“ anhören? Diese Situation hat Torsten Muntz während der jecken Zeit schon mal beobachtet. Er selbst war stark übergewichtig – und organisiert jetzt für Samstag, 15. Februar, in Leverkusen eine Karnevalsparty für „Menschen, die etwas mehr an Kilos zu bieten haben“.

Muntz' Geschichte fing vor knapp fünfeinhalb Jahren an: Davor arbeitete der Langenfelder als Reha-Techniker, der Job habe ihn sehr erfüllt, wie er erzählt. Zu dem Zeitpunkt habe sein Gewicht immer um die 100 Kilo betragen, „ich war gut im Training und ausdauernd“. Schließlich gehört zu der Tätigkeit des Reha-Technikers auch mal das Ausliefern von Pflegebetten und Patientenliften, manchmal mehrmals am Tag. „Pro Bett läuft man siebenmal vom Auto in die Wohnung, egal ob Erdgeschoss oder fünfte Etage Altbau“. Doch dann sei er innerhalb eines halben Jahres immer schlapper geworden und habe langsam zugenommen.

Odyssee durch verschiedene Praxen

„Ich tingelte von Arzt zu Arzt und die Standardaussage war erst einmal: Sie sind zu dick, daher sind sie nicht leistungsfähig und müde. Ich wurde also da schon nicht ernst genommen und erhielt den Stempel ,adipös – der frisst zu viel'“, klagt er. Als er irgendwann nicht mehr in der Lage war, ein Sechserpack Wasser fünf Stufen hoch zu tragen, wurde die Schilddrüse untersucht. Es stellte sich heraus, dass sie vergrößert und voller Wucherungen war. Hinzu kam ein gutartiger Tumor im Brustkasten, der natürlich die Atmung erschwerte.

„Soviel erst mal dazu: Sie sind zu dick, essen Sie weniger“, meint Torsten Muntz. „Da die Schilddrüse ja für einen guten Teil unseres Hormonhaushalts zuständig ist, war nun klar, woher die Gewichtszunahme kam.“ Nach mehreren Eingriffen habe sein Hormonhaushalt „komplett verrückt gespielt und war nicht mehr medikamentös einstellbar“. Zusätzlich hatte er Schmerzen, derentwegen er sich wenig bewegte: Innerhalb von anderthalb Jahren kam der mittlerweile 53-Jährige so auf sein Höchstgewicht von knapp 185 Kilogramm.

Die Besuche bei Ärzten brachten nichts, hinzu kamen die Lockdowns in der damaligen Coronazeit, alles war auf Sparflamme, alles nur „Schema F“. Vor knapp anderthalb Jahren wandte sich der Langenfelder „in seiner Verzweiflung“ an das Adipositas-Zentrum im Klinikum Leverkusen. Ab da ging es aufwärts: „Die Leiterin nahm meine Erkrankung sehr ernst“, sagt Muntz erleichtert. Ernährungstherapie und Magenoperation folgten. „Mein Körper war gezwungen, in einen Hormon-Reset zu gehen“, sagt Muntz.

Momentan wiege er 118 Kilogramm, Tendenz langsam weiter fallend. Durch die Gewichtsabnahme sei er wesentlich agiler, könne wieder Fahrrad fahren und sich sportlich betätigen. „Mir wurde praktisch ein Leben 2.0 geschenkt und dafür bin ich sehr dankbar.“ Der Austausch in der Adipositas-Selbsthilfe-Gruppe in Schlebusch habe ihm sehr geholfen, nicht aufzugeben.

Dicke Menschen brauchen ein dickes Fell

Dicke Menschen müssen sich jede Menge Sprüche anhören. Torsten Muntz ist als „DJ Totte“ viel auf Karnevalsveranstaltungen unterwegs. Auf einer sei der Tanzchor auf die Bühne marschiert, der Kommandant habe das Mikrofon bekommen und beim Anmoderieren zu ihm gesagt: Hör‘ ma, du gehst besser runter, die Bühne schwingt sonst zu sehr. „Ich hab' mich dann neben ihn gestellt, ebenfalls mit Mikrofon, und hab dann das Publikum gefragt, ob wir beide nebeneinander nicht so ein bisschen wie Dick & Doof aussehen. Nachdem das von Publikum bejaht wurde, sagte ich dann zum Kommandanten: Ich bin dick, du bist dann wohl doof, der Vorteil, den ich habe: Ich kann abnehmen.“

So versucht er sich zu wehren. „Wenn ich mit dem Gewicht irgendwo öffentlich auftrete, muss ich mit dummen Kommentaren rechnen“, weiß er mittlerweile. Damit müsse er leben, „was aber nicht heißt, dass mich manche Kommentare nicht treffen. Man bekommt halt ein dickes Fell“.

Auf der Party, die er am 15. Februar in Rheindorf veranstaltet, sei jeder willkommen, betont Muntz. Ob dick oder dünn: „Ich will die Möglichkeit schaffen, dass dicke Menschen ohne Angst vor dummen Sprüchen feiern und tanzen gehen können und sich vielleicht auch mal trauen, etwas anzuziehen, was sexy und körperbetont ist. Ohne dumme Blicke zu kassieren.“ Der Langenfelder sei froh, dass die Gaststätte Norhausen ihren historischen Saal zur Verfügung stellt und diese neue Veranstaltung unterstützt. „Sollte diese Party erfolgreich sein, ist geplant, einmal im Quartal eine „Big is beautyFULL-Party“ durchzuführen.“


Selbsthilfegruppe bei Party dabei

Am 15. Februar startet die „Big is beautyFULL-Karnevalsparty“ um 20 Uhr im Norhausen in der Felderstraße in Rheindorf. Karten kosten zwölf Euro und sind über die Webseite von der Gaststätte zu kaufen. DJ Totte wird auch dort auflegen – von Kölscher Musik bis alles von den 70ern, 80ern bis heute. Sängerin Claudia Heinken tritt ebenfalls auf. Die Adipositas Selbsthilfegruppe des Klinikums unterstützt die Veranstaltung und wird im Saal mit Ansprechpartnern präsent sein. (aga)