Erst werden die Kita-Betreuungszeiten gekürzt, dann der Schulbus eingestellt: Eltern in Pattscheid klagen über familienunfreundliches System.
Kürzungen bei Kita und SchuleEltern in Leverkusen stehen vor„unlösbaren Problemen“
Innerhalb von zwei Wochen haben einige Pattscheider Familien gleich zweimal elektronische Post von der Stadt Leverkusen bekommen. Die eine Mail betrifft die Einschränkungen der Betreuungszeiten der Kita Engelbertstraße aufgrund des Personalmangels. Die andere, die geplante Einstellung des „Schülerspezialverkehrs“ zur Grundschule in Bergisch Neukirchen. „Das stellt uns als Eltern zum Teil vor unlösbare Probleme“, klagt Christin Lülsdorff.
Aber von Anfang an. Seit Jahrzehnten fährt ein Schulbus Kinder aus Pattscheid, Romberg und Linde zur nächstgelegenen Grundschule in Bergisch Neukirchen. „Mein Vater hat den Bus schon genommen und ich als Kind auch“, sagt Kevin Feldbrügge. Seine Tochter, in diesem Jahr eingeschult, allerdings darf den Bus nicht nehmen, weil sie am Ortseingang von Pattscheid wohnt und damit 200 Meter zu nah an der Schule für einen Shuttle. „Aber es ist das gleiche Haus, es hat sich nicht bewegt“, wundert sich Feldbrügge. Die Bushaltestelle des Shuttles kann er aus seinem Schlafzimmer sehen, seine Tochter aber solle den Linienbus zur Schule nehmen.
Die Gleichbehandlung aller Kinder ist ein Argument, das die Stadt in der Begründung anführt, warum der Schulbus ab dem kommenden Schuljahr eingestellt werden soll. Weitere Argumente sind die Kosten von rund 53.000 Euro pro Jahr und die Einführung der Schnellbuslinie SB24, die auf ihrem Weg von Wermelskirchen nach Opladen durch Pattscheid nach Bergisch Neukirchen fährt – also praktisch die gleiche Strecke, wie der Schulbus.
Für die Eltern ist das nicht akzeptabel. Der Sohn von Beate Moiser wird im Sommer kurz nach seinem sechsten Geburtstag eingeschult, sein Bruder wird sogar noch fünf sein, wenn er in die Schule kommt. „Ich sehe die Gefahr, dass die ganz Kleinen in dem großen, vollen Bus untergehen, an ihrer Haltestelle nicht rauskommen oder sie gar nicht erst erkennen“, sagt die Mutter. Schließlich können Erstklässler auch noch keine Haltestellenschilder lesen. Auch die Wupsi weist darauf hin, dass der große Gelenkbus, der auf dieser Strecke unterwegs ist, zwar noch Kapazitäten für 39 weitere Fahrgäste habe, dass er aber so gut ausgelastet sei, dass wohl viele Kinder keinen Sitzplatz mehr bekämen.
Dass alle Kinder, die weiter als zwei Kilometer von ihrer Schule entfernt wohnen, ein von der Stadt finanziertes „Prima-Ticket“ für den ÖPNV zur Verfügung gestellt bekommen, beruhigt die Eltern auch nicht. „Wir sind bereit, für den Shuttelbus zu bezahlen, es erwartet niemand, dass unserer Kinder kostenlos dahin gefahren werden“, sagt Bastian Folkers. Eine Nachfrage bei der Stadt aber hat ergeben: Tickets für den Shuttle zu kaufen sei nicht möglich, auch eine monatliche Beteiligung an den Fahrtkosten nicht.
Sorgen macht den Eltern auch die Verkehrssituation an der viel und schnell befahrenen Burscheider Straße, die die Kinder zumindest für den Rückweg gleich zweimal überqueren müssten. „Natürlich gibt es da eine Ampel, aber wenn eine Gruppe von Kindern den Bus kommen sieht, wollen sie vielleicht doch schnell quer über die Straße laufen“, fürchtet Lülsdorf. Zumal Linksabbieger aus der Wuppertalstraße auch bei grüner Fußgängerampel fahren dürfen.
Die Kinder den rund zwei Kilometer langen Schulweg entlang der Schnellstraße laufen zu lassen, ist vor allem in der dunklen Jahreszeit auch keine Option. Bleibt nur: das Elterntaxi. Das eigentlich alle vermeiden und einige auch gar nicht leisten können. Lülsdorf etwa muss als Lehrerin zur gleichen Zeit in ihrer Schule sein, wie die Tochter in deren – allerdings handelt es sich um unterschiedliche Schulen. „Und ich kann nicht das eine Kind pünktlich in der Schule abgeben und das andere zu verkürzten Zeiten in der Kita“, sagt Bastian Folkers.
Womit wir beim zweiten Thema wären. Die Kita in der Engelbertstraße in Pattscheid ist eine von sechs städtischen Kitas, die jüngst wegen Personalmangels die Betreuungszeiten dauerhaft gekürzt haben. Für Kinder mit einem Vollzeitvertrag schließt die Kita nun um 15:45 statt um 16.30 Uhr. Eltern, die einen Vertrag über eine 35-Stunden-Betreuung haben, müssen sich festlegen, ob sie am Morgen oder am Nachmittag eine halbe Stunde abgeben wollen.
„Das ist ein Beschluss mit der Gießkanne“, klagt Bastian Folkers. Seiner Meinung nach gibt es in der Einrichtung keinen eklatanten Personalmangel. So sieht das auch Christin Lülsdorf, die Elternvertreterin in der Kita ist: „Es ist eine Stelle unbesetzt, aber das schon seit langer Zeit.“ Dem widerspricht Michael Küppers, Leiter des Fachbereichs Kinder und Jugend: „Wir machen diese Kürzungen ja nicht aus Jux und Dollerei. Wenn der Betreuungsschlüssel auf Dauer nicht eingehalten werden kann, müssen wir leider Maßnahmen ergreifen.“ Das sei hier der Fall und die Maßnahmen mit der Kita abgesprochen, um sie so erträglich wie möglich zu halten.
Enttäuschte Erzieher
Die Eltern mit den 35-Stunden-Plätzen dagegen haben das Gefühl, dass sie um der Gerechtigkeit willen Betreuungszeit abgeben, ohne dass das jemandem nütze. „Wenn ich um zehn vor acht vor der Tür stehe, darf mein Kind erst um acht die Kita betreten, obwohl alle Erzieherinnen bereits drin sind“, erzählt Folkers. Es sei nicht so, dass um acht Uhr eine weitere Kraft eintreffen würde, die dann die Kinder übernehme. „Da hat ein Computer ausgerechnet, wie viele Stunden gespart werden müssen, ohne, dass man sich mal die Realität angeschaut hat“, sagt Folkers. Das kann Küppers nicht bestätigen, da das Konzept mit der Kita abgestimmt sei, in anderen Einrichtungen hätten die Eltern nicht die Möglichkeit, zwischen der Reduzierung am Morgen oder am Nachmittag zu wählen.
Alles in allem stellen die Pattscheider Eltern fest: „Das System ist alles andere als familienfreundlich.“ Am Ende sind es wieder die Eltern, die gekürzte Leistungen auffangen müssen. Zulasten ihrer eigenen Berufstätigkeit.
Politischer Beschluss im Bezirk II
Die CDU-Fraktion hatte in der Bezirksvertretung II einen Antrag auf die Tagesordnung setzen lassen, der sich für den Erhalt des Schulbustranfers einsetzt. Nach dem Motto „Kurze Beine – kurze Wege“.
Matthias Itzwerth begründete den Antrag damit, dass der Bus völlig überfüllt sei. Erstrecht, wenn die älteren Schülerinnen und Schüler zustiege. Er kommentierte auch die Kommunikation der Stadt: „Das hätte man besser vorbereiten können.“ Der Antrag bekam Unterstützung von allen Fraktionen außer von Opladen Plus. „Das kann man den Kindern nicht zumuten“, befand Stefan Pausch von den Grünen.