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Kriegskochbuch der FarbenfabrikenDas haben die Leverkusener im Ersten Weltkrieg gegessen

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Das Kriegskochbuch der Farbenfabriken 1915 aus dem Stadtarchiv Leverkusen

Das Kriegskochbuch der Farbenfabriken 1915 aus dem Stadtarchiv Leverkusen

Im Ersten Weltkrieg wurde auch in Leverkusen gehungert. Die Farbenfabriken, der Vorgänger von Bayer, hatten damals ein Kriegskochbuch herausgegeben.

Nach all den Feiertagen mit Braten, Plätzchen und Buffet werden die meisten Leverkusener gut gesättigt sein. Dass es so einen Überfluss nicht immer gab, ist eine Binsenweisheit. Wie die Situation vor 110 Jahren im Ersten Weltkrieg war, kann man sich vorstellen, nachdem man sich das „Kriegs-Kochbüchlein für die Werksangehörigen der Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co.“ durchgelesen hat. Herausgegeben wurde es 1915 von der Haushaltsschule der Farbenfabriken in Wiesdorf, aktuell behebergt es das Stadtarchiv Leverkusen. Im Vorwort sind schon Not und Bitterkeit zu erahnen: „Mit den Nahrungsmitteln, welche zurzeit im Lande sind, muss das deutsche Volk auskommen, mehr hat es nicht. Die englische Flotte schneidet uns die Zufuhr von Weizen, Futtergerste, amerikanischem Schmalz und der Ölfrüchte ab; russische Butter kommt nicht mehr nach Deutschland. Auch Reis und besonders Hülsenfrüchte fehlen, um uns zu ernähren, wie es unserem Geschmacke entspricht.“

Dass das Buch Kriegsrhetorik weiterverbreitet, verwundert nicht. Essen war schon immer Teil der kulturellen Identität und bot somit Angriffsfläche für Propaganda. „In den Händen der deutschen Hausfrauen liegt jetzt das künftige Schicksal des Vaterlands. Der klug ersonnene Plan, das ganze deutsche Volk auszuhungern, darf nicht gelingen. Er wird scheitern an der Klugheit der Hausfrauen“, heißt es im Vorwort.

Leverkusen: Tipps, wie man wichtige Lebensmittel wie Eier ersetzt

Das Buch gibt neben Rezepten viele Tipps, wie man fehlende Lebensmittel ersetzt: Butter solle beispielsweise durch Zucker ersetzt werden, und statt Brot müsse die Hausfrau andere Eiweißquellen wie Magermilch und Käse heranziehen. Natürlich rät das Buch, den Fleischverbrauch nach Möglichkeiten einzuschränken und auch die Innereien zu nutzen. Bei den Kartoffeln wird dringend geraten, sie mit Schale zu kochen. „Der Verlust beim hergebrachten Schälen ist zu groß und muss in der Kriegsküche vermieden werden.“

Kriegskochbuch der Farbenfabriken 1915 aus dem Stadtarchiv Leverkusen

Von Pfannkuchen bis Tunke, von Sülze bis Panhas: Das Büchlein enthält Rezepte und Tipps.

Eier, die sehr teuer seien, müssten durch Ersatzpulver ersetzt werden, Ovolin und Lacto-Ei-Pulver nennt das Buch. Beim Gemüse positioniert sich das Buch sehr klar: „In der Kriegsküche spielt das Gemüse eine wichtige Rolle. Hat man schon in Friedenszeiten auf seine hervorragende Bedeutung für die Ernährung hingewiesen, so muss dies im Nahrungskrieg noch viel mehr geschehen.“ Weiter heißt es: „Kein Stück Gartenland darf ungenutzt bleiben.“ Auch Kräuter aus der freien Natur wie Sauerampfer und Löwenzahn werden im Buch bedacht.

Die Rezepte bestehen größtenteils aus Suppen und Eintöpfen und Tunken. Wirsingsuppe, Buttrmilchsuppe, Grünkohl mit Schwarten und Kartoffeln, Möhren mit weißen Bohnen sind eine Auswahl. Es finden sich auch rheinische Rezepte wie Panhas und Labskaus. Dass viele Innereien von Nutztieren auch wichtiger Bestandteil der damaligen Mangelküche waren, sieht man Rezepten wie gedämpfte Leber, Lungenmus, gepökeltes Rinderherz, Schweinsohr mit Erbsensuppe und Kuheuter in Senftunke an. Viele Rezepte beinhalten Hering, von Heringsbutter über Brathering, Fleichklöße und Fleischsalat und Frikandellen (sic!). Auch wie man künstlichen Honig herstellt, beschreibt das Buch. Wer es nachkochen will, braucht Buttermilch, Zucker, Zitronenschale und Wasser.

Auch gehören Aufbewahrungstipps zum Repertoire des Büchleins: Speisen sollen am besten in der Kochkiste warm gehalten werden. Die könne man auch selbst zusammenbauen, mit einer Kiste mit Deckel, an die man zwei Scharniere anbringt, sie mit Holzwolle oder Heu auskleidet und die Kochtöpfe hineinsetzt. Gleiche Funktion erfüllt der Kochbeutel, den man aus zwei Stoffbahnen, die mit mehreren Lagen Zeitungspapier gefüllt wurden, herstellt.

Die Damen der Hausfrauenschule würden mit diesem Büchlein ihre Erfahrungen den Hausfrauen in die Hand geben, heißt es noch im Vorwort, „als eine Waffe in dem Hungerkriege. Mit dem Nachdenken und Wirtschaften muss der Krieg geführt werden.“