Ein Kölner Sportverein für behinderte Kinder und eine „Stille Stunde“ im Bergisch Gladbacher Supermarkt wurden von NRW-Sozialminister Laumann mit dem Inklusionspreis ausgezeichnet. Die Projekte hoffen auf den Domino-Effekt: Sie wollen mehr ihrer Art.
Inklusion in NRWBei „Team Bananenflanke“ schießen Kinder mit Behinderung die Tore
Wenn der Einkauf im Supermarkt mehr Überwindung als Alltagstätigkeit ist oder das Engagement im Vereinssport sich nicht wie Teilnahme, sondern Ausgrenzung anfühlt, bekommt man eine ungefähre Vorstellung davon, dass Barrierefreiheit mehr sein sollte als nur eine Rampe für Rollstuhlfahrerinnen.
Seit dem 1. März will das NRW-Sozialministerium um Karl-Josef Laumann mit 500.000 Euro für Initiativen und Organisationen nachhelfen. Im Rahmen des „Inklusionsscheck NRW“ können diese sich eine Pauschale in Höhe von 2.000 Euro sichern, um ihre Arbeit weiter zu fördern.
Das Sozialministerium verleiht zudem alle zwei Jahre den „Inklusionspreis des Landes Nordrhein-Westfalen“ in mehreren Kategorien. Schwerpunktthema war bei der Preisverleihung im September 2022 die „Inklusion durch Sport“.
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Zwei der Preisträger haben ihre Arbeit in Köln und Bergisch Gladbach aufgebaut. Die Förderung durch das NRW-Sozialministerium ist eine willkommene Geste, doch im Alltag zeigt sich, wie vielseitig die Bedürfnisse des Engagements sind.
Für diese wichtige Arbeit gibt es wenig Lobby, auch ein halbes Jahr nach der ministerialen Würdigung und trotz neuer Fördergelder im März erfordert es viel Einsatz, um dem Begriff „Barrierefreiheit“ in Sport und Alltag gerecht zu werden.
5000 Euro für das „Team Bananenflanke Köln e.V.“
Für Menschen mit Behinderung sind Angebote im Breiten- und Freizeitsport sehr rar und wenn doch, dann greift das Konzept nicht immer wie geplant. „Es gibt zwar inklusive Mannschaften, aber die funktionieren ja nur bedingt“, sagt Maximillian Küsters, Vorstand des „Team Bananenflanke Köln e.V.“, die beim Inklusionspreis den mit 5000 Euro dotierten ersten Platz nach Köln holten.
Aufgrund der Einschränkungen gebe es im Sport keine Gleichberechtigung: „Die Kinder sind dann vielleicht in den Vereinen, aber spätestens wenn es zum Spieltag kommt, sitzen sie noch nicht mal auf der Bank.“
Aus diesem Grund hat Küsters als Mitglied des Serviceclubs „Round Table“ das Konzept „Bananenflanke“ aus Regensburg nach Köln gebracht - schon damals ein prämiertes Projekt: 2015 wurde es bereits mit dem „Goldenen Stern des Sports“ vom Bundespräsidenten ausgezeichnet.
„Inzwischen gibt es deutschlandweit fast 20 „Bananenflanken“. Köln bot sich da mit seinem großen Einzugsgebiet und der Fußballaffinität der Stadt natürlich an“, erklärt Küsters. Das Projekt richtet sich geschlechterunabhängig speziell an behinderte und sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche.
Und Geld spielt auch hier eine Rolle. Nur aus Mitgliedsbeiträgen könnte sich die „Bananenflanke“ nicht finanzieren. „Das reicht gerade mal zu einem Drittel“, sagt Küsters, „denn viele der Familien sind leider eher sozial schwach. Für die Zukunft würde ich mir daher einen großen Sponsor wünschen, der mindestens ein Drittel der Grundlast trägt, damit wir ein eigenes Trainingsgelände bekommen oder es bei einem anderen Verein mitnutzen können.“
Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln
Bislang nutzt die „Bananenflanke“ fürs Training im Sommer die Jahnwiese in Müngersdorf und im Winter kostenpflichtige Soccer-Hallen – 1200 Euro pro Monat werden da fällig. Kostenfrei können die Kinder die Hallen der Deutschen Sporthochschule Köln nutzen. Gemeinsam mit der Spoho wurde auch eine Lehrveranstaltung aus dem „Bananenflanke“-Training kreiert.
Viele der Trainer habe er aus den Reihen der Sporthochschul-Studierenden rekrutieren können. „Irgendwann kam dann ein Dozent an und meinte, er würde das gleiche Konzept auch gerne in Kooperation mit der Kölner Ballschule im Basketball übernehmen. Dann haben wir daraus eine eigene Abteilung machen können, um unser Angebot über den Fußball hinaus auszuweiten.“
Diese Erweiterung auf den Basketball- und weitere Ballsportarten hat der „Bananenflanke“ auch den Inklusionspreis eingebracht. Das Preisgeld sei daher nur für diese Abteilung bestimmt. „Davon kaufen wir erst mal eine komplette Ausrüstung. Das hat die Abteilung bisher leider noch nicht.“
3000 Euro für den Inklusionsbeirat Bergisch Gladbach
Ebenfalls beim Inklusionspreis ausgezeichnet wurde der Inklusionsbeirat Bergisch Gladbach. In der Kategorie „Barrieren abbauen – Zugänge schaffen“ überzeugte das Gremium mit der Einführung einer „Stillen Stunde“ in zwei lokalen Supermärkten.
„Die Reizüberflutung an öffentlichen Orten war bei uns ohnehin schon ein Thema“, erklärt Katharina Kaul, Sozialpädagogin und Mitglied des Beirats. „Wir haben uns dann an Konzepten und Erfahrungen aus der Schweiz und Großbritannien und vielen Beiträgen in den Sozialen Medien orientiert. An einem Tag in der Woche können Menschen dann zwei Stunden lang mit gedimmtem Licht, ohne Musik und Durchsagen, ohne die Verräumung von Waren, Reinigungsarbeiten und mit möglichst wenig Wartezeit an der Kasse einkaufen gehen.“
Überwältigende Reaktionen in den Sozialen Medien
Dieses Konzept, ursprünglich aus Neuseeland, hatte dann zur Folge, dass Menschen die ansonsten nicht selbstständig einkaufen gegangen seien, gezielt zu dieser Zeit ihren Einkauf erledigten. „Das hat auch komplett einen Nerv getroffen. Das Presseecho war beeindruckend und die Reaktionen in den Sozialen Medien noch überwältigender“, sagt Monika Hiller, die sich neben dem Inklusionsbeirat auch in der Stadtverwaltung einsetzt. „Da hatten wir innerhalb von zwei Minuten 200 Kommentare unter einem Beitrag.“
In den Kommentarspalten sei es zu einem „sichtbaren Lerneffekt“ gekommen. „Viele machen sich ja keine Gedanken, wenn an einem normalen Tag ein vollgepackter Einkaufswagen verlassen im Gang steht. Es kann sein, dass dieser zu jemandem gehört, der den Laden wegen Überforderung verlassen musste“, sagt Hiller.
Katharina Kaul und Monika Hiller betonen, dass es ihr Ziel war, auf die gesamte Bandbreite der Barrierefreiheit hinzuweisen und dafür zu sensibilisieren. „Wir wollen mit dem Preisgeld die „Stille Stunde“ auf jeden Fall professionalisieren und die Message weiter verbreiten.“, sagt Kaul.
Sowohl der „Bananenflanke“ als auch der „Stillen Stunde“ dürfte das Preisgeld nicht allzu lange die Kassen füllen. Vielmehr helfen Inklusionspreise und Zuschüsse eher dabei, engagierte Initiativen in die Öffentlichkeit zu tragen und als symbolträchtige Organisationen zu präsentieren.
Das „Team Bananenflanke Köln e.V.“ sucht bisher noch vergeblich nach einem großen Partner, um ihr Angebot finanziell abzusichern und die „Stille Stunde“ ging zwar viral, doch eine flächendeckende Umsetzung ist noch weit entfernt. Dennoch hat der Inklusionsbeirat Bergisch Gladbach vor kurzem einige Anfragen zur Umsetzung des Projekts erhalten. Katharina Kaul glaubt auf jeden Fall daran, dass der Domino-Effekt noch eintritt.