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Einkaufsdienste, DankesplakateSo zeigen Bayer-04-Ultras Solidarität in Corona-Zeiten

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Pakete voller Schokolade und Energiedrinks hat Marcel Avermiddig (2.v.l.) von den Leverkusener Ultras dem Team des Remigius Krankenhauses in Opladen diese Woche übergeben.

Leverkusen – Vor rund zwei Wochen sorgten sie erstmals für Aufsehen. Ausgerechnet sie, die nicht selten so harsch Angegangenen und Kritisierten: Mit einem meterlangen Plakat, das sie vor dem Klinikum anbrachten, dankten die Ultras des Fußballbundesligisten Bayer 04 Leverkusen den vielen Pflegekräften, die während der Corona-Krise mitunter über die Grenzen der Belastbarkeit hinaus um die Gesundheit der Patienten ringen. „Rund um die Uhr seid ihr für uns da – Danke!“

Spenden ans Klinikum

Und es war erst der Anfang. Denn zeitgleich begannen die Fans der Werkself, Einkaufsfahrten für diejenigen anzubieten, die derzeit nicht vor die Haustüre gehen können oder dürfen: Das sind vor allem die älteren Menschen der Stadt, kranke Menschen, Menschen mit Behinderung. Schon am Ende der ersten Woche standen – Tendenz steigend – 25 Einkaufsfahrten zu buche. „Darunter mehrere Großeinkäufe“, wie Loredana Cosentino von den Ultras sagt. Und: Je eine Lieferung von Energy-Drinks und Kraftriegeln an das Klinikum und das Sankt-Remigius-Krankenhaus.

Die Firma, in der Loredana Cosentino arbeitet, hat wegen des Coronavirus auf Kurzarbeit umgestellt. Sprich: Sie hat mehr freie Zeit als sonst. Zeit, um in diesen Tagen im Wechsel mit etwa zehn anderen Fan-Freunden unterwegs zu sein, um den Hilfesuchenden in Leverkusen beizustehen. Viele Pflegedienste, sagt sie, würden derzeit zwar ihre Klienten entsprechend intensiv betreuen – aber keine Einkäufe anbieten. In diese Bresche springen nun die Ultras, in deren vollgepackten Einkaufswagen nach Aussage von Loredana Cosentino „quasi alles“ landet, was so greifbar ist im Supermarktregal: Lebensmittel, Pflegeprodukte, Haushaltswaren, Zeitschriften. Und – natürlich – Toilettenpapier. Soweit erhältlich.

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Lieferung binnen Stunden

Bislang funktioniert alles reibungslos: „Wir bekommen einen Anruf, nehmen die Wünsche entgegen, erstellen die Einkaufsliste – und fahren los.“ Das Ziel sei, den Einkauf binnen 24 Stunden zu erledigen. „Bislang aber haben wir es immer in wenigen Stunden geschafft.“ Das Geld strecken die Ultra-Helfer vor. „Wenn wir fertig sind, rufen wir die Person, die bestellt hat, an – und stellen die Sachen vor deren Tür ab, wo dann meist schon ein Umschlag mit Geld liegt.“ Nicht selten tragen Loredana Cosentino und ihre Kollegen die prall gefüllten Einkaufstüten aber auch in die Wohnungen der Leute – weil die das nicht selbst können. Dass dabei Abstand gewahrt wird: selbstverständlich.

Zeit als wertvolle Währung

Indes: Über das Körperliche hinaus sei das mit dem Abstandhalten weder möglich noch gewünscht, denn: „Viele Menschen, vor allem die Senioren, wollen reden und sind dankbar, wenn wir uns auch dafür Zeit nehmen.“ Stichwort Zeit: In Krisensituationen wird eben auch sie zur begehrten Währung. Zur wertvollen Währung. Weil sie ein Teil jenes Kitts ist, der die Gesellschaft auch dann zusammenhält, wenn alle voneinander getrennt sind. Sie habe jedenfalls alleine schon am Telefon zahlreiche „wirklich lange Gespräche“ geführt und das als sehr angenehm und wichtig empfunden, sagt Loredana Cosentino und erklärt in diesem Zusammenhang, dass sie demnächst, wenn das alles vorbei ist, in einen Pflegeberuf wechseln will. Zurückwechseln will. Schließlich sei sie als Gesundheits- und Krankenpflegerin ausgebildet worden. Corona habe mit dieser Entscheidung nichts zu tun. Aber es zeige ihr, dass die Entscheidung die richtige sei.

Übrigens: Wie weit sich die Einkaufsaktion der Ultras herumgesprochen hat, zeigt die Tatsache, dass sich sogar Menschen fernab von Leverkusen – auch aus den USA – meldeten und für in der Stadt lebende Angehörige um Hilfe baten. Überhaupt ernteten die Fußballfans für ihr Engagement bislang schon jede Menge Lob – ein Umstand, der Loredana Cosentino zwar freut. Der ihr in manchen Momenten aber zweifelsohne auch kurios vorkommen dürfte.

Hohes soziales Engagement

Denn gerade die Ultras stehen – bundesweit, und nicht erst seit der Diskussion um Plakate gegen den Hoffenheimer Fußballmäzen Dietmar Hopp – nicht selten am Pranger jener Menschen, die nicht zur so genannten „aktiven Fanszene“ gehören. „Das stimmt, wir sind oftmals ungelitten“, sagt sie. „Dabei setzen etwa wir in Leverkusen uns schon seit Jahren in einem »Arbeitskreis Soziales« für soziale Projekte ein.“ Dieses Engagement gehe jedoch oftmals unter, wenn sich die Diskussion mal wieder um Stadionbanner und Pyrotechnik drehe.

Gleichwohl ist es Loredana Cosentino wichtig zu betonen: „Wir machen diese Aktion hier nicht, um unser Bild in der Öffentlichkeit zu verbessern oder irgendwie im positiven Licht zu stehen.“ Das sei der Gruppe nicht weniger als „total egal“. Ihr soziales Engagement zu Zeiten von Corona sei den Ultras – wie immer schon – schlichtweg ein Bedürfnis.

Der Einkaufsdienst der Ultras Leverkusen ist zu erreichen unter ☎ 0178 / 8509753.

www.ultras-leverkusen.de