OP mit RoboterKlinikum Leverkusen setzt bei Kniegelenk-Prothesen auf neue Technologie

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Ein Arzt führt den Arm des Roboters Richtung Operationstisch.

Im Klinikum Leverkusen hilft seit März ein Roboter beim Einsetzen künstlicher Kniegelenke.

Weniger Risiken und Schmerzen – dafür soll die neue OP-Robotik beim Einsatz künstlicher Kniegelenke sorgen. Ein Tag im Operationssaal.

Noch ein letztes dumpfes Hämmern, dann ein kurzes Nicken. „Passt“, sagt Professor Leonard Bastian, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Klinikum Leverkusen, und gibt seinem Team das Zeichen fürs Zunähen des noch offen liegenden Beins. In den zweieinhalb Stunden zuvor haben die Ärztinnen und Ärzte das Kniegelenk einer Patientin durch eine Prothese ersetzt.

So weit, so gewöhnlich der Eingriff, bei dem der Einbau von Metall und Kunststoff die Patientinnen und Patienten von Schmerzen durch Knorpelverschleiß erlösen soll. 

Leonard Bastian, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, steht angelehnt an einem Empfangstresen im Klinikum Leverkusen.

Leonard Bastian, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie.

Neu an diesem Dienstag ist allerdings das Verfahren, mit dem die Operateurinnen und Operateure das Knie und seine angrenzenden Knochen für den Einsatz der Prothese vorbereiten. Wurden künstliche Gelenke bislang händisch – nur mithilfe spezieller Instrumente – implantiert, hilft seit März dieses Jahres ein Roboter bei der Operation.

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Etwa eine Million Euro hat sich das Klinikum die Technik kosten lassen. Völlig innovativ ist das in den USA entwickelte Verfahren allerdings nicht. Auf dem Markt ist das Operationssystem von Mako Smart Robotics bereits seit 18 Jahren und sowohl für Hüft- als auch Kniegelenkprothesen in mehr als 30 Ländern etabliert, rund eine Million Operationen wurden 2022 mit der Technik durchgeführt. In Deutschland ist dieser Roboter-Typ allerdings noch nicht weit verbreitet, zum Einsatz komme er neben Leverkusen hierzulande laut Leonard Bastian an etwa 30 weiteren Standorten, unter anderem in Frechen und Düsseldorf.

Klinikum Leverkusen: Keine Knieprothesen mehr ohne Robotertechnik

Auch der Chefarzt war anfangs skeptisch: „Wir mussten erst einmal gucken: Hat sich das Verfahren bewährt? Funktioniert es am Patienten?“ Geprobt wurde die OP-Technik dafür in Zertifizierungskursen an menschlichen Leichen. „Als ich da die Prothese das erste Mal einsetzte, merkte ich: Das ist jetzt ein ganz anderes Gefühl, wie das im Knie zueinanderpasst“, sagt er. In Leverkusen soll in Zukunft bestenfalls keine Prothese mehr ohne Roboterassistenz eingesetzt werden, so überzeugt ist der Mediziner inzwischen von der Technologie.

Das Verfahren zu erklären, sei dabei gar nicht so einfach, sagt Bastian, während er im OP-Saal zwischen dem Roboter und mehreren Bildschirmen steht. Darauf zu sehen sind der per Computertomografie erstellte 3D-Scan des Knies der Patientin und zusätzlich viele Zahlen und Buchstaben: für Nicht-Mediziner Kauderwelsch, für die Profis wichtige Daten über Achsen sowie Bandspannungen im Bein und Ankerpunkt während der gesamten OP.

Ein Arzt hält eine Knieprothese in der Hand.

Die Prothese besteht aus drei Teilen: Metallene Komponenten ersetzen diebeschädigten Gelenkflächen jeweils an Oberschenkel und Schienbein. Dazwischen wird ein Inlay aus Kunststoff eingesetzt.

Zunächst laufe die Operation wie gewöhnlich ab, erklärt Bastian, bemüht darum, das Prozedere auch für Laien verständlich zu machen: Patientin vorbereiten, desinfizieren, Knie freilegen, so weit verständlich. Dann der große Unterschied zum konservativen Verfahren: Früher sägten die Operateurinnen und Operateure direkt den Oberschenkel- und Schienbeinknochen mithilfe einer eisernen Schablone an, um Platz für die Prothese zu schaffen. „Es war gar nicht so einfach, das Gelenk in der richtigen Höhe, Richtung und Drehung einzusetzen“, sagt der Professor. Studien zufolge seien etwa 15 Prozent der Patientinnen und Patienten unzufrieden mit dem Resultat gewesen.

Für bessere Ergebnisse und präziseres Arbeiten soll das neue Robotersystem sorgen. Denn bevor am Knochen hantiert wird, erfolgt die individuell an die Anatomie des Patienten angepasste Platzierung des neuen Gelenks am Computer, rein virtuell. Mithilfe des 3D-Modells, einer Kamera, optischen Markern sowie Pointern wird ein millimetergenaues Abbild der Knochen auf dem Bildschirm erstellt – wie auf einer Landkarte mit Koordinaten. Damit werde der perfekte Sitz und die optimale Größe der Prothese im Knie modelliert, millimetergenau. Ein bisschen wirkt das wie in einem Science-Fiction-Film.

Neues Verfahren minimiert Risiken und Schmerzen 

Erst dann kommt der Roboter zum Einsatz, ein großes blau-weißes Gerät, an dessen Arm eine zwei Finger breite Säge befestigt ist, die der Operateur nun computergestützt Richtung Knie steuert. Dank der Vorbereitungen wisse der Roboter genau, welche Teile des Knochens abgetragen werden müssen. „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“.  Der Einbau des künstlichen Gelenks erfolge im Anschluss wieder wie üblich. Noch ein Saugen, Bohrgeräusche, Hammerschläge – die Prothese sitzt.

So fortschrittlich sich das Verfahren auch anhören mag, um modernen Hokuspokus handelt es sich dabei nicht. Die Vorteile würden insbesondere die Patientinnen und Patienten spüren, sagt der Chirurg. Und das, obwohl die Operation noch etwas länger dauere als früher. Das präzisere Vorgehen des Roboters minimiere jedoch Operationsrisiken, wie versehentliche Blutgefäß- oder Weichteilverletzungen. „Außerdem erlaubt es uns, die Knochenmasse noch feiner abzutragen, um das Knie für das Ersatzgelenk vorzubereiten.“

Ein Arzt und eine Ärztin stehen am Operationstisch, auf dem eine Patientin liegt. Zwischen ihnen ist der Bohrarm des Roboters zu sehen.

Der Roboter unterstützt das OP-Team, ersetzt es aber nicht.

Und das führe zu den entscheidenden Verbesserungen: Patientinnen und Patienten hätten weniger Schmerzen, benötigten weniger Medikamente und könnten das Krankenhaus früher verlassen. Statt neun Tage seien es nun eher fünf bis sieben Tage, bis sie wieder nach Hause können, sagt Bastian. Außerdem könne das Bein schneller wieder belastet werden.

Davon berichtet auch Hans-Joachim Friedrich in der Veranstaltungsreihe „Dialog Gesundheit“ des Klinikums. Er war einer der ersten, dessen Knie in Leverkusen mithilfe der Robotertechnik ersetzt wurde. Jetzt, drei Wochen später, ist er wieder auf den Beinen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell wieder ins Laufen komme“, sagt der 74-Jährige. Bei ihm zu Hause funktioniere es schon ohne Gehilfen. Vor der Operation habe er an beinahe „unerträglichen Schmerzen“ durch eine ausgeprägte Arthrose und einer „unheimlichen O-Stellung der Beine“ gelitten, sagt er.

Unsere Gelenke sind nicht dafür gemacht, 70 oder 80 Jahre alt zu werden.
Leonard Bastian, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie

Wie ihm und der Patientin im OP-Saal, aus deren Knie noch eine silberfarbene Prothese aus Titan hervorlugt, die nun wieder Stich für Stich mit einer langen Naht vom Oberschenkel bis zum Schienbein zugenäht wird, geht es in Deutschland vielen Menschen. Insbesondere Ältere leiden unter Arthrose. „Unsere Gelenke sind nicht dafür gemacht, 70 oder 80 Jahre alt zu werden“, sagt Bastian. Auch Unfälle oder Verschleiß durch Leistungssport würden den Einsatz von Prothesen hervorrufen.

Rund 200.000 Menschen unterziehen sich in Deutschland deshalb jährlich einer Operation, in Leverkusen waren es bislang um die 100 Patientinnen und Patienten im Jahr – mit dem Roboter werden es aber vermutlich mehr werden, hofft Bastian.

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