Das Lager von Gierlichs steht im Prinzip, trotzdem gibt es eine Klage eines Umweltverbands.
QuettingenNachbarn klagen gegen das Industrielager in Leverkusener Wohngebiet
Wie soll man damit umgehen, wenn die Firma ihre Kapazität groß erweitert: Seit 1903 gibt es das Wellpappenwerk Gierlichs in Quettingen, erst viel später wuchsen um die Firma herum Wohngebiete. Die Ansichten darüber stehen sich vollkommen entgegengesetzt gegenüber: Die Nachbarn befürchten das Schlimmste, Gierlichs hatte 2022 gesagt, die Firma solle für die nächsten 25 Jahre gesichert werden.
Der bisherige Sieger im Kampf ist die Firma Gierlichs, denn sie bekam stets Schützenhilfe von der Leverkusener Bauverwaltung und hatte die Ratspolitik fast einstimmig auf ihrer Seite, die verabschiedete 2022 einen maßgeschneiderten Bebauungsplan. Gegen den B-Plan haben die Nachbarn mithilfe der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt NRW (LNU) jetzt Klage vorm Verwaltungsgericht erhoben.
Eine Bürgerinitiative (Bürger für ein l(i)ebenswertes Quettingen) steht zwar hinter dem Protest und der Klage gegen das Lager, klageberechtigt sind aber nur Verbände, wie die LNU; den Kontakt hatte der Ratspolitiker Benedikt Rees vermittelt, der im Rat als einziger gegen den Bebauungsplan gestimmt hatte.
Eigentlich ist es zu spät, inzwischen steht das Hochregallager, in Betrieb ist es aber noch nicht. Lastwagen und Monteure fahren ein und aus, aber die Außenanlagen sind erst zum Teil fertig. Je nachdem, von welcher Seite man sich der Baustelle nähert, wirkt der Kubus – 20 Meter hoch, 70 lang und 30 breit, mit Versandbereich und zusätzlichen Laderampen – neben den dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern ziemlich massiv. Auf der Vorderseite an der Maurinusstraße steht ein großer rostfreier Stahltank für die Sprinkleranlage. Baubeginn soll vor etwa einem Jahr gewesen sein.
Nachbarn und Mitglieder der Quettinger Initiative haben sich am Montag gegenüber der Baustelle auf der Maurinusstraße versammelt, um über ihre Klage zu informieren. Viele von ihnen sind aufgebracht, denn im bisherigen Verfahren seien ihre Einwände im Grunde nicht beachtet worden, heißt es in der Runde. „Eine graue Terrorwand ist das“, sagt der Anwohner Manfred Graumann. Der 80-Jährige liegt mit seinem Grundstück nahe an der Rückseite der Gierlichs Erweiterungsfläche.
Ihn stört besonders, dass die Belange der Bürger nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Sein geringster Vorwurf an das Amt lautet: „Die Firma hat Narrenfreiheit bei der Stadt.“ Das Argument der Arbeitsplätze lässt er nicht gelten; er fragt, wie viele Arbeitsplätze ein so automatisiertes Pappe-Lager denn bringe. Die Hitze im Viertel, die wegen der Versiegelung der Grünfläche vermutlich noch steigt, spüren am Montag beim Termin im Schatten aus dem Bürgersteig alle deutlich.
Hoffnung für die Anwohner?
Benedikt Rees erläutert die vier Punkte, mit denen man hofft, noch ins Verfahren eingreifen zu können:
- Die Entwässerung. Regenwasser von der versiegelten Fläche soll Gierlichs laut B-Plan auf dem eigenen Grundstück versickern. Es sei nicht ausreichend nachgewiesen, dass das auf dem abschüssigen Grundstück funktioniere.
- Der Brandschutz soll nicht ausreichend sein.
- Die Verschattung der Nachbarschaft wurde nicht ausreichend bewertet.
- Fehlender Lärmschutz und die Verkehrsbelastung
Der Kartonagenhersteller Gierlichs ist ein altes Unternehmen, einige Häuser aber auch: „Unser Haus haben die Vorfahren 1914 gebaut“, sagt Margret Becker, da sei die Firma noch winzig gewesen. „Jetzt blasen sie die Abluft so in Richtung Schulhof raus, dass wir den Lärm abbekommen und dann sagen sie nur, dass wir bis 65 Dezibel aushalten müssen.“
Vor allem Lärm in der Nacht und schmutzige Luft durch die über 80 Lkw, die bei Gierlichs täglich ein- und ausfahren, regt die Leute auf. Die sollen tagsüber über die Lützenkirchener Straße fahren. „Das klappt nicht“, sagt Petra Hoffmann. Das zeigt sich auch am Montag beim Treffen der Nachbarn. Das Verkehrskonzept soll jetzt schon nicht funktionieren, obwohl die Halle noch nicht in Betrieb sei. Um vier Uhr nachts, berichtet eine Nachbarin, werde der grüne Gierlichs-Lkw angelassen, Tore geöffnet und geschlossen, die ganze Zeit laufe der Dieselmotor. Sie fürchtet sich, ihren Namen zu nennen.
Zu einem frühzeitigen Gespräch zwischen der Firma und den jetzt klagenden Nachbarn aus Quettingen ist es nie gekommen. Vor Gericht werden auch wieder nur die Juristen miteinander sprechen. Nicht nur die Gegner haben einen engagiert, auf der Gegenseite haben die Stadt und Gierlichs je eine Kanzlei beauftragt.