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„Eine große Herausforderung“In Leverkusen kommt der Wahlkampf langsam ins Rollen

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann verteilt Flyer in einer Fußgängerzone.

Niklas Baumbach ist neu bei den Grünen und engagiert sich das erste Mal im Wahlkampf.

In der Wiesdorfer Fußgängerzone waren am vergangenen Samstagvormittag nur Bündnis 90/Die Grünen und die SPD mit einem Stand vertreten.

Die Temperaturen liegen an diesem Samstagvormittag um den Gefrierpunkt. Es ist Bundestagswahlkampf und die SPD sowie Bündnis 90/Die Grünen haben am Wiesdorfer Platz einen Stand aufgebaut, um auf Stimmenfang zu gehen. Die Stimmung ist zwar nicht eisig, aber die meisten Leute winken ab und gehen weiter, als sie angesprochen werden. Klemens Büsch, Vorstandsmitglied bei den Leverkusener Grünen, ist erfahrener Wahlkämpfer und kennt das schon. Dennoch sei es auch für ihn ungewohnt, in dieser Jahreszeit die Werbetrommel zu rühren.

Wahlkämpfer verteilen Flyer in einer Fußgängerzone.

Die Wahlkämpfer der Leverkusener Grünen waren bereits letzte Woche mit einem Wahlkampfstand am Wiesdorfer Platz im Einsatz.

„Nicht nur, weil wir uns hier die Füße abfrieren, sondern auch, weil wir größtenteils im Dunkeln bei den Leuten klingeln müssen, um auf unsere Themen aufmerksam zu machen“, führt Büsch aus. Haustürwahlkampf sei immer noch eine der effektivsten Methoden. Seiner Erfahrung nach schätzen viele Bürgerinnen und Bürger die Bemühungen um ein persönliches Gespräch. „Eine gelungenen Eins-zu-eins-Begegnung kann da viel bewirken und Vorurteile abbauen“, so der in Opladen lebende Lehrer.

Autobahnausbau treibt Leverkusener um

Das sieht auch Kevin Schreiber aus Lützenkirchen so, der in die Wiesdorfer Fußgängerzone gekommen ist, um mit den „Wahlkämpfern zu sprechen“. Zwar informiere er sich auch über die sozialen Medien, aber ihm sei es wichtig, die für ihn relevanten politischen Themen im direkten Austausch zu diskutieren. Soziales und Verkehr habe da Priorität. „Ich bin gegen die Verbreiterung der Stelze und für den Tunnel“, stellt er klar.

Zwei Männer unterhalten sich in einer Fußgängerzone.

Kevin Schreiber (rechts im Bild) kommt mit SPD-Mitglied Oliwer Bramorski ins Gespräch.

Eine Haltung, die viele Leverkusenerinnen und Leverkusener zu teilen scheinen: „Autobahnausbau hören wir oft“, bestätigt Max Haacke, SPD-Bezirksvertreter für Wiesdorf, Manfort, Rheindorf und Hitdorf. Er und seine beiden Mitstreiter Darius Ganjani und Oliwer Bramorski sind für diesen Bundestagswahlkampf das erste Mal mit einem Stand am Wiesdorfer Platz. Die Kampagne sei wegen der kurzen Fristen ausnahmsweise zentral vom „Willy-Brandt-Haus“ gesteuert worden. „Normalerweise hat man ja viel mehr Vorlauf“, ordnet Haacke ein.

Leverkusener Wahlkämpfer teilweise angefeindet

Plakate drucken und verteilen, Wahlkämpfer rekrutieren, Programme schreiben, das alles sei eine große Herausforderung gewesen, betonen Grüne und Sozialdemokraten unisono. Karl Lauterbach, der später aus Schlebusch eintrifft, geht sogar noch einen Schritt weiter: „Ich sage das ganz offen: Hätten wir hier in Leverkusen nicht so viel Erfahrung mit Wahlkämpfen, wäre das so schnell nicht möglich gewesen.“ In den Gesprächen, die er mit den Menschen führe, komme „sehr viel Kritik an der Ampel“ zum Ausdruck, so Lauterbach. „Zu viel Streit“, sei eine häufig geäußerte Beschwerde.

Zwei Männer unterhalten sich in einer Fußgängerzone.

Wahlkreiskandidat Karl Lauterbach im Gespräch mit dem Leverkusener SPD-Vorsitzenden Darius Ganjani.

Dass es nicht immer bei sachlicher Kritik bleibt und der Wahlkampf manchmal auch unangenehm sein kann, hat Niklas Baumbach hautnah miterlebt. Er ist noch nicht lange Grünen-Mitglied und engagiert sich erstmals beim Werben um Stimmen. „Teilweise schlägt einem schon Feindseligkeit entgegen“, räumt Baumbach ein. So schlimm wie beispielsweise in Sachsen, wo Helfer beim Aufhängen von Wahlplakaten körperlich angegriffen wurden, sei es aber bisher glücklicherweise noch nicht gewesen.

Leverkusener bei Wahlentscheidung noch unschlüssig

„Eigentlich war es ganz witzig, zu dritt unterwegs zu sein“, erinnert sich Baumbach, der in Lützenkirchen lebt. Nur einmal habe ein Autofahrer „demonstrativ den Kopf geschüttelt“, als sie dabei gewesen seien, an einer Ampel ein Plakat aufzuhängen. Da sei es dann auch schwierig, argumentativ durchzukommen und zum Beispiel zu erklären, warum eine Wärmepumpe eigentlich nur Vorteile habe, so der Wahlkämpfer. Nicht zuletzt die Tatsache, dass er sei seit zwei Wochen Vater sei, habe ihn darin bestärkt, sich politisch einzubringen.

Die Kriege machen uns wahnsinnig
Ein Bürger aus Bürrrig, der seine Entscheidung bei der Wahl von der Außenpolitik abhängig macht

Das betreffe natürlich das Thema Klimaschutz, aber auch Dinge wie den Ausbau der Kindertagesbetreuung, konkretisiert Baumbach. Im Gegensatz zu dem Neuling bei den Grünen haben viele Leverkusenerinnen und Leverkusener ihre Wahlentscheidung noch nicht getroffen: Er wolle seine Entscheidung davon abhängig machen, wer ihn außenpolitisch am meisten überzeuge, sagt ein Herr aus Bürrig, der nicht mit Namen genannt werden möchte. Das betreffe vor allem die vielen militärischen Konflikte, die es zu beenden gelte. „Die Kriege machen uns wahnsinnig“, fügt er hinzu.

Auch Kevin Schreiber ist noch unschlüssig. Er tendiere zwar zur SPD, wünsche sich aber allgemein viele gemäßigte Kräfte im Bundestag. Nicht zuletzt deswegen habe er sich auch an der Unterschriftensammlung von Volt beteiligt. „Damit die überhaupt zur Wahl zugelassen werden“, erklärt er. Bis dahin sind es noch gut fünf Wochen. Es bleibt abzuwarten, welche Partei es schafft, am erfolgreichsten um die Gunst des Wählers zu werben. An den größtenteils ehrenamtlichen Wahlkämpfenden hat es jedenfalls nicht gelegen.