Wer Lust auf Tanz hatte, der nicht nur den Körper, sondern auch den Verstand auf die Probe stellt, war am Donnerstagabend im Forum genau richtig.
Tanzstück im ForumUrban Dance mit einer Entfesselung der Zeit und Gefühle in Leverkusen
Eine Begegnung der besonderen Art gab es für Zuschauende im Forum: Das Tanzstück „Faster(!)“ spielte mit der Frage, wie wir uns dem drohenden Ende einer Ära stellen – ob wir uns dem Abgrund entgegen stürzen oder inmitten des Chaos' das Leben in seiner ganzen Intensität wahrnehmen. „Faster(!)“ spielt nicht nur mit Bewegung, sondern auch mit tief gehenden, existenziellen Fragen.
Leverkusener Tanz: Ein Bekenntnis zur Pluralität
Auf der Bühne sehen wir acht Tänzerinnen, deren Persönlichkeiten, Lebensmodelle und Bewegungsstile miteinander kollidieren. Krump, B-Boying, Footwork und Contemporary treffen auf Experimental Dance und Physical Theatre – ein Potpourri an Körperlichkeit, das das Forum herausfordert. Wie ein Spiegelbild der urbanen Gesellschaft zeigt das Stück die Komplexität und Vielfalt des modernen Lebens, wo jeder Moment ein Balanceakt zwischen Zerstörung und Hoffnung, zwischen Vergangenheit und Zukunft ist.
Der Tanz ist kraftvoll und entfesselt. Die Körper werden zu Instrumenten, die in jeder Bewegung nach einer Antwort suchen. „Was tun, wenn alles zerbricht?“, fragt das Stück, und lässt die Tanzenden auf der Bühne mit dieser Frage kämpfen. Aus der Kombination von Hip-Hop und Contemporary entsteht ein explosiver Ausdruck: ein ständiges Ringen um Halt und gleichzeitig eine Hingabe an das, was im Augenblick möglich ist.
Forum als Plattform für die Avantgarde der Tanzszene
„Faster(!)“ ist eine Momentaufnahme einer sich auflösenden Welt. Das Stück nutzt den Raum, den das Forum bietet, um tief in die persönlichen und kollektiven Ängste und Hoffnungen einzutauchen. Choreograf Jimmy Vairon – selbst Teil der Aufführung – ist mit seiner eindrucksvollen Bühnenpräsenz das lebendige Bindeglied zwischen den Tanztechniken und der Musik. Vairons Bewegungen sind intensiv, die Körperhaltung durchdringend.
Es ist dieser Mix aus Körperlichkeit, Theatralik und beeindruckender Breakdance-Virtuosität, der den Auftritt faszinierend macht. Der wendige Wechsel zwischen kraftvollen Soli und fast meditativem, langsamen Bewegungsfluss zieht nimmt ein und wenn sich die Tanzenden gegenseitig in der Luft zu fangen scheinen, die Kräfte bündeln, als wären sie Teil eines kollektiven Widerstands gegen die Zeit, wird deutlich: Hier geht es um mehr als Tanz. Es geht um Leben und Überleben.
Debüt in Leverkusen: Vairons persönliche Note
Die Aufführung in Leverkusen ist besonders: Choreograf und Tänzer Jimmy Vairon übernimmt eine der Rollen und tanzt als aktiver Teil des Ensembles mit. Auf der Bühne verschmilzt die kreative Vision des Künstlers mit der körperlichen Realität des Performers. Das Stück wird so auch zu einer künstlerischen Selbstreflexion. Die Kompositionen von Kilian Unger und Wilbert Pepper, die mit Stimme, Loop, Beatbox, Rap und Instrumenten live auf der Bühne agieren, bilden die klangliche Grundlage.
Das Gastspiel des Urban Dance Ensembles „Renegade“ im Leverkusener Forum, eingebettet in die Reihe „Move on – Leverkusener Festival Junger Tanz und Zirkus“, zeigt, wie wichtig es ist, jungen Tanz auf die Bühne zu bringen. In Leverkusen wird der Tanz zur Sprache, zur Reflexion über das, was in der Gesellschaft passiert, und zum aktiven Moment der Auseinandersetzung mit der Zeit.