Nach Absage in Leverkusen„Ein abgesagter Zug heißt nicht, dass Karneval ausfällt“
- Trotz der Absage von Zügen, der Prinzenproklamation und Großveranstaltungen wollen sich die Leverkusener Narren den Spaß am Brauchtum nicht nehmen lassen.
- Wie könnte die Session aussehen? Thomas Lingenauber, Präsident des Leverkusener Festkomitees, und Stefan Hebbel, Neustadtfunkenpräsident, wagen eine Prognose und erklären, warum sie hinter der Entscheidung stehen.
Leverkusen – „Ich fühle mich wie ein kleiner Junge, dem gesagt wurde, dass Weihnachten ausfällt.“ – Thomas Lingenauber, frisch gewählter Präsident des Leverkusener Festkomitees (FLK), bringt seine Enttäuschung auf den Punkt. Anfang der Woche war bekannt geworden, dass die Session 2020/2021 im Grunde komplett ausfällt. Keine Züge, keine Großveranstaltung, kein Rathaussturm, keine Prinzenproklamation.
Für Lingenauber war die Entscheidung aber alternativlos und richtig: „Wir können dieses Risiko nicht eingehen.“ Die Entscheidung sei nicht ad hoc gefällt worden, betont der FLK-Präsident: „Wir haben uns sehr schwer getan.“ Aber die Aussicht unter anderem auf Sitzungen, die nur mit 20 Prozent der Plätze bestückt werden können, war entmutigend. „Was dürfen Sie denn? Nicht ohne Maske aufstehen, schunkeln – bützen klammern wir hier mal total aus“, fragt sich Lingenauber.
Doch Karneval soll damit nicht gestorben sein. „Ein abgesagter Zug heißt nicht, dass Karneval ausfällt“, betont er. Es sei immer noch Teil des Leverkusener Brauchtums. „Ja, es ist ein gewaltiger Schritt zurück“, räumt er ein, sieht aber auch das Gute darin: „Wir nähern uns den Anfängen, gehen auf eine andere Ebene: Es wird intimer, kleiner, man trifft sich mit Freunden oder der Familie, feiert im Bekanntenkreis.“
Also der komplette Rückzug ins Private? So will Lingenauber das nicht verstanden wissen: Für die Vereine soll es Veranstaltungen geben. Zum Beispiel soll die Sessionseröffnung gefeiert werden. Und auch an den fünf Tagen des Straßenkarnevals „werden wir sicher nicht zu Hause sitzen und Tränchen verdrücken“, sagt Lingenauber. Vor allem den Vereinsmitgliedern soll was geboten werden, „da gibt es Menschen, die sich das ganze Jahr darauf vorbereiten“, sagt er.
Bindung soll erhalten bleiben
Mit den eigenen Leuten zu feiern, ist auch Stefan Hebbel wichtig. Die Neustadtfunken werden in der Stadthalle Bergisch Neukirchen ihre Sessionseröffnung feiern. „Damit die Bindung erhalten bleibt und man den Zusammenhalt spürt“, erklärt Neustadtfunken-Präsident Hebbel. Würde man das ganze Jahr nicht zusammenkommen, würde man sich vielleicht entfremden. Und auch an anderen Formaten feilen die Neustadtfunken, keine Sitzungen, aber etwas mit Programm. Für den Straßenkarneval sieht er auch schon Optionen. Bislang seien alle Vereine immer in Altenheime gegangen. Das fällt zwar aus, aber man könnte sich in den Hinterhof stellen und, ähnlich wie Sängerin Luisa Skrabic das in der Lockdown-Zeit gemacht hatte, eine Art Konzert oder Sitzung abhalten, so stellt sich Hebbel das vor.
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Er steht hinter der Entscheidung: „Natürlich ist das Brauchtum wichtig, aber unsere Verantwortung, die wir haben, dass unsere Mitglieder und andere Menschen gesund bleiben, steht über der Pflege des Brauchtums.“
Auch andere Vereine überlegen, wie sie wenigstens mit ihren Mitgliedern feiern können. Die Karnevalsfreunde Manfort haben auf ihrer jüngsten Sitzung, auf der sie einen neuen Vorstand gewählt haben, auch die aktuelle Corona-Situation debattiert. Der Vorstand machte deutlich: „Wir Karnevalsfreunde werden alles Mögliche tun, um unter Einhaltung der geltenden Regelung unsere Veranstaltungen ausrichten zu können.“ Passend dazu lautet das Motto der Session 2020/21 bei den Karnevalsfreunden „Uns kann nix de Fastelovend nemme“.
Angst davor, dass die Jecken, die auf keinen Fall auf offizielle, öffentliche Veranstaltungen verzichten wollen, nach Köln oder Düsseldorf abwandern, haben die Karnevalisten Stefan Hebbel und Thomas Lingenauber nicht. „Ich bin doch froh, wenn irgendwo Veranstaltungen unter guten Rahmenbedingungen stattfinden, wie vielleicht die »Lachende Köln-Arena«“, sagt Stefan Hebbel.
Und auch Thomas Lingenauber sieht das Risiko nicht. Man könne die Gegebenheiten in Leverkusen nicht mit denen in Köln und Düsseldorf vergleichen. Dort hänge „viel Commercial“ dran, die Vereine verdienten an Tribünenplätzen, hier in Leverkusen würde alles von Ehrenamtlern auf die Beine gestellt. Doch auch hier geht den Vereinen viel Geld verloren, es soll aber finanzielle Hilfe von der Stadt und vom Festkomitee geben.
Lingenauber, der erst seit Juli Präsident des Festkomitees ist, meint bitter: „Ich hätte mir auch nicht träumen lassen, dass ich in meiner Antrittsrede sagen muss: Dieses Jahr gibt es nichts.“