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UmfrageLeverkusen soll eine der vier ungesündesten Städte Deutschlands sein

Lesezeit 4 Minuten
Autobahn 1; Stelze, Sportpark, Küppersteg. Stadion, Bayarena

Luftbild von Leverkusen mit der Bayarean, der Autobahn 1 und Teilen von Küppersteg und Wiesdorf

Wenig Schwimmbäder und Sportstudios pro Kopf, eine kleine Grünfläche bezogen auf das Stadtgebiet und schlechte Luft: Das soll Leverkusen sein.

Leverkusenerinnen und Leverkusener sind schlechte Nachrichten bezüglich ihrer unmittelbaren Lebensumwelt gewohnt: Dafür sorgen etwa die Pläne der Autobahn GmbH, die aus der A1-Stelze eine riesenhaft breite Autobahn machen und auch das Kreuz Leverkusen ins Gigantomane vergrößern will. Jetzt bescheinigt den Bürgerinnen und Bürgern zudem die Online-Arztpraxis Zava, dass ihre Stadt mit das am wenigsten lebenswerte Ambiente in ganz Deutschland bietet. Leverkusen landet in der Antwort auf die Frage „Wo in Deutschland lebt es sich am gesündesten?“ an drittletzter Stelle.

Noch ungesünder lebt es sich der in London ansässigen, europaweit arbeitenden Praxis für Tele-Medizin zufolge nur in drei weiteren nordrhein-westfälischen Städten: Köln, Gelsenkirchen und Duisburg.

Leverkusen hat vergleichsweise wenige Grünflächen und Wanderwege

Zava erstellte die Rangliste anhand von Indexwerten für die Grünflächen, Sportzentren, Schwimmbäder und Wanderwege, jeweils bezogen auf 100.000 Einwohner, sowie von am 2. Juli erhobenen Daten zur Luftqualität in knapp 80 untersuchten deutschen Städten.

Für Leverkusen – und die gleichfalls sehr schlecht bewerteten Gelsenkirchen, Köln und Duisburg – halten die Macher der Online-Arztpraxis, die die Recherche ihren Angaben zufolge selbst durchgeführt haben, einen extrem niedrigen Indexwert von 43 für die Grünflächen fest. Das ist der niedrigste Wert aller zehn am schlechtesten platzierten deutschen Städte überhaupt. Auch bei der Zahl der Sportzentren – 14 pro 100.000 Einwohner – schneidet die selbst ernannte Sportstadt Leverkusen unter den zehn ungesündesten deutschen Städten am schlechtesten ab. Etwas besser sieht es im Vergleich zu den anderen ungesunden Städten lediglich bei den Wanderwegen – Indexwert 445 pro 100.000 Einwohner – und der Anfang Juli gemessenen Luftqualität in Leverkusen aus.

Einiges bleibt unklar

Dabei bleibt allerdings unklar, was das Unternehmen für medizinische Onlinedienste als Grünfläche definiert und wie der Indexwert von 43 zustande kommt. Auch wie die Indexwerte bei den Wanderwegen zustande kommen, erschließt sich nicht.

Zudem fällt eine schlichte Tatsache ins Auge, wenn man die vier gesündesten deutschen Städte – Heilbronn, Göttingen, Karlsruhe und Trier in dieser Reihenfolge – mit den vier ungesündesten – Duisburg, Köln, Gelsenkirchen und Leverkusen – vergleicht: Die Bevölkerungsdichte in den vier Spitzenreiter-Städten dieser Rangliste ist durch die Bank deutlich niedriger und teilweise sogar nur halb so hoch wie in den vier Städten, in denen es sich angeblich so ungesund lebt. So hat Trier, die viertgesündeste, eine Bevölkerungsdichte von gerade einmal 958 Einwohnern je Quadratkilometern, Leverkusen, die viertungesündeste, dagegen eine Bevölkerungsdichte von 2110 Einwohnern pro Quadratkilometern.

Um beim Beispiel zu bleiben: Es versteht sich fast von selbst, dass angesichts einer größeren Ausdehnung – Trier hat mehr Fläche als Leverkusen – bei kleinerer Einwohnerzahl grundsätzlich mehr Platz für Grünflächen und Wanderwege vorhanden ist. Und dass die Luftqualität in einer Moselresidenzstadt wie Trier ohne jede Schwerindustrie besser ist als in einer Chemiestadt wie Leverkusen, die noch dazu von zwei der am stärksten befahrenen Autobahnen Deutschlands durchzogen wird, besser ist: geschenkt.

Vollends unverständlich wird es, wenn man die Indexwerte für Schwimmbäder pro 100.000 Einwohner vergleicht. Hier kommt Trier (117.000 Einwohner) mit zwei Freibädern und einem Hallenbad auf einen Wert 47, Leverkusen (166.000 Einwohner) mit zwei Hallen- und Freibädern und einem weiteren, dem Schulsport vorbehaltenen Hallenbad, auf einen Wert von 10.

Wie die Luftqualität, einer der Parameter für Zava, in Leverkusen ist, zeigt ein Blick auf die Daten des Landesamtes für Umwelt und Naturschutz (Lanuv). Das Lanuv gab für Donnerstag, 25. Juli, 11 Uhr, an der Messstelle in Manfort eine Belastung mit 70 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft, 20 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft und weniger als 10 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft an. Die Schwefeldioxidbelastung gab das Lanuv nicht an. Der Ozonwert spricht aus Sicht des Lanuv für eine gute Luftqualität, die beiden anderen Messwerte qualifiziert das Amt als sehr gute Luftqualität.


Zava bietet Fernbehandlung durch Medizinern an

Zava ist eine 2010 von dem Hamburger Juristen David Meinertz und dem Briten Amit Khutti gegründete Online-Arztpraxis mit Hauptsitz in London. Zava firmierte bis 2019 unter dem Namen „DrEd“. In vielen Bundesländern gibt es inzwischen Modellprojekte für die ausschließliche Fernbehandlung durch Ärzte. Dabei legen Patientinnen und Patienten ein Benutzerkonto an und füllen einen medizinischen Fragebogen aus, der von einem Mediziner analysiert wird und der, falls nötig, ein Rezept ausstellt, das an eine Versandapotheke geht. Allerdings erwirkten die Apothekenkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe im Juni 2022 eine Verurteilung der Shop-Apotheke, die in Kooperation mit Zava genau das getan hatte: Patienten konnten nach Ausfüllen eines Fragebogens ein von den mit Zava verbundenen Ärzten ausgestelltes Privatrezept bei der Shop-Apotheke einlösen. Dagegen klagten die Kammern und bekamen im Februar 2023 auch vor dem Bundesgerichtshof Recht. (ps)