Die Soul- und Funk-Legenden aus Oakland, Tower of Power, waren zu Gast auf den Leverkusener Jazztagen.
Tower of Power in LeverkusenWann haben wir aufgehört, zu guter Musik zu tanzen?
Fangen wir mit dem Haar in der Suppe an: Wer Tower of Power bestellt, bekommt Tower of Power. Schon häufig waren die Soul- und Funklegenden Gast auf den Leverkusener Jazztagen. Und legt man die Setlists zweier Auftritte nebeneinander, mögen sie auch ein paar Jahre auseinanderliegen, wird sich der Großteil der Songs überschneiden. Tower of Power spielt eigentlich immer ein Best-of aus ihrem Repertoire, die Hits wie „What is hip“ oder „Soul with a capital S“ fehlen nie.
Aber das ist den Zuschauerinnen und Zuschauern am Dienstagabend im Forum völlig egal. Denn: Wer Tower of Power bestellt, bekommt Tower of Power. Die Geschichte der Band ist bekannt: 1968 gründeten Emilio Castillo (Tenorsaxofon und bis heute Bandleader) und Stephen „Doc“ Kupka (Baritonsaxofon und nach wie vor TOP-Mitglied) die Gruppe. Seitdem entwickelte sich die Band zur stilbildenden Kombo im Mainstream-Soul. Wobei Mainstream einen zu negativen Beigeschmack hat.
Tower of Power war nämlich auch schon immer eine Band für Musikerinnen und Musiker. Zahllose bekannte Instrumentalisten nennen bis heute David Garibaldi am Schlagzeug oder Rocco Prestia am Bass als großen Einfluss. Nun sind Garibaldi und Prestia nicht mehr dabei. Der Drummer hat die Band Anfang des Jahres verlassen, Prestia ist 2020 gestorben. Was die Band aber in all den Jahrzehnten immer wieder geschafft hat, ist, die ausscheidenden Musiker adäquat nachzubesetzen.
Womit wir auf der Forum-Bühne in Leverkusen sind. Am Schlagzeug sitzt inzwischen Pete Antunes, seit dem Frühjahr hat Jordan John das Mikro übernommen. Bass spielt Marc van Wageningen, immerhin schon seit 2018. Ebenfalls noch nicht lange dabei ist Dave Richards an der Leadtrompete und an der Posaune. Man kann also durchaus von einem kleinen Umbruch sprechen, wobei Roger Smith (Hammond-Orgel), Tom Politzer (Tenorsax), Adolfo Acosta (Trompete, Flügelhorn) und Jerry Cortez (Gitarre) schon seit einigen Jahren zusammenspielen.
Leverkusen: Jordan John beweist seinen außergewöhnlichen Stimmumfang
In der Szene legendär sind die „Tower-of-Power-Horns“, also die Bläsersektion. Wieso das so ist, beweisen sie auch in aktueller Besetzung im Forum. Egal, ob bei messerscharfen Einsätzen oder strömenden Melodien. Erfreulich ist, dass am Dienstag viel Raum für Soli bleibt. Und nicht nur für den besten Solisten, Tom Politzer am Tenorsax, sondern auch für die anderen. Jordan John beweist besonders bei „Willing to learn“ – übrigens einer der wenigen Songs auf der Setlist, die eher nicht zu erwarten waren – seinen außergewöhnlichen Stimmumfang, besonders in den Höhen.
Aber, und darauf weist Castillo zurecht hin, die berühmten „Horns“ und auch der Gesang wären nichts ohne die außergewöhnliche Rhythmussektion. Antune, Smith, Cortez und van Wageningen erweisen sich als äußert spielfreudig. Das tut der Band sichtlich gut. Sogar so gut, dass Castillo sich am Ende zu mehreren Tanzeinlagen hinreißen lässt, die ganz sicher so nicht geplant waren.
Apropos tanzen: Bei Tower of Power ruhig zu bleiben, ist nahezu unmöglich. Das ist auch im Forum unübersehbar. Auch wenn sich Veranstalter Fabian Stiens sicher gewünscht hätte, dass der Platz zum Tanzen ein wenig kleiner gewesen wäre. Ausverkauft war der Abend nicht.
Das war durchaus schade. Denn eine große Stärke der Band war es seit jeher, ihre Songs zwar rhythmisch durchaus anspruchsvoll zu gestalten. Schlagzeug und Bass haben einen unverkennbaren Stil aus Synkopen, also in der Regel unbetonten Zählzeiten, und Ghostnotes (Zwischenschlägen) entwickelt, der Nachahmer verzweifeln lassen kann („Soul Vaccination“). Aber trotzdem stockt der Rhythmus nie. Ein Spagat, der musikalisch nicht hoch genug einzuschätzen ist.
Und der ein wohltuender Kontrast zu dem ist, wozu viele Menschen heute tanzen: stumpfe „Four-on-the-floor“-Beats. Wann haben die Menschen eigentlich aufgehört, zu guter Musik zu tanzen? Leider wohl irgendwann zwischen 1968 und 2024.
Nachwuchswettbewerb
Das Leverkusener Duo Emily (Gesang, Gitarre) und Dylan (Piano, Bass) hat den „Future Sounds“-Wettbewerb gewonnen. Sie setzten sich im Finale gegen das Valeria Maurer Quartett durch. Der Wettbewerb fand zum 17. Mal statt und ist mit 2000 Euro dotiert. Außerdem spielen die Sieger im Folgejahr als Vorband auf der Hauptbühne. Sponsor ist die Stiftung Spardabank West. (nip)