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Unruhe in Leverkusener Pharma-FirmaDie Methode Zours gibt es nicht nur bei Biofrontera

Lesezeit 5 Minuten
Eine Baustelle am Hintereingang von Biofrontera im Manforter Innovationspark

Biofrontera bleibt eine Baustelle

Er ist längst größter Aktionär und seit einem Jahr Chefaufseher. Wie der Investor Wilhelm Zours vorgeht, berichten Gründer Hermann Lübbert und ein Insider.

Ein bezahlter Hauptversammlungs-Störer, zweifelhafte Behauptungen und Klagen, Klagen, Klagen. Das alles mit dem Ziel, die Kontrolle zu erlangen über das Unternehmen. Was Biofronteras Gründer Hermann Lübbert über das Wirken des größten Aktionärs Wilhelm Zours berichtet, kann ein anderer Chef einer kleinen Aktiengesellschaft nur bestätigen. Der Unterschied: Letzterer hat in seiner Firma noch die Zügel in der Hand, die Mehrheit der Aktionäre hinter sich. Was aber immer wieder harte Arbeit bedeute, sagt er.

Lübbert hingegen hat sich in die US-Tochter zurückgezogen, wäre im Herbst allenfalls in den Aufsichtsrat von Biofrontera eingezogen – hätte denn Zours nicht bei der letzten Hauptversammlung gegnerische Aktionäre handstreichartig ausgeschlossen und damit eine etwaige Lübbert-Wahl verhindert. Dagegen läuft gerade wieder ein Verfahren. Der zweitgrößte Anteilseigner Maruho hat geklagt, ein erster Termin ist ohne Ergebnis geblieben. Argumente werden erst in einigen Wochen ausgetauscht. Davor hat Zours offenkundig aber keine Angst. Er sieht gute Argumente auf seiner Seite, sagt er am Donnerstag auf Anfrage.

Leiser Einstieg, danach wird es ungemütlich

Spricht man mit Chefs von Unternehmen, in denen der Heidelberger selbst oder über eine seiner Gesellschaften wie die Deutsche Balaton Geld stecken hat, erkennt man ein Muster: Zours kauft sich erst mit kleinen Summen ein, steigert dann seinen Anteil und versucht, die Kontrolle zu übernehmen. Am Schluss steht der Austausch der Geschäftsführung – wenn es denn sein muss aus Sicht des Investors.

Wie das bei der in Manfort ansässigen Biofrontera AG gelaufen ist, stellt sich aus der Perspektive des Gründers Hermann Lübbert so dar: Das erste Investment sei von der Heidelberger Beteiligungsgesellschaft gekommen, damals eine hundertprozentige Tochter der Deutschen Balaton. Nicht viel später sei Zours selbst schon auf den Plan getreten – unter anderem mit der Forderung, einen Sitz im Aufsichtsrat der Biofrontera zu besetzen. Das gelang auch: 2016 zog der enge Zours-Vertraute Hansjörg Plaggemars in das Kontrollgremium ein.

Lähmende Rechtsstreite

Glücklich war man bei Biofrontera mit der Berufung nicht. Denn längst war klar, dass man mit Wilhelm Zours einen Gegenspieler im Unternehmen hat, der mit einer völlig anderen Agenda unterwegs ist als der Vorstand. Und der vor allem juristische Hebel benutzt, um seine Interessen durchzusetzen. „Zours hat gegen jede Hauptversammlung geklagt“, erinnert sich Lübbert. Aus seiner Sicht eine Verzögerungstaktik, weil Beschlüsse der Aktionäre wegen der langen Dauer der Rechtsstreite jahrelang nicht umgesetzt werden können.

Das kann ein Unternehmen wie Biofrontera, das mit dem Hautkrebsmittel Ameluz zwar ein vielversprechendes Präparat am Start hat, in der investitionsintensiven Pharma-Branche aber viele Jahre keine Gewinne, sondern nur Schulden macht, schwer schädigen. Schließlich muss sich die Firma immer wieder frisches Geld beschaffen. Das geht nur am Kapitalmarkt – durch Begebung einer Anleihe oder durch die Ausgabe neuer Aktien.

Über diese beiden Möglichkeiten ist zuletzt in diesem Jahr ein Streit ausgebrochen zwischen dem Aufsichtsrat und dem bis zum Spätsommer agierenden Vorstand. Die Zours-Fraktion war für neue Aktien. Warum, ist für seine Kritiker klar: Auf diese Weise konnte und kann sich der Investor weiter mit Biofrontera-Papieren eindecken, und das für recht kleines Geld: Die Aktie hat längst eine harte Talfahrt hinter sich. Und Zours kauft fleißig weiter, wie die stetigen Pflicht-Mitteilungen zeigen.

Aus seiner Sicht ist das als Beleg zu werten, dass er an Biofrontera glaubt. „Aber man muss das Unternehmen gut führen.“ In diesem Punkt „hat Herr Lübbert leider versagt“, ist Zours’ Überzeugung. Dass der Professor kaufmännische Defizite habe, zeige sich jetzt auch in der US-Tochter, wo Lübbert „sich einzementiert hat“, so beschreibt es Biofronteras heutiger Aufsichtsratschef. Auch dort verspüre Lübbert Gegenwind, das zeigten die Abstimmungsergebnisse der jüngsten Hauptversammlung im Dezember, sagt Zours.

Zours-Vertrauter wird aus dem Aufsichtsrat entfernt

Die Plaggemars-Phase im Aufsichtsrat währte übrigens nicht sehr lange – sein Ausschluss wurde wiederum durch ein Gericht veranlasst. Diesmal hatte allerdings Biofrontera geklagt. Der Vorstand warf Plaggemars Geheimnisverrat vor, das Amtsgericht Köln schloss sich dieser Auffassung an. Im März 2019 wurde der Zours-Vertraute abberufen. So etwas gibt es nicht oft in Unternehmen.

Die Methode, über den Aufsichtsrat das Zepter an sich zu reißen, wende Zours an, wenn die Vorstände nicht gehen, sagt Lübbert. Bei Biofrontera allerdings ist inzwischen beides geschehen: Schon während Hansjörg Plaggemars im Aufsichtsrat saß, wurde Finanzvorstand Thomas Schaffer immer wieder von Zours und seinen Vertrauten attackiert. „Der hatte am Ende Angst, dass im Dorf keiner mehr mit ihm spricht“, beschreibt Lübbert den Gefühlszustand seines früheren Vorstandskollegen. Schließlich warf Schaffer das Handtuch – auch Lübbert bereitete seinen Abgang vor.

Damit wähnte sich Zours aber offenbar noch nicht am Ziel. Auch die Berufung von Ludwig Lutter als Finanzchef von Biofrontera stellte sich als Zwischenspiel heraus. Nachdem er sich erkennbar gegen die Pläne des Aufsichtsrats für eine Kapitalerhöhung über neue Aktien gestellt hatte, war auch er reif. Handstreichartig wurde Lutter aus dem Amt entfernt. Natürlich klage er gegen seinen früheren Arbeitgeber, weiß Lübbert. Mit dem Lutter-Rausschmiss hatte Biofrontera nur noch einen Vorstand mit befristetem Mandat: Paul Böckmann sollte die Leverkusener Stammgesellschaft und die US-Tochter wieder zusammenführen, hatte dafür ursprünglich nur bis Zeit bis zum vorigen Herbst.

Die jüngste Hauptversammlung veranschaulichte, wer in Wahrheit das Sagen hat bei Biofrontera: Aufsichtsratschef Wilhelm Zours zog die Fäden, Vorstand Böckmann wirkte wie eine Marionette des größten Aktionärs. Nicht anders verhalte es sich mit der kurze Zeit später berufenen Finanzvorständin Pilar de la Huerta, ist Lübberts Einschätzung. Die seit vorigem September amtierende Spanierin spreche kein Deutsch; die Führung des Manforter Unternehmens sei zunehmend schwierig. „Da sind in der zweiten Reihe Leute, die an das Produkt glauben und den Laden am Laufen halten“, urteilt Lübbert. Biofronteras Gründer fasst es so zusammen: Die Firma gebe es nicht mehr wegen ihres größten Aktionärs und Aufsichtsratschefs – sondern trotz Wilhelm Zours.