Vor sechs Tagen fuhr Ilias Emmanuil von Leverkusen nach Berlin. Seitdem ist er dort im Hungerstreik – ein Kampf für mehr Inklusion.
„Bis ich ohnmächtig werde“Leverkusener ist seit Tagen vor Bahn-Zentrale im Hungerstreik
Ilias Emmanuil ist leidenschaftlicher Tischtennisspieler: „Das gibt mir wirklich Erfüllung. Ich fühle mich so gut dabei“, beschreibt der 32-Jährige. Doch ausgerechnet die Mängel an Barrierefreiheit in seiner Lieblingssportart sind nun ein Teil der Gründe, die den Leverkusener vor einer Woche nach Berlin brachten, um dort in Hungerstreik zu treten.
Seit sechs Tagen besetzt Emmanuil den kleinen, grünen Uhrenturm am Potsdamer Platz – direkt vor dem Hauptgebäude der Deutschen Bahn. Bunte Plakate, ein Regenschirm und eine Luftmatratze schmücken seinen derzeitigen Schlafplatz. Er hat seitdem keine Mahlzeit zu sich genommen. Zum Trinken hat er Wasser, mit seinem Campingkocher kocht er Kaffee. Drei Kilogramm hat er seitdem abgenommen.
„Ich kann gar nicht mehr aufzählen, wie stark und wie oft mich die Deutsche Bahn schon in meinem Leben enttäuscht hat. Das darf einfach nicht sein, wir können nicht selbstbestimmt reisen oder wohnen oder sonst etwas“, sagt Emmanuil. Der Leverkusener hat auf seinem Instagram-Kanal ein 31-seitiges Dokument mit Forderungen zur Inklusion hochgeladen und es an große Firmen und Entscheidungsträger gesendet, in denen er die Menschenrechte von Menschen mit Behinderung einfordert.
Durchschnittlich sprechen ihn vier Menschen am Tag an. Die meisten, so Emmanuil, machten sich jedoch über Barrierefreiheit nie Gedanken. Seit zwölf Jahren lebt der Leverkusener mit dem Rollstuhl. Davor habe er damals am meisten Angst gehabt: „Was ich dann aber gemerkt habe, ist, dass ich durch den Rollstuhl ganz viel Mobilität wieder zurückbekommen habe. In der Gesellschaft kriegen wir aber automatisch beigebracht, dass wir mit dem Rollstuhl immobil sind.“
Als Mitglied der SPD setzt sich Emmanuil für Inklusion ein. So wollte er mit den Jusos Leverkusen eine barrierefreie Europawahl im nächsten Jahr erreichen. Der Antrag sei aber, so Emmanuil, von der AG Selbst Aktiv, einer Inklusions-AG in der SPD, abgelehnt worden, da die Barrierefreiheit schon gegeben sei. Enttäuscht von „vielen weiteren, nicht zwingenden Maßnahmen zur Inklusion, die einfach keine Priorität haben“, sah Emmanuil keine Alternative als seinen nun angelaufenen Hungerstreik.
„Es nervt mich dermaßen, dass ich immer derjenige sein muss, der sich für seine Menschenrechte bemühen muss. Ich wollte viele andere Protestaktionen planen, aber sehe nicht mehr ein, da meine Energie für zu verschwenden“, sagt Emmanuil. Er sehe da die Gesellschaft und den Gesetzgeber in der Pflicht. Wie lange er noch im Hungerstreik bleibe? „Bis ich ohnmächtig werde oder ich irgendwas erreicht habe. Was davon auch immer zuerst kommt.“