Im „Notenschlüssel“ in Wiesdorf feierte die evangelische Gemeinde der Christuskirche ihren Aschermittwochsgottesdienst.
„Notenschlüssel“Leverkusener Pfarrer predigt vom Barhocker statt von der Kanzel

Anstatt von der Kanzel predigte Pfarrer Siegfried Eckert am Mittwoch vom Barhocker.
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Das Szenario des evangelischen Gottesdienstes am Mittwochabend hat Ähnlichkeit mit dem letzten Abendmahl: Man trifft sich noch ein letztes Mal, isst und trinkt gemeinsam, feiert und tauscht sich aus. Auch wenn Aschermittwoch und nicht Gründonnerstag ist, auch wenn es anstatt von Wein und Brot, Bier und Pommes gibt und anstelle von Jesus Christus Pfarrer Siegfried Eckert predigt.
Eckert lehnt lässig an einem Barhocker. Er trägt – wie auch sonst im Gottesdienst – sein schwarzes Gewand. Eine violette Stola darüber weist auf die Passionszeit hin, die im Christentum mit dem Aschermittwoch beginnt. Kirchenglocken ertönen über eine Lautsprecheranlage in der Kneipe. Anstelle von Orgelmusik laufen Musikvideos von Karnevalsliedern über Bildschirme: der „Stammbaum“ der Bläck Fööss, Querbeats „Nie mehr Fastelovend“. Ein letztes Mal für diese Session singt die Gemeinde die kölschen Lieder mit, schunkelt und klatscht.
„So bekloppt muss man sein, ne?“, beginnt Siegfried Eckert den Gottesdienst in dem etwas anderen Gemeinderaum, ehe er eröffnet, dass Jesu Kritiker diesen zu seiner Zeit auch als „Fresser und Säufer“ betitelt hätten. „Ich glaube, unser Herr ist gerne heute hier“, sagt er deswegen. Es sei ein „Trotzdem-Gottesdienst“, Gottesdienst feiern trotz der „populistischen und oberflächlichen Zeiten“.

Die Gemeinde freute sich über die neue Gottesdienstform.
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Die Idee für den Kneipengottesdienst stammt von Gerhard Zech, dem Inhaber des Irish Pub „Notenschlüssel“. Zech macht seit 30 Jahren mindestens einmal im Jahr Urlaub in Irland. In den irischen Dörfern auf dem Land finde der Sonntagsgottesdienst oftmals im Pub statt, berichtet er. Er sei von dem Konzept begeistert gewesen und habe das auch in seinem Pub umsetzen wollen, denn „das fördert die Gemeinschaft ganz anders“, sagt er.
Kurzerhand sprach er Pfarrer Siegfried Eckert an, der den Kneipengottesdienst gerne ausprobieren wollte. „Meine ganze pastorale Existenz besteht daraus, offen zu sein, für Zufälle und dann legt er den Ball auf elf Meter, ich wäre doch doof gewesen, den nicht zu verwandeln“, findet er. Außerdem würde diese Gottesdienstform durchaus zum Christentum passen. „Jesus war wirklich jemand, der das Leben gefeiert hat und für mich ist Jesus da Vorbild: Dass er zu den Leuten, auf die Leute zu ging“, so Eckert.
Gottesdienst braucht keine Kirchenmauern.
Das gefällt wohl auch den Kneipengängern an diesem Aschermittwoch, schließlich positioniert sich die Kirche mit diesem Gottesdienst dort, wo Christus sie haben wollte: in die Mitte der Menschen. Drei Stammgäste im Notenschlüssel sind überzeugt, dass Kirche durch eine solche Form auch attraktiver für jüngere Menschen werden könnte. „Wir finden es gut, wenn eine Kirchengemeinde nach draußen in die Welt geht“, sagen sie und: „Gottesdienst braucht keine Kirchenmauern.“
Und trotz der lockeren Atmosphäre kann wohl ein Gottesdienst in diesem Ambiente emotional bewegen und eine gewisse Ernsthaftigkeit mit sich bringen. Eine Dame aus der Gemeinde kommt nachher auf Pfarrer Eckert zu: „Die Idee war super“, sagt sie mit Tränen in den Augen, seine Predigt über Trauer und Kraft, Alleinsein und Gemeinschaft habe sie berührt.
Und so wirkt der Abend gelungen für alle: Kneipengänger, Gemeinde, Inhaber und Pfarrer. Letzterer kann sich vorstellen, noch einmal in der Kneipe einen Gottesdienst zu feiern – an welchem Feiertag auch immer. Der Aschermittwoch habe gut gepasst, schließlich markiere er das Ende des Karnevals, den die Jecken oftmals in Kneipen feiern. Theologisch steht der Aschermittwoch für den Beginn der Fastenzeit. „In der evangelischen Kirche beginnt nun die Zeit bis zum Kreuz, eine besonders wichtige Zeit, denn die Evangelische Kirche ist Kirche des Kreuzes“, erklärt Pfarrer Eckert.
Ob er sich auch ein Osterfest bei Bier und Schunkeln vorstellen kann, lässt er offen, macht aber deutlich: „Ich finde den Kneipengottesdienst sehr charmant und möchte es nächstes Jahr wiederholen.“