Auf Kosten von WohnungenBayer will Leverkusener Kolonie wohl zum Gewerbegebiet machen
Leverkusen – Mondän ging es früher ganz sicher zu in der Beamtenkolonie an der Wiesdorfer Südgrenze. Dort zu wohnen war mindestens 100 Jahre ein Privileg der leitenden Bayer-Angestellten, die man früher Beamte nannte. Seit einiger Zeit stehen dort viele Wohnungen leer.
Die Inhaberin, die Bayer-Immobiliensparte „Bayer Real Estate“, gibt auf unsere Anfrage keine Zahlen preis. Deshalb lässt sich nicht überprüfen, was ein Kenner der Siedlung sagt: 2021 sollen es 90 leere Wohnungen gewesen sein. Die Person möchte nicht genannt werden. Auch die Leverkusener Stadtverwaltung hat keine Zahlen, weder über die Anzahl der Wohnungen noch wie viele davon nicht bezogen sind. Die Zahl 90 ist nicht ohne weiteres überprüfbar, doch ein Spaziergang am Abend durch die Siedlung führt an vielen Häusern entlang, die unbelebt wirken.
Wie kommt es zu dem Leerstand? Auch wenn die Wohnungen in der vormaligen Edel-Kolonie wegen der Nähe zu Störfallbetrieben Werksangehörigen vorbehalten sind, ist es in diesen Zeiten eigentlich kaum denkbar, dass Wohnungen nicht vermietbar sind.
Kommt ein neues Wiesdorfer Gewerbegebiet?
Aus sicherer Quelle hat der „Leverkusener Anzeiger“ erfahren: In der Leverkusener Stadtverwaltung sollen ein oder mehrere Gespräche gelaufen sein, in denen über eine neue Einstufung des langgestreckten Stadtviertels zwischen Düsseldorfer Straße und der Bahnlinie im Flächennutzungsplan geredet wurde.
Unterbringung von ukrainischen Geflüchteten
Probleme gibt es offenbar nach wie vor bei der Belegung leerer Wohnungen in der Beamtenkolonie mit Geflüchteten aus der Ukraine, da sei man in der Abstimmung mit Bayer, schreibt die Stadtsprecherin. Grund ist die Nähe zum Werk, die „allgemeines Wohnen“ nicht zulasse, nur „betriebszugehöriges Wohnen“. Anlässlich einer politischen Anfrage nennt die Verwaltung die Voraussetzungen für eine Belegung. Eine sei die Anwesenheit von ukrainisch sprechenden Sicherheitsleuten mit enger Anbindung an die Sicherheitszentrale des Chemparks rund um die Uhr. Grundsätzlich aber behält sich Bayer ein Belegungsrecht für eigene Mitarbeiter aus der Ukraine in der Siedlung vor. (rar)
Dass es diese Gespräche gegeben hat, bestätigt die Stadtverwaltung. Eine Sprecherin teilt aber mit, dass in der Sache noch nichts entschieden sei. Einer weiteren Information aus gut unterrichteten Kreisen zufolge könnte die Beamtenkolonie, die heute im Flächennutzungsplan als „Sondergebiet Betriebswohnungen“ geführt wird, langfristig zu einem Gewerbegebiet, in dem zum Beispiel Büros untergebracht werden, umgewandelt werden.
„Das steht noch nicht fest.“
Dazu schreibt die Stadtverwaltung: „Das steht noch nicht fest.“ Auf jeden Fall, so die Stadtverwaltung, „müsste eine andere Nutzung Rücksicht auf den Denkmalschutz nehmen.“
Ein Bayer-Sprecher schreibt: „Bayer verfolgt derzeit Planungsüberlegungen zusammen mit der Stadt Leverkusen, um den derzeitigen Status der Beamtenkolonie als »Sondergebiet betriebliches Wohnen« zu bewerten und gegebenenfalls zu überarbeiten. Ziel ist es, den planungsrechtlichen Status rechtssicher zu klären, um auf dieser Basis zukunftsgerichtete Entwicklungen der Beamtenkolonie zu ermöglichen.“
Konkrete Überlegungen, wie die Entwicklungen aussehen könnten, nennt er Spekulationen. Die Frage zur Anzahl der leer stehenden Wohnungen und nach dem Grund dafür beantwortet er nicht.
Die Kolonie genießt Bestandsschutz
Die Beamtenkolonie wäre als Wohnsiedlung heute so nicht mehr genehmigungsfähig. Dafür liegt sie zu nahe an potenziellen Störfallbetrieben. Aber sie genießt Bestandsschutz. Menschen, die dort leben, müssen wissen, was im Fall eines Störfalls zu tun ist: Zum Beispiel die Kinder reinholen und Fenster schließen. Auch deshalb dürfen derzeit dort nur Werksangehörige wohnen. Eine der Redaktion bekannte Werks-Fremde, die gerne eine der leeren Wohnungen gemietet hätte, wurde abgelehnt.
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Die als „Seveso-II-Konzept“ bekannt gewordene Zonen-Einteilung rund um den Chempark und Dynamit Nobel in Schlebusch verbietet zum Beispiel Geschäfte mit Laufkundschaft nahe an potenziell gefährlichen Betriebsteilen oder Lagern. Seveso-II erlaubt aber etwa Büros, solange besondere Sicherheitsregeln befolgt werden. Das Gebäude der Pronova BKK an der Schießbergstraße entstand unter diesen Bedingungen.