Ingeborg Schulze erzählt aus ihrem langen und ereignisreichen Leben.
Leverkusenerin feiert besonderen GeburtstagEin ganzes Jahrhundert in Opladen gelebt
Wie viele Menschen in Leverkusen haben mit eigenen Augen gesehen wie Bayer 04 in der Saison 2001/2002 in drei verschiedenen Turnieren den zweiten Platz belegte? Und wie viele waren schon live dabei, als Opladen, Bergisch-Neukirchen und Hitdorf 1975 Teil der Stadt wurden? Für beide Ereignisse werden sich sicher etliche Zeitzeuginnen und Zeitzeugen finden.
Auch Ingeborg Schulze hat das alles erlebt. Ihre jüngsten Erinnerungen reichen aber noch sehr viel weiter zurück. Bis zu der Zeit, als die Stadt Leverkusen noch gar nicht existierte. Denn die Opladenerin ist vor 100 Jahren zur Welt gekommen: Am 29. Oktober 1923. Dieses Wochenende steht also ein ganz besonderer runder Geburtstag für sie an.
Bei so einem langen Leben ist es kein Wunder, dass sie auf die Frage, ob sie etwas aus ihrem Leben erzählen kann, erst einmal mit einer Gegenfrage antwortet: „Wie viel Zeit haben sie denn?“
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Kindheit und Jugend
Dass Schulze in der Stadt geboren wurde, in der sie bis heute wohnt und sich so rechtmäßig als „Uropladenerin“ bezeichnen kann, war reiner Zufall. Denn ihre Eltern stammten aus Hannover und lernten sich dort auch kennen. Ein Jobangebot zog die Mutter, die schon früh arbeiten musste, ins ferne Wuppertal. Hier arbeitete sie als Dienstmädchen im Hause eines wohlhabenden Herrn.
Als dieser schließlich 1913 nach Opladen versetzt wurde und seine Familie mitnahm, ging auch Schulzes Mutter mit. Als der Vater von seinem Dienst im Ersten Weltkrieg zurückkehrte, ließ auch er sich in Opladen nieder. Die beiden heirateten 1919 und zogen in ein Häuschen auf dem Grundstück des Herrenhauses.
Hier kam Schulze 1923 als zweites von drei Kindern zur Welt und verbrachte die ersten Jahre ihres Lebens: „Ich war sechs Jahre lang auf der Volksschule. Später habe ich noch vier Jahre das Städtische Mädchenlyzeum besucht.“
Nationalsozialismus und Krieg
Ihr Vater arbeitete in dieser Zeit in der Buchhaltung von Bayer: Damals war das so, wenn dein Vater bei Bayer arbeitet, geht meistens auch ein Kind dorthin. In der Familie Schulze fiel dieses Los der jungen Ingeborg zu. Aus ihrem ursprünglichen Wunsch, Lehrerin zu werden, wurde nichts. Dafür reichte das Geld des Vaters nicht aus.
Im April 1941 fing Schulze dann bei Bayer an. In der Beschaffungszentrale. In Kriegszeiten war es keine einfache Aufgabe, die notwendigen Materialien zu besorgen, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Mehrfach gab es Luftangriffe auf das Werk.
Weil die Verbindung zu Außenstellen teilweise kaum aufrechtzuhalten war, versetzte Bayer Schulze und einige Kolleginnen und Kollegen zuerst nach Frankfurt-Höchst und dann schließlich nach Marburg. Hier erlebte Schulze auch das Ende des Krieges.
An die Nazi-Zeit erinnert sie sich kaum. Doch die Aufmärsche der uniformierten SA-Männer durch die Stadt sind ihr im Gedächtnis geblieben. Genauso wie die Attacken auf jüdische Geschäfte und die Synagoge. „Wir hatten einen guten Metzger hier, der war irgendwann einfach weg.“ Es ging das Gerücht rum, er sei „abgeholt“ worden. Mehr bekam man nicht heraus und so genau wollte es auch niemand wissen.
Nachkriegszeit
Erst 1948 kehrte Schulze von Marburg nach Opladen zurück. Die Stadt hatte sich verändert. Manche Gebäude waren von Bomben zerstört worden. Viele Flüchtlinge versuchten, irgendwo unterzukommen.
Ab nun arbeitete Schulze für den Foto- und Filmhersteller Agfa. Genauer gesagt in der Werbeabteilung, die sie mit aufbaute. Hier blieb sie mit Erfolg bis zum Ende ihres Arbeitslebens und ihrem Renteneintritt 1983. 42 volle Arbeitsjahre hatte sie da hinter sich.
Verheiratet war sie dabei nie: „Ich hatte genug Verehrer, aber die wurden alle Soldaten und sind gefallen oder als vermisst gemeldet worden. Später haben mich verheiratete Männer umworben, aber das kam für mich nicht in Frage.“
Stattdessen fuhr sie lieber mit Freundinnen ins Grüne. Zusammen mit dem Wandern war das Autofahren ihre große Leidenschaft. Auch nach Österreich gelangte sie so.
40 Jahre lang Rentnerin
Mittlerweile ist Schulze fast genauso lange in Rente, wie sie gearbeitet hat. Für ihr Alter geht es ihr gesundheitlich noch ziemlich gut. Erst seit etwa fünf Jahren wohnt sie im Haus Upladin, einer Einrichtung für Seniorinnen und Senioren.
Einige Freundinnen aus alten Tag hat sie noch, doch sonst ist es ein einsames Leben: „Verwandte habe ich keine mehr.“ Ihre Eltern hatten das Glück, in ihren Armen zu sterben, sagt sie.
Umso schöner fand sie es, dass sich während der Pandemie aus dem Projekt einer Schule heraus eine Brieffreundschaft zu einem Opladener Schüler entwickelt hat. Zusammen mit seiner Familie wird er auch dabei sein, wenn Schulze am 29. Oktober ihren Geburtstag mit einem Kaffeekränzchen begeht.
Auf die Frage, warum ihr so ein langes Leben vergönnt war, antwortet sie prompt: „Ich hab da nix dazugetan. Das war Gottes Wille. Und wie Gott es bestimmt, so wird es weiterlaufen.“
In diesem Sinne wünschen wir Ingeborg Schulze einen gesegnete Geburtstagsfeier und viele weitere erfüllte Lebensjahre.