Ein Leverkusener Rohr- und Kanalreinigungsbetrieb sieht sich mit vielen Klischees konfrontiert, die potenzielle Auszubildende gegenüber dem Beruf haben.
Rohr- und Kanalservice aus LeverkusenWie ein Auszubildender und sein Chef mit Klischees aufräumen wollen
Wenn es nach Lothar Thome geht, ist die Kanalreinigung einer der ältesten Berufe der Welt. „Schon 4500 vor Christus hatten die Babylonier Entwässerungssysteme, mit denen sie Krankheiten aus Städten raushalten konnten“, sagt der Meister für Rohr-, Kanal- und Industrieservice, kurz RKI. Demnach dauerte es dann rund 6500 Jahre, bis seine Tätigkeit 2009 in Deutschland ein Ausbildungsberuf wurde.
Die Menschen wurden mehr, Wasser wird gespart, die Rohre und Kanäle wurden kleiner und sind heute in den seltensten Fällen begehbar, daher ist RKI-Service inzwischen ein hochtechnisierter Beruf. „Ich denke mir immer: Wer gerne Playstation spielt, ist bei uns richtig aufgehoben. Wir fahren ja mit einer Kamera durch und sanieren die Rohre mit Robotern. Den größten Teil stehen wir da tatsächlich vor dem Bildschirm, haben zwei Joysticks in der Hand und steuern Maschinen“, ist Thomes Beschreibung.
Der RKI-Meister ist Ausbildungsleiter bei der Grubenblitz GmbH in der Fixheide, die eine Tochterfirma der Drekopf GmbH mit Sitz in Krefeld ist. Bei Grubenblitz arbeiten derzeit zwei Auszubildende – Thome hätte gerne mehr. Einer von ihnen ist Boumadiane Ousrout, der gerade sein zweites Lehrjahr zum Kaufmann für Büromanagement beginnt.
„Grubenblitz kannte ich noch gar nicht, als ich mich beworben habe. Von Kanalreinigung habe ich nur das Bild von einem Rohr und einem Gullideckel gehabt. Das Unternehmen hat mir dann erst mal erklärt, was ein Entsorgungsbetrieb überhaupt ist“, sagt der 21-jährige. Obwohl er in der Verwaltung ausgebildet wird, sei es Thome wichtig gewesen, dass Ousrout auch den praktischen Bezug hat und „auch mal den Blaumann anzieht.“
Das half Ousrout dann auch dabei, Stereotype in der Berufsschule aufzubrechen. „Ich bin in meiner Klasse der Einzige aus einem handwerklichen Betrieb. Die anderen dachten immer, RKI hat mehr mit Pömpel und Toiletten putzen zu tun. Das fand ich sehr schade, weil der Beruf viel mehr bietet. Nachdem ich dann einige unserer Geräte erklärt und gezeigt habe, waren dann doch einige überrascht“, erinnert sich Ousrout.
Der 21-jährige kam nach seinem Fachabitur über mehrere handwerkliche Praktika zu Grubenblitz. Praktika, so Thome, seien besonders wichtig, um den Beruf wirklich zu begreifen. „Wir gehen auch in Schulen und auf Ausbildungsmessen, um mit Klischees in unserem Beruf aufzuräumen“, sagt er. Die Zeit und Mühe, die er in Ausbildungsmessen gesteckt habe, sei es allerdings nicht wert gewesen. Keiner der heutigen Azubis sei über eine Messe angeworben worden.
Leverkusen: Hälfte aller RKI-Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt
Die Agentur für Arbeit verzeichnete im vergangenen Juli im Kreis Leverkusen 20 Ausbildungsstellen im RKI-Bereich, von denen die Hälfte besetzt werden konnte. Alle zehn Bewerberinnen und Bewerber fanden demnach eine Stelle. Insgesamt verzeichnete die Agentur für Arbeit in Leverkusen im Juli 3542 Berufsausbildungsstellen.
„Es wird immer nur viel vom Facharbeitermangel geredet, aber die Ausbildung an sich ist einfach ein größeres Projekt geworden“, sagt Thome. Der Ausbilder habe demnach einen Erziehungsauftrag, der heute „wichtiger denn je“ sei. Boumadiane Ousrout fühlte sich in seinen letzten Schuljahren „noch ziemlich unorientiert“, wie es danach weitergehen soll. „Da hätte ich mir von der Schule mehr Unterstützung gewünscht. Dass wir Pflichtpraktika bei Betrieben machen, die auch zu unseren Fähigkeiten passen und mehr über Möglichkeiten aufgeklärt werden.“
Manche Bewerber, so Thome, „haben schon Probleme bei einfachsten handwerklichen Arbeiten. Und aus denen müssen wir dann in drei Jahren selbstverantwortliche Facharbeiter machen. Das ist eine Riesen-Aufgabe und da kann ich jeden kleineren Handwerksbetrieb verstehen, der nicht mehr ausbilden will, weil das viele Ressourcen braucht.“
Bei Grubenblitz scheint jedoch das Arbeitsklima zu stimmen. Lothar Thome setzt sich stark für eine „positive Fehlerkultur“,Weiterbildungen und eine geschlechterneutrale Berufs- und Studienwahl ein. Ab 2024 soll das Ausbildungsbild des Berufs zudem überarbeitet werden und den Dualen Studiengang „Umweltingenieurswissenschaften“ anbieten. Die Branche will damit unter anderem dazu beitragen, die Klischees dieses 6500 Jahre alten Beruf ein für alle Mal beiseite zu legen.
Interessierte können sich per Mail melden: lothar.thome@grubenblitz.de