Der Finanzausschuss müht sich zu ersten Einsparungen. Die eigens eingerichtete Task Force wirkt noch nicht.
HaushaltskriseWie kann Leverkusen 250 Millionen Defizit ausgleichen?
Mit 664 Millionen Euro steht die Stadt Leverkusen derzeit in der Kreide. „Das ist der höchste Stand seit fünf Jahren“, berichtete am Montagabend Kämmerer Michael Molitor im Finanzausschuss. Untermauert wird diese Aussage durch den Vergleich mit dem vorigen Jahr: Da hatte die Stadt 355 Millionen Euro ausgeliehen, um das laufende Geschäft zu bestreiten. Der extreme Kassenkredit zeige: „Hohe Ausgaben bei sehr niedrigen Einnahmen“, ergänzte Molitor.
Letzteres bleibt: Stand jetzt seien 82,8 Millionen Euro Gewerbesteuer überwiesen worden, hieß es im Finanzausschuss. „Wir kalkulieren weiterhin mit 100 Millionen in diesem Jahr“, unterstrich Andreas Sarasa, Molitors Rechte Hand in der Kämmerei. Das ist die extrem nach unten korrigierte Einnahmeprognose, die im Spätsommer die Haushaltssperre auslöste. Seitdem herrscht Panik im Rathaus: in der Verwaltung wie in der Politik.
Ursprünglich wären die 664 Millionen Kassenkredit übrigens gar nicht möglich gewesen: Erst, als sich das gigantische Haushaltsdefizit abzeichnete, wurde die Grenze auf 800 Millionen Euro angehoben. Zuvor war bei 600 Millionen Schluss.
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Leverkusens Grüne sehen kein Konzept
Ob in dieser Situation der Wahlspruch von Annegret Bruchhausen-Scholich zieht, war im Ausschuss hochumstritten. „Kleinvieh macht auch Mist“, war die Ansage der Christdemokratin, die das Gremium leitet. Grünen-Fraktionschefin Claudia Wiese vermisst „ein Gesamtkonzept.“ Die Task Force – sie war auf Initiative der Grünen ins Leben gerufen worden, um zunächst hinter verschlossenen Türen und in Ruhe Sparvorschläge auszuarbeiten – verzettele sich, so Wiese: „Bevor wir über Mist abstimmen, hätte ich gerne einen Überblick über die Sparschweine auf dem Bauernhof.“ Anders gesagt: Die Kämmerei müsse klar sagen, wo wirklich in großem Umfang und nachhaltig gespart werden könne.
Das geschehe nicht, findet auch Wieses Parteifreundin Roswitha Arnold: „Das, was von der Verwaltung derzeit geliefert wird, befriedigt mich in keinster Weise.“ Ideen aus der Task Force würden von der Kämmerei verfremdet und in Beschlussvorlagen gegossen, die nicht der politischen Meinung entsprechen. Tatsächlich gab es in der beinahe vierstündigen Sitzung des Finanzausschusses mehrmals Momente, in denen Äußerungen aus der Task Force rekapituliert wurden. Ergebnis: Die Stadtverwaltung hatte etwas anderes draus gemacht.
Der Verwaltungscampus Opladen kommt nicht
Beispiel: der Neubau eines Bürohauses für die Stadtverwaltung am Opladener Bahnhof. Den sollte der Investor Cube Real Estate errichten, die Stadt sollte ihn übernehmen. In der Kostenkalkulation stehen 54 Millionen Euro, ein grob gegriffener Wert, betont die Verwaltung. Für Oberbürgermeister Uwe Richrath ist das ein echter Sparvorschlag. Für die Grünen und für Opladen Plus nicht. Es gebe keinerlei Kostenvergleich, lautet die Kritik. Aber mit ihren Wünschen, die Entscheidung zu vertagen, fanden Grüne und Opladen Plus keine Mehrheit. Damit ist klar: Den Büro-Campus im geplanten Opladener Torhaus wird es nicht geben.
Tatsächlich muss die Stadt andere Büros, die stattdessen belegt werden sollen, noch sanieren. Das gilt zum Beispiel für den von Bayer übernommenen Komplex an der Hauptstraße in Wiesdorf. Richrath sieht das als Alternative zum Neubau in Opladen.
Ein detailliertes Konzept gebe es tatsächlich noch nicht, erklärte Baudezernentin Andrea Deppe. „Das kann man auch nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln. Wir müssen uns jeden Arbeitsplatz angucken.“ Kommt man mit Home-Office und Desk-Sharing hin? Also ohne feste Schreibtische für die Beschäftigten? Alles noch nicht klar, was aus der SPD und von der Linken naserümpfend zur Kenntnis genommen wurde.
Der Kämmerer gerät unter Beschuss
Die Grünen sehen indes Versäumnisse nicht bei „ihrer Dezernentin“, sondern beim Kämmerer, CDU-Mann Molitor. „Sie nutzen uns dafür, Fehler in der Verwaltung auszubügeln“, lautete der Vorwurf von Roswitha Arnold.
CDU-Fraktionschef Stefan Hebbel wiegelte ab: „Wir sind noch mitten in der Arbeit“, sagte er mit Blick auf die Task Force. Was den eigenen Sparbeitrag aus der Politik angehe: „Wir sind mal durch die eigenen Anträge gegangen mit der Frage: Was können wir anbieten.“ Kritik sei in Ordnung, aber die Politik müsse auch eigene Vorschläge machen. Den von Claudia Wiese, in der Stadtverwaltung eine Wiederbesetzungssperre zu erlassen, sieht er sehr kritisch. „Wir haben auch eine Verantwortung für die Menschen, die hier arbeiten.“ Daran muss Hebbel besonders denken. Schließlich will er den amtierenden Oberbürgermeister beerben.
Der warnte davor, in Panik zu verfallen und „die Stadt kaputt zu sparen“. Das habe man in der letzten Phase der Haushaltssicherung gemacht, „das darf uns nicht noch mal passieren“. Auch damals war der Auslöser ein gigantisches Einnahmeproblem. Bayer fiel jahrelang als Gewerbesteuerzahler beinahe aus. Das Ergebnis war eine nicht enden wollende Spar-Orgie. Das wiederholt sich jetzt offenbar.