Der Leverkusener Ortsteil hat einiges zu bieten, aber es fehlt den Rheindorfern auch an etwas.
ReportageWas den Leverkusener Ortsteil Rheindorf ausmacht, und was ihm fehlt
Mein Dartpfeil hat die Leverkusenkarte exakt vor der Kreuzung Solingerstraße/Netzestraße in Rheindorf durchbohrt. Dort angekommen, fällt gleich die Hoffnungskirche auf. Ein einsamer Jugendlicher sitzt an einer der Bushaltestellen. Ein Schild macht Werbung für ein Bestattungsunternehmen in der Nähe.
Die Kirchentüre ist verschlossen. Auf einmal tritt eine freundliche Dame aus dem Gebäude. Sie sei eine der Sekretärinnen dort. Im Moment sei vielleicht im Jugendhaus etwas los, sagt sie. Oder eben beim Bestatter. Der befindet sich im Zentrum von Rheindorf. An einem Marktplatz liegt ein Supermarkt, ein russischer und polnischer Markt, Gastronomie, eine Fahrschule und noch einiges mehr. Im Bestattungsunternehmen am Rande des Zentrums ist niemand anzutreffen.
Anders ist das in der Fahrschule von Ralf Brauer. Während seine Leute ihre Fahrstunden in den Autos abhalten, bereitet er sich auf die Motorradfahrstunden vor. Dazu sind die Sommerferien gut geeignet, viele Jugendliche sind schließlich im Urlaub. Grundsätzlich, so Brauer, habe sich bei den Fahrschülern einiges geändert. Die jungen Leute, die sich ja inzwischen bereits mit 16,5 Jahren anmelden können, lassen es meistens sehr langsam angehen. Von den 60 Jugendlichen, die sich in den letzten Monaten angemeldet haben, hatten lediglich drei Mädchen den Führerschein binnen eines Jahres. Im Besonderen die Jungs lassen sich Zeit.
„Die Mädchen haben längst an Selbstvertrauen gewonnen“, berichtet Brauer. „Vergleicht man Jungs und Mädchen, die zu Beginn des Scheins zum ersten Mal am Steuer sitzen, sind die Mädels cooler und zielstrebiger.“ Ein altes Klischee scheint also auf dem Weg, sich zu verabschieden.
Auf einer Bank vor der Fahrschule sitzen drei Männer in der Sonne. „Sind sie von einer Zeitung?“ Sie hatten die Kamera gesehen und ihre Schlüsse gezogen. Die Herren hatten ein Anliegen. Dem kleinen Zentrum mit öffentlichen Bänken und Wochenmarkt fehle ein WC. Um auf Toilette zu gehen, müsse man entweder eine Arztpraxis, die umliegende Gastronomie und andere nicht öffentliche Stellen aufsuchen. „Wir haben uns schon an eine zuständige Politikerin gewandt“, erklärte Abdulah Abazzuh. „Bisher hat das niemanden interessiert.“
Die anderen beiden bestätigten dies. „Und das, wo hier jeden Donnerstag Markt ist. Das ist nicht in Ordnung.“ Einer der Marktleute bestätigte den Toilettenmangel. „Früher hat es mal einen Toilettenwagen gegeben“, erinnerte er sich. „Aber heute müssen wir irgendwo in eine Praxis oder Läden gehen.“
Am Rheindorfer Jugendhaus an der Solinger Straße empfangen mich Leiterin Andrea Zöll und die Kinder herzlich. „Kommen wir in die Zeitung?“, fragen die Mädchen ganz aufgeregt, bevor sie von einem Ferienprojekt zu erzählen beginnen. Das Team hat eigene, kleine Filme gedreht. Die Mädchen hatten sich, noch in der Schulzeit, den Film „Die drei !!!“ angeschaut, die Mädchenversion zu den „Drei ???“. Drei Freundinnen geraten in Kriminalfälle hinein, die sie mit Köpfchen und Einfallsreichtum lösen. Die Mädchen im Jugendhaus hatten die Rollen unter sich verteilt und spielen nun ihre eigenen Fälle.
Sechs Filme gab es bereits, als Andrea Zöll daraus das Ferienprojekt machte. „Einmal gruselten sich die Mädchen vor ihrem eigenen Gruseleffekt“, sagt die Jugendhausleiterin und lächelt. Im Film „Die drei !!! und die Horrorpuppe“ verarbeiteten sie einen Sound, den sie selbst herausgesucht hatten. Als sie schließlich das Ergebnis sahen, überkam sie selbst der Grusel.
Zölls Ehemann Markus Prior, der kurzerhand für den Videoschnitt eingespannt worden war, hatte ganze Arbeit geleistet. Gedreht wurde mit einem Smartphone. In der jüngsten Folge, die die Mädchen während meines Besuchs erarbeiten, geht es um einen Schmuckdiebstahl in einem Berliner Museum. In mehreren Szenen dreht das Team den Film. Meine Kamera dient zwischendurch als Hilfe für Probeaufnahmen, die die Mädchen fachkundig begutachten.
Nach einem kleinen Fotoshooting verabschiede ich mich schließlich von den aufregenden Dreharbeiten vom Team und dem Jugendhaus. Mit viel Herz und Gefühl für die Kinder hat das Team dort einen Ort geschaffen, an dem sich alle wohlfühlen. Außerhalb der Ferien bietet das Jugendhaus unterschiedlich betreute Aktivitäten an, wie einen Nähkurs, ein Bücherangebot und vieles mehr.