Was ein Bewerber-Markt ist, zeigt sich am Freitag im Forum.
Tag der AusbildungWie Leverkusener Unternehmen um Nachwuchs werben
„Be You“ heißt es bei Bayer. „Mach’, worauf Du Lust hast“ bei Covestro. Spätestens beim Anblick solcher Slogans wird klar, dass der Ausbildungsmarkt sich gedreht hat. Auch international tätige Konzerne warten nicht auf Bewerber – sie bewerben sich bei potenziellen Interessenten. Anders geht es auch nicht, bestätigt Andreas Tressin, Geschäftsführer der Unternehmerverbände Rhein-Wupper, die den „Tag der Ausbildung“ seit mehr als zwei Jahrzehnten ausrichten. „Der Mangel an qualifizierten Fachkräften in vielen Branchen ist aktuell eines der größten Hindernisse für Wirtschaftswachstum.“
53 Unternehmen und andere Arbeitgeber tummeln sich also am Freitag im Forum. Das Gedränge ist erheblich. Umso mehr, als die Veranstaltung diesmal auf einen Tag beschränkt ist. Das habe rein organisatorische Gründe, heißt es bei den Unternehmerverbänden. Deutlich zu erkennen ist das Bemühen, sich attraktiv darzustellen. Video-Brillen sind zu sehen, aber auch klassisches Werkzeug: Handwerksbetriebe haben es da etwas leichter; auf der Empore im großen Saal des Forum Leverkusen hämmert ein Nachwuchs-Dachdecker, nebenan gibt es Airbrush-Tattoos. Dort ist schon im Vorbeigehen zu erkennen, worum es geht.
Ein Unternehmen wie Reloga hat es da schon schwerer. Am Stand der Schwesterfirma des kommunalen Entsorgers Avea muss erklärt werden, dass es auch andere Abfälle gibt, die entsorgt und dafür transportiert werden müssen. Am Stand der Stadtverwaltung wird etwas abstrakt mit der Vielzahl der Berufe geworben, die man dort ausüben kann.
Den ganzen Tag über Vorträge
Viel los ist am Stand des Klinikums. Auch dort kann sich jeder vorstellen, was es zu tun gibt. Trotzdem gehören Vorträge, wie der Einstieg in Pflegeberufe gelingt, zum Rahmenprogramm. Den bestreitet Gabriele Dannenberg, sie leitet die evangelische Pflegeakademie Hasensprungmühle in Leichlingen. Aber auch Vertreter des Klinikums, der Alexianer, die inzwischen neben vielen Altenheimen auch das Remigius-Krankenhaus in Opladen tragen, und der Arbeiterwohlfahrt sitzen dabei. „Wir konkurrieren, aber wir sind keine Konkurrenz“, erklärt Dannenberg. Es gehe darum, „in der Region genügend Pflegekräfte zu haben“.
Wie vielfältig der Beruf sein kann, berichten Amir Jatari und Iman Abdeselam, die beide im dritten Ausbildungsjahr sind. Beide stehen auch für die Internationalität in der Pflegebranche: Amir kommt aus Afghanistan, Iman hat spanische Wurzeln. Amir ist derzeit viel unterwegs, denn er arbeitet in der ambulanten Pflege. Iman berichtet von ihren Stationen im Klinikum. Die Notfallambulanz fand sie „besonders spannend“, aber auch die Kinderstation ist ihr in guter Erinnerung geblieben. Dass sie eine auf den ersten Blick ziemlich echt aussehende Baby-Puppe im Arm hält, könnte ein Beleg dafür sein.
Die Hürden in den Beruf sind nicht allzu hoch, betont Dannenberg. Die Ausbildung zur Pflegeassistenz dauert ein Jahr; hier reicht ein Hauptschulabschluss aus der neunten Klasse. Eine Ausbildung zur Pflegefachkraft dauert drei Jahre; für den Einstieg braucht man die mittlere Reife, gerne auch aus der Hauptschule.
Der Schulabschluss, das zeigen die Fragen der Zuhörer, wird auch mit einem Nachweis der Sprachkompetenz versehen. „Gefordert ist B 2, C 1 ist aber sinnvoll“, sagt Ausbilderin Dannenberg zu diesem Thema, das mit zunehmender Einwanderung in den Fokus rückt. Im Blockunterricht an der Pflegeschule könne man aber weiter an seinem Deutsch arbeiten, „da bekommen wir Unterstützung vom Bundesamt für Migration“.
Fremdsprachen werden interessant, wenn man das Angebot annehmen will, während der dreijährigen Ausbildung ein Praktikum im Ausland zu machen. Erasmus plus zeigt, dass so etwas längst nicht mehr nur Studenten vorbehalten ist. Aber auch so sei der Pflegeberuf enorm abwechslungsreich, betont Gabriele Dannenberg. Ob man alte Menschen im Heim pflegt oder daheim, ob man mit Kindern arbeitet oder psychisch kranken Menschen, das unterscheide sich schon sehr.
Vorteilhaft sei auch, dass man mit ganz verschiedenen Arbeitszeitmodellen unterwegs sein kann. So lasse sich Beruf und Familie besser in Einklang bringen als in vielen anderen Bereichen, so die Leiterin der Leichlinger Pflegeschule. Für sie steht fest, sagt sie den jungen Interessenten im Forum: „Ihr könnt überall sein, und Ihr werdet Euren Platz finden.“
An Zuspruch dieser Art mag Andreas Tressin gedacht haben, als er forderte: „Nach dem Pisa-Schock brauchen wir mehr denn je einen Mentalitätswechsel in der Bildungspolitik.“ Sonst werde es absehbar bitter für die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Viele Arbeitgeber an Rhein und Wupper scheinen das verstanden zu haben. Sonst hätten sie sich nicht im Forum präsentiert.