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Sekundarschule LeverkusenWie wichtig ein Spaßkampf ist, wenn man Gewalt verhindern will

Lesezeit 3 Minuten
Ein großer und ein kleiner Junge kämpfen mit Schaumstoffstäben spaßeshalber miteinander. Vier Mitschülerinnen und Mitschüler schauen ihnen zu.

Ein freiwilliger Spaßkampf zwischen Klassenkameraden der Sekundarschule Leverkusen.

An der Sekundarschule Leverkusen sollen Klassentrainings Gewalt vorbeugen – und den richtigen Umgang mit Gewalterfahrungen lernen. Eine Trainerin erzählt davon.

In der Klasse 10b der Sekundarschule Leverkusen geht es turbulent zu. „Wer möchte als Nächstes in den Ring?“, fragt Trainerin Conny Selbach, vom Netzwerk Rheinland. Am Anfang traut sich keiner der Schüler, doch dann melden sich zwei mutige Freiwillige. „Ihr habt jetzt eine Minute Zeit, euch mit diesen Kunststoffstäben zu schlagen“, sagt die Trainerin. Dann geht es los. Erstmal wirkt das Spektakel nicht, als wäre es Teil eines zweitägigen Gewaltpräventionskurses, doch nach der Übung setzt sich die Klasse mit Conny Selbach zusammen und bespricht, was gerade passiert ist.

Ein Kampf gegen Gewalt

„War das okay, was wir gerade gemacht haben, oder war das Gewalt?“, fragt Selbach. „Beide Parteien haben freiwillig teilgenommen, deshalb war es in Ordnung“, antwortet ein Schüler. Der Spaßkampf diene dazu, das erlebte Schlagen besser verknüpfen zu können. „Die Jugendlichen wissen, wie es sich angefühlt hat und wie es sich anfühlen würde, wenn man unfreiwillig an so einem Kampf teilnehmen würde“, erklärt die Trainerin. Es gehe darum, ein Verständnis für Kommunikation in Beziehungen zu schaffen und Grenzen klarzustellen. „Was bedeutet für jemanden ein klares Nein? Wo holt man sich Hilfe, wenn es zu Gewalt kommt? Wie erkennt man diese? Welche Formen von Gewalt gibt es? All diese Fragen und Themen versuchen wir mit den Jugendlichen, in den nächsten zwei Tagen zu klären“, so Conny Selbach.

Eine erwachsene Frau sitzt auf einem Stuhl und hat den Rücken der Kamera zugewendet. Um sie herum sitzen im Stuhlkreis zahlreiche Schülerinnen und Schüler und sprechen mit ihr.

Trainerin Conny Selbach bespricht das Erlebte mit der Klasse 10b.

Soziale und kommunikative Kompetenzen ausbauen und Deeskalationsstrategien erlernen, um Konflikte in einer gleichberechtigten Partnerschaft gewaltfrei zu lösen. Das ist das Ziel des zweitägigen Projekts „Soziale Kompetenzen und Gewaltprävention“, an dem die Schüler der Stufe 10 der Sekundarschule Leverkusen teilnehmen.

Oft haben Kinder, die zu Tätern werden, Gewalt selbst erlebt oder vorgelebt bekommen
Conny Selbach, Anti-Gewalt-Trainerin

Auch würde über die Ursachen von Gewalt gesprochen werden. „Oft haben Kinder, die zu Tätern werden, Gewalt selbst erlebt oder vorgelebt bekommen“, erklärt Selbach. Deshalb sollten auch die Hintergründe von Gewalt aufgedeckt werden. „Wenn jemand selbst betroffen war, soll er sich die Frage stellen, wie das für ihn war, ob er dieses Verhalten wirklich mitnehmen möchte und wie man Aggressionen kompensieren kann.“

Jungen fällt es schwerer, sich Hilfe zu holen

Der Zonta-Club Leverkusen habe die Schulung initiiert und mit einem Zuschuss der VR-Bank Bergisch Gladbach-Leverkusen finanziert, sagt Birgit Reinhold, Sozialpädagogin der Sekundarschule. Das Trainingskonzept wurde gemeinsam mit dem Netzwerk Rheinland und der Sekundarschule Leverkusen entwickelt. „Das gesamte Projekt ist interaktiv aufgebaut“, sagt Reinhold. Die eingebauten Kommunikationsspiele seien bedeutsam, da die Jugendlichen lernen würden, wie schnell man jemanden missverstehen könne, wenn man nicht aktiv zuhöre. „Nicht nur das aktive Zuhören, sondern auch Vertrauen, Geduld, Respekt, Anerkennung des Andersseins und Perspektivwechsel sind zentrale Themen der zweitägigen Schulung“, erklärt die Sozialpädagogin.

Es gebe sechs Trainer, die auf drei Klassen verteilt würden. „Leider ist nur ein Mann dabei, der den Einzelblock von vier Stunden mit den Jungs übernehme“, so Reinhold. Wenn über Gefühle gesprochen würde, falle das gerade den Jungs oft schwer. Deshalb seien Teile des Kurses geschlechtlich getrennt. „Da Männer stereotypisch als das starke Geschlecht gelten, fällt es ihnen auch viel schwerer, sich Hilfe zu holen. Sie denken, dass sie keine Schwäche zeigen dürfen. Das liegt an uns als Gesellschaft, das zu ändern“, sagt Birgit Reinhold.

Die Schule habe einen Erziehungs- und Bildungsauftrag, der dazu verpflichte, Themen wie Gewaltprävention noch viel öfter aufzugreifen. „Am Ende der Schullaufbahn soll die Schule – neben der Familie – Kinder emotional ausrüsten und menschliche und soziale Themen gelehrt haben“, sagt Reinhold. „Deshalb wollen wir Dinge in Bewegung bringen. Gewaltprävention fängt schon früh an.“