Ein Gericht musste über einen Baum entscheiden. Das Urteil fällt klar aus.
Leverkusener Richter gegen Baumfällung„Sie leben nicht in einer Betonwüste“
Den Nachbarschaftsstreit, dem das Ehepaar Rothert seit über zwei Jahren ausgesetzt ist, hat jetzt ein Richter vom Leverkusener Amtsgericht in den letzten Tagen des Jahres erstmal beendet. Bei einem Ortstermin im November hatte der Nachbar eine gütliche Einigung abgelehnt und eine gerichtliche Klärung verlangt.
Der Fall: Die Rotherts besitzen an der Kandinskystraße in Schlebusch einen Bungalow mit kleinem Garten. Dort haben sie in den 70-er-Jahren, nahe am südlichen Grundstückszaun, einen Lebensbaum gepflanzt. Eine Thuja, die heute ungefähr zwölf Meter hoch ist. Ein Nachbar von der Alfred-Kubin-Straße streitet seit über zwei Jahren darum. Den Baum will er so stark beschnitten haben, dass das einer Fällung nahekommt.
Der Anlass: Er findet, dass sein Grundstück durch die Pflanze erheblich beeinträchtigt sei. Zwischen seinem Bungalow und der Thuja liegt ein Privatweg, den er reinigen muss. Ihn stören die herabfallenden Nadeln, sodass er alle zwei Wochen den Weg kehren müsse. Auch die Verschattung eines Arbeitszimmers und dass der Baum die Sicht aus dem Fenster versperre, gehören zu seinen Klagepunkten.
Die Rotherts schätzen besonders den tiefen Schatten, den der Lebensbaum im Sommer auf ihr Haus und den Garten wirft. Sie möchten den Baum erhalten und wehren sich seit Jahren gegen die Angriffe des Nachbarn.
Der Baum bleibt, der Kläger zahlt die Kosten
Im November war Amtsrichter Stefan Müller-Gerbes zum Ortstermin erschienen, bei dem er mit Notizblock und Zollstock auch auf dem Boden knien musste.
Sein Urteil in Kürze: Der Baum bleibt – Der Kläger zahlt die Gerichtskosten. Die Klage sei nicht begründet. Selbst überstehende Äste seien demnach hinzunehmen.
Der Richter schreibt: „Baum ist Baum und Zierstrauch ist Zierstrauch.“ Sträucher und Hecken müssen beschnitten werden, wenn sie nahe an einer Grundstücksgrenze stehen, Bäume nicht. In seinem Urteil, das fast eine kleine juristische Ausarbeitung auf 17 Seiten ist, steht: „In Nordrhein-Westfalen dürfen die Bäume in den Himmel wachsen. Der Nachbar, dem dies nicht gefällt, hat sechs Jahre Zeit, die Fällung des zu nahe an der Grenze gesetzten Baumes zu verlangen.“
Verschattung und Sichtbehinderung aus dem Arbeitszimmer des Klägers seien nicht wesentlich: Der Baum stehe im Norden und die Sicht auf den blauen Himmel versperre die Thuja mit der kegelförmigen Krone höchstens unten auf einer Breite von maximal vier Metern. Dass es im Zimmer des Klägers dunkel sei, liege daran, dass das Fenster nach Norden ausgerichtet sei, schreibt das Gericht trocken.
Der Kläger hatte angegeben, dass der Lebensbaum 450 Liter Nadeln in neun Monaten angeworfen haben soll. Den Abwurf hält das Gericht aus verschiedenen Gründen für nicht erheblich, unter anderem sei die Gegend am Leimbacher Berg eine von Gärten geprägte Siedlung. Die Nadeln fielen vorwiegend auf den gepflasterten Weg, nicht einmal in die Beete des Klägers.
Aus Sicht des Gerichts mache es keinen Unterschied, wenn „im Rahmen der Kehrwoche ein bisschen mehr oder weniger Laub und Nadeln gefegt werden müssen“. „Die Kläger“, so das Gericht in seiner Schlussbemerkung, „leben in einer naturgeprägten Gartensiedlung und nicht in einer Betonwüste.“